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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Pflegeversicherungsrecht

  1. Sozialrecht: Leistungen der Pflegestufe III müssen auch bei geringfügiger Unterschreitung des notwendigen Pflegeaufwandes gewährt werden.

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    Sozialgericht Münster, 10.02.2012, Az.: S 6 P 135/10

    Die Gewährung von Leistungen aus der Pflegekasse richtet sich nach der Einstufung in einer der drei Pflegestufen. Die Pflegestufe wird vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) festgelegt.

    Gesetzlich geregelt ist die Einordnung in die Pflegestufen in § 15 SGB XI:

    Gemäß § 15 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftige Personen einer der folgenden drei Pflegestufen zuzuordnen:

    1. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

    2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

    3. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

    Gem. § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt

    1. in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen,

    2. in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden (180 Minuten) betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (120 Minuten) entfallen,

    3. in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden (300 Minuten) betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden (240 Minuten) entfallen.

    In der oben genannten Entscheidung des Sozialgerichts Münster hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob die beklagte Pflegekasse dem versicherten Kläger Leistungen nach der Pflegestufe III zu gewähren hatte, obwohl der festgestellte Grundpflegebedarf bei lediglich 234 Minuten lag.

    Sachverhalt:

    Der 1947 geborene, bei der beklagten Pflegekasse versicherte Kläger hatte im Oktober 2002 einen Schlaganfall erlitten, welcher eine leicht spastische Hemiparese mit einer Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes zur Folge hatte.

    Mit Unterstützung war er in der Lage zu gehen. Als gravierendste Folge eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus war der Kläger vor einigen Jahren erblindet. Neben weiteren Erkrankungen lagen kognitive Störungen und ein depressives Syndrom vor.

    Nach dem Schwerbehindertenrecht war ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Die Merkzeichen „Bl.“, „G“, „B“ und „RF“ waren zuerkannt. Der Kläger wurde im Wesentlichen von seiner Ehefrau pflegerisch versorgt.

    Seit März 2003 bezog der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Grundlage dieser Bewilligung war das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) der beklagten Pflegekasse vom 4. April 2003, in dem ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 137 Minuten ermittelt worden war.

    Einen Höherstufungsantrag vom Oktober 2003 hatte die beklagte Pflegekasse abgelehnt, nachdem ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 218 Minuten errechnet worden war.

    In einem von der Beklagten veranlassten Wiederholungsgutachten des SMD vom 21. August 2009 schätzte ein Gutachter den Hilfebedarf für den Bereich der Grundpflege auf 211 Minuten ein.

    Am 7. Januar 2010 stellte der Kläger einen neuen Höherstufungsantrag, in welchem ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 216 Minuten angenommen wurde.

    Gegen den darauf erfolgten Ablehnungsbescheid legte der Kläger Widerspruch unter Vorlage eines Pflegetagebuchs ein. Auch diese Maßnahme hatte keinen Erfolg.

    Sozialgericht Münster:

    Das Gericht erhob zunächst Beweis durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der tägliche Hilfebedarf für den Bereich der Grundpflege auf 232 Minuten zu beziffern sei.

    Anschließend entschied das Gericht im Sinne des Klägers, da der Kläger nach Ansicht des Gerichts durch die Ablehnungsbescheide unzulässig beschwert worden sei.

    Im Falle des Klägers sei eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten.

    Nach dieser Vorschrift sei ein Dauerverwaltungsakt (also in diesem Falle der Verwaltungsakt, welcher die Gewährung von Mitteln nach Pflegestufe II zur Folge hatte) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei.

    Im Vergleich zu den Verhältnissen im Jahre 2003, als dem Kläger erstmals Leistungen der Pflegestufe II bewilligt worden waren, sei durch seine inzwischen eingetretene vollständige Erblindung eine so erhebliche Zunahme der Pflegebedürftigkeit eingetreten, dass nunmehr die gesetzlichen Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit erfüllt seien.

    Schwerstpflegebedürftige (Pflegestufe III) seien nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches – Elftes Buch – (SGB XI) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürften und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigten.
    Diese Voraussetzungen lägen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Falle des Klägers vor. Das sei zwischen dem Kläger und der beklagten Pflegekasse auch nicht streitig.

    Umstritten sei lediglich noch die Frage, ob auch der in § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI geregelte, zeitliche Mindestpflegeaufwand erreicht werde.

    Nach dieser Bestimmung müsse der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung benötige, „wöchentlich im Tagesdurchschnitt“ in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden, also 240 Minuten, betragen. Hierbei müsse auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.

    Zwar verweise die Beklagte rechnerisch zutreffend darauf, dass mit dem von dem Sachverständigen ermittelten grundpflegerischen Hilfebedarf von 232 Minuten der erforderliche Mindestbedarf von 240 Minuten um 8 Minuten unterschritten werde.

    Gleichwohl sei die Kammer davon überzeugt, dass die gesetzliche Anspruchsvoraussetzung einer mindestens vierstündigen täglichen Grundpflege im Falle des Klägers erfüllt sei.

    Die Kammer habe das Gutachten des erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen einer kritischen Prüfung unterzogen.

    Dabei habe sie keinen Anlass gesehen, von den Einschätzungen dieses Zeitaufwands bei den einzelnen Verrichtungen abzuweichen.

    Nach Ansicht des Gerichts sei im Falle des Klägers die Annahme der Schwerstpflegebedürftigkeit aber schon bei dem vom Sachverständigen ermittelten grundpflegerischen Hilfebedarf von 232 Minuten gerechtfertigt.

    Das Unterschreiten der zeitlichen Schnittstelle um wenige Minuten könne der Zuerkennung der Pflegestufe III nicht entgegenstehen.

    Die Überzeugung der Kammer folge aus einer dem Wortlaut des Gesetzes berücksichtigenden Auslegung, der Beachtung der Auslegungsregeln des § 2 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches – Erstes Buch – (SGB I), einer den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) in den Blick nehmenden verfassungskonformen Auslegung und einer Berücksichtigung der Unzulänglichkeiten des geltenden gesetzlichen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

    Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB XI formuliere die zeitlichen Eintrittsstellen für die jeweiligen Pflegestufen sprachlich unterschiedlich.

    Die Pflegestufe I setze einen grundpflegerischen Hilfebedarf von „mehr als 45 Minuten“ voraus, bei den Pflegestufen II und III reiche es aus, wenn auf die Grundpflege „mindestens zwei“ bzw. „mindestens vier Stunden“ entfallen.

    Schon aus diesen unterschiedlichen Formulierungen des Gesetzes sei abzuleiten, dass die Schwelle zu den höheren Pflegestufen nicht so streng gefasst sei wie bei der Pflegestufe I.

    Aber auch die allgemeine Auslegungsregel des § 2 Abs. 2 SGB I spreche dafür, dass der Leistungsanspruch im Falle des Klägers nicht an wenigen Minuten scheitern könne.

    Nach dieser Vorschrift sei nämlich bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen, dass die Sozialrechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

    Ferner stütze sich die Kammer auf das Auslegungskriterium der Verfassungskonformität.

    Es sei mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes und dem Gerechtigkeitsgedanken nur schwer vereinbar, wenn aufgrund des Unterschreitens des Mindestzeitaufwandes um nur wenige Minuten die im Vergleich zur Pflegestufe II wesentlich höheren Leistungen der Pflegestufe III nicht beansprucht werden könnten.

    Denn es sei zu beachten, dass bei Leistungsbeziehern der Pflegestufe III die zeitliche Mindestvoraussetzung wegen der besonders strengen Anspruchsvoraussetzungen nach den Er-fahrungen der Kammer in den meisten der Fälle nur um wenige Minuten überschritten werde.

    In diesem Zusammenhang sei auch die enorme zeitliche Spanne von 120 Minuten nicht außer Acht zu lassen, die nach der gesetzlichen Regelung die Eintrittsschwellen der Pflegestufen II und III trenne.

    Entscheidende Erwägung für die Kammer sei schließlich jedoch, dass es sich bei dem von dem Sachverständigen gefundenen Ergebnis eines grundpflegerischen Hilfebedarfs von 232 Minuten im Wesentlichen lediglich nur um eine scheinrationale Größe handeln würde.

    Ließe sich der nach dem Gesetz berücksichtigungsfähige Aufwand chronometrisch präzise be-messen, könne das Scheitern eines Leistungsanspruchs wegen eines sehr geringfügigen Unterschreitens einer zeitlichen Schnittstelle möglicherweise gerechtfertigt sein.

    Bei dem geltenden gesetzlichen Pflegebedürftigkeitsbegriff und dem mit ihm verknüpften Bemessungsfaktor Zeit handele es sich aber nicht um sicher fassbare und rationale Kriterien.

    Zunächst sei festzustellen, dass schon wegen der – pflegerisch nicht gerechtfertigten – Beschränkung auf den gesetzlichen Verrichtungskatalog und die Nichtberücksichtigung von Behandlungspflege und Aufsichts- und Betreuungsbedarf die Bedarfsgerechtigkeit des Einstufungssystems erheblich infrage gestellt sei.

    Zudem begegne die Ermittlung der Zeitdauer der berücksichtigungsfähigen Pflegemaßnahmen ganz gravierenden Schwierigkeiten.

    Unter Beachtung der individuellen Pflegesituation, der individuellen Lebensgewohnheiten der Pflegebedürftigen und der unterschiedlichen Hilfeformen (Anleitung, Beaufsichtigung, Teilübernahmen etc.) solle nach einem fiktiven, objektiven Maßstab der Zeitaufwand bei den Katalogverrichtungen bemessen werden. Dies sei mit einer Stoppuhr nicht zu leisten.

    In der Pflegewissenschaft und in der Pflegepraxis werde seit vielen Jahren einhellig die Reform des gesetzlichen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gefordert. So hieße es etwa in dem vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Bericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vom 26. Januar 2009 treffend, „dass der Faktor Zeit mit dem Stichwort Minutenpflege zu einem die gesamte Pflegeversicherung desavouierenden Begriff“ (S. 45 des Berichts) geworden sei.

    Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 7. Juli 2005 (Az.: B 3 P 8/04 R) in einer Streitsache, bei der es um die Entziehung von Leistungen der Pflegeversicherung ging, ausgeführt, dass eine Schätzung des Pflegebedarfs im Rahmen einer Leistungsüberprüfung, die ein Unter-schreiten des erforderlichen Pflegebedarfs um nur wenige Minuten ergeben habe, für die Pflegekasse in der Regel keinen hinreichenden Grund darstelle, die Leistung zu mindern bzw. einzustellen, schon weil die Unsicherheit der Schätzung nicht die verlässliche Feststellung erlaube, dass der erforderliche Pflegebedarf der jeweiligen Pflegestufe nicht mehr vorläge.

    Des Weiteren habe das BSG die Auffassung vertreten, dass es rechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn Gutachter und Pflegekraft im Grenzfall einen großzügigen Maßstab anwenden und den Leistungsanspruch nicht an wenigen Minuten scheitern lassen.

    Dieser Rechtsprechung stimme die Kammer zu. Darüber hinaus sei sie der Überzeugung, dass wegen der erheblichen Unsicherheit der Schätzung ein großzügiger Maßstab im Grenzfall nicht nur nicht zu beanstanden sei, sondern dass bei einer Schätzung durch einen gerichtlichen Sachverständigen, nach der die Schwelle zur Pflegestufe III nur um wenige Minuten verfehlt werde, es geboten sein könne, eine Korrektur der Einschätzung vorzunehmen.

    Im Falle des Klägers habe der gerichtliche Sachverständige durch Einschätzungen des Zeitaufwands bei zahlreichen Verrichtungen der Grundpflege in der Summe einen Zeitaufwand von 232 Minuten ermittelt.

    Die Kammer sähe keinen Anlass und keine Möglichkeit, von den jeweiligen Einschätzungen abzuweichen.

    Im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) sei sie aber zu der zusammenfassenden Einschätzung gelangt, dass dieser Zeitaufwand die gesetzliche Anspruchsvoraussetzungen einer vierstündigen Grundpflege bereits erfüllen würde und dem Kläger die Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit zustünden.

    Quelle: Sozialgericht Münster

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  2. Familienrecht: Vorsorge im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung oder Patientenverfügung?

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    Im Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken. In Deutschland liegt der Anteil der Menschen mit Demenz mittlerweile bei etwas über 1.600 je 100.000 Einwohner, Tendenz steigend.

    Nach einer aktuellen Studie dürfte sich dieser Anteil innerhalb der nächsten dreißig Jahre verdoppeln.

    Viele Menschen beschäftigt daher die Frage, welche rechtlichen Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden müssen, um sich im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit abzusichern.

    Die Erstellung von sogenannten Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen oder Patientenverfügungen zur Absicherung der eigenen Zukunft rückt daher immer weiter in den Vordergrund.

    Die Abfassung eines solchen Dokuments ist daher notwendig, um ein gewisses Maß an Selbstbestimmung im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit abzusichern.

    Existiert zum Beispiel keine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung, kann das Betreuungsgericht (vor dem 01.09.2009 das Vormundschaftsgericht) die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers bzw. eines Betreuungsvereines veranlassen.

    A.) Vorsorgevollmacht
    Mit einer Vorsorgevollmacht benennen Sie eine Ihnen vertraute Person, die dann für Sie handlungsfähig wird, wenn Sie wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nicht mehr in der Lage sind, wichtige Entscheidungen zu treffen.

    In einer solchen Vorsorgevollmacht können Sie auch Personen, denen sie nicht vertrauen, von der Vorsorge ausschließen.

    Oftmals ermächtigen solche Vollmachten „zur Vertretung in allen Angelegenheiten“. Auch wenn dies zunächst den Eindruck erweckt, dass alle wichtigen Entscheidungen des Bevollmächtigten abgedeckt sind, ist dies gerade nicht der Fall.

    Denn zum Beispiel für die folgenden Angelegenheiten bedarf es einer ausdrücklichen Regelung in der Vorsorgevollmacht:

    – Zustimmung des Bevollmächtigten zu einer ärztlichen Untersuchung, Heilbehandlung oder einem medizinischen Eingriff, wenn dabei Lebensgefahr für den Vollmachtgebenden besteht oder ein schwerer, länger andauernder Gesundheitsschaden zu erwarten ist.
    – Zustimmung des Bevollmächtigten zur Unterlassung oder Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen.
    – Zustimmung des Bevollmächtigten zu einer Organspende durch den Vollmachtgebenden.
    – Zustimmung des Bevollmächtigten zu einer geschlossenen Unterbringung des Vollmachtgebers oder zu einer anderen freiheitsbeschränkenden Maßnahme

    Zu beachten ist außerdem, dass trotz Bevollmächtigung einige dieser Angelegenheiten weiterhin der Zustimmung des Betreuungsgerichts bedürfen.

    Grundsätzlich empfiehlt es sich somit, die Vorsorgevollmacht auf die wichtigsten Aufgabenbereiche zu beziehen und diese möglichst genau zu regeln.

    Wichtige Aufgabenbereiche sind zum Beispiel: Vermögensangelegenheiten, Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge, Angelegenheiten der Aufenthaltsbestimmung, sonstige persönliche Angelegenheiten, Vertretung bei Ämtern, etc.

    Gerade dann, wenn umfangreiches Vermögen bei dem Vollmachtgeber vorhanden ist, sollte die Vollmacht möglichst sorgfältig ausgestaltet werden, um einen Mißbrauch oder spätere Erbstreitigkeiten zu verhindern.

    Natürlich können Sie auch verschiedene Personen mit verschiedenen Vollmachten ausstatten, um zum Beispiel die Vertretung in Vermögensangelegenheiten einer in diesem Bereich besonders kenntnisreichen Person zu übertragen.

    Die Vorsorgevollmacht gilt grundsätzlich bis zum Tode des Vollmachtgebers, wenn Sie nicht vorher durch den Vollmachtgeber widerrufen wird.
    Aufbewahrt werden sollte die Vollmacht an einem gut zugänglichen Ort, welcher dem Bevollmächtigten auch bekannt ist.

    Ratsam ist auch, einen Hinweiszettel in der Brief- oder Handtasche am Körper bei sich zu tragen um im Falle eines Unfalles oder Ähnlichem die Existenz der Vollmacht bekannt zu geben.

    Natürlich kann die Vollmacht dem Bevollmächtigten auch schon vor dem Bedarfsfall ausgehändigt werden oder beim Vorsorgeregister hinterlegt werden.

    Um Streitigkeiten über die Echtheit der Unterschrift zu vermeiden, kann man eine Vorsorgevollmacht darüber hinaus auch durch die Betreuungsbehörde öffentlich beglaubigen lassen.

    B.) Betreuungsverfügung
    Wie bereits oben erwähnt, kann das Betreuungsgericht im Bedarfsfalle einen gesetzlichen Betreuer oder einen Betreuungsverein für kranke oder behinderte Menschen bestellen.

    Ist der bedürftige Mensch noch anhörungsfähig, wird er vom Gericht über die beabsichtigte Bestellung angehört.

    Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, in einer sogenannten Betreuungsverfügung vorab zu regeln, wer als gesetzlicher Betreuer für die eigene Betreuung in Frage kommt.

    In diesem Fall ist das Gericht im Bedarfsfalle an die in der Betreuungsverfügung genannte Person gebunden.

    Auch hier besteht natürlich wiederum die Möglichkeit, bestimmte Personen von der Betreuung auszuschließen.

    Der Unterschied zwischen der Betreuungsverfügung zu der Vorsorgevollmacht liegt also darin, dass der Betreuer hier zwar von der zu betreuenden Person ausgewählt wird, bestellt und damit bevollmächtigt wird der Betreuer aber erst durch das Betreuungsgericht. Darüber hinaus wird der Betreuer auch vom Betreuungsgericht überwacht und ist erst nach der Bestellung und nicht sofort handlungsfähig.

    C.) Patientenverfügung
    Mit einer Patientenverfügung kann geregelt werden, welche ärztlichen Maßnahmen in Bezug auf die eigene Person angewendet oder unterlassen werden sollen.

    Die Patientenverfügung sollte somit eine möglichst genaue Beschreibung darüber enthalten, welche ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen erfolgen oder unterlassen werden sollen (zum Beispiel die Unterlassung der Anlage einer PEG-Sonde (Magensonde) als lebensverlängernde Maßnahme).

    Aufgrund der Vielzahl von juristischen Problemen und Unwägbarkeiten ist es unablässlich, sich vor Abfassung einer der dargestellten Dokumente medizinisch und juristisch beraten zu lassen.

    Gerade bei vermögenden Personen ist dies notwendig, da es oftmals zu Streitigkeiten zwischen den Erben darüber kommen kann, ob die Vermögenssorge eines Erben hinsichtlich des Vermögens des Erblassers ordnungsgemäß durchgeführt wird oder wurde.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  3. Elternunterhalt: Verpflichtung zum Elternunterhalt kann auch Ruheständler treffen

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    Oberlandesgericht Düsseldorf, 27.10.2010, Az.: II-8 UF 38/10

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    Elternunterhalt ist die rechtliche Verpflichtung von leiblichen Kindern, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten durch Unterhaltszahlungen den Lebensbedarf der pflegebedürftigen Eltern zu sichern.

    Die Verpflichtung der Kinder zum Elternunterhalt ergibt sich in Deutschland aus § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Danach sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

    Verwandte in gerader Linie sind gem. § 1589 BGB Personen, deren eine von der anderen abstammt. Dies sind also Großeltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder etc.

    Ein Anspruch auf Unterhalt besteht somit nicht nur für Eltern gegenüber ihren Kindern, sondern allgemein zwischen Verwandten gerader Linie.

    Da der Anknüpfungspunkt für die Verpflichtung zum Elternunterhalt die Verwandschaft ist, sind Schwiegerkinder grundsätzlich somit nicht verpflichtet, für pflegebedürftige Schwiegereltern aufzukommen.

    Da allerdings das Einkommen und das Vermögen auch der Schwiegerkinder bei der Berechnung der Unterhaltsverpflichtung herangezogen werden, sind tatsächlich auch Schiwegerkinder oftmals indirekt von der Unterhaltsverpflichtung betroffen (verdeckte Schwiegerkinderhaftung).

    Reicht die Pflegeversicherung und eine eventuell bestehende Pflegezusatzversicherung für den Unterhalt nicht aus, kommt zunächst der Sozialhilfeträger für den Unterhalt auf. Da die Ansprüche der Eltern aber auf den Sozialhilfeträger übergehen, wird dieser regelmäßig Rückgriff bei den Kindern nehmen, wenn diese unterhaltsverpflichtet sind.

    Eine Verpflichtung zum Elternunterhalt ist nach den §§ 1601 ff. BGB grundsätzlich dann gegeben, wenn gleichzeitig („zeitlich kongruent“) eine Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern und die Leistungsfähigkeit der Kinder vorliegen.

    Die Ermittlung der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Kinder unterscheidet sich je nach Einkommensart.

    Bei unselbstständig beschäftigten Kindern wird das Durchschnittseinkommen der letzten 12 Monate vor Eintritt der Bedürftigkeit für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit herangezogen (Dazu gehören auch einmalige Zahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Steuernachzahlungen und –erstattungen).

    Bei Kindern, die einer selbstständigen Arbeit nachgehen, wird das relevante Einkommen grundsätzlich als Durchschnittswert aus den letzten drei Geschäftsjahren gebildet. In besonderen Fällen (z. B. bei stark schwankenden Gewinnen) können auch abgeschlossene Geschäftsjahre als Grundlage zur Einkommensberechnung herangezogen werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Ergebnisse des laufenden Geschäftsjahres bei der Einkommensermittlung herangezogen werden.

    Die Verpflichtung zum Elternunterhalt führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

    Da die Überleitung der Ansprüche unter dem allgemeinen Vorbehalt der Zumutbarkeit steht, ist dabei insbesondere diese Zumutbarkeit immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

    Unzumutbarkeit kann zum Beispiel dann vorliegen, wenn das familiäre Verhältnis durch eigene das Verschulden des Elternteils zerrüttet ist. Dies kann verschiedene Gründe haben:

    * Vernachlässigung der Kinder
    * Straftaten der Eltern gegen ihre Kinder
    * Seelische Grausamkeit der Eltern
    * Fehlende Unterhaltszahlungen der Eltern bei vormals bestehenden Unterhaltsansprüchen der Kinder.

    Auch dann, wenn die Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern durch deren eigenes Verschulden herbeigeführt wurde, kann Unzumutbarkeit vorliegen:

    * Extrem ungesunde Lebensweise der Eltern
    * Drogenmissbrauch oder Alkoholismus
    * Schwerstes Übergewicht.

    Dass der Elternunterhalt auch Ruheständler treffen kann, dokumentiert das oben genannte Urteil des OLG Düsseldorf. In diesem Fall wurde der 69-jährige Sohn einer 95-jährigen Mutter zum Elternunterhalt herangezogen. Der beklagte Ruheständler versuchte dabei zu argumentieren, dass der ihm zustehende Selbstbehalt nicht nach seinen aktuellen Einnahmen, sondern nach den Einnahmen aus seiner letzten Erwerbstätigkeit berechnet werden müsste.

    Sachverhalt: Die Mutter des Beklagten befand sich seit Februar 2008 im Pflegeheim, die Heimpflegebedürftigkeit war von der Pflegeversicherung bescheinigt worden. Die eigenen Einkünfte der Mutter reichten zur Deckung der Heimkosten nicht aus, so dass die Klägerin (Sozialhilfeträgerin) ergänzende Leistungen nach dem SGB XII erbringen musste. Durch Überleitungsanzeige machte die Klägerin dem Beklagten daher rechtswahrende Mitteilung gemäß § 94 SGB XII und nahm ihn für die Leistungen gem. §§ 1601 ff. BGB, 94 SGB XII in Anspruch.

    Bis zum Erreichen des Ruhestandes war der Beklagte selbständig tätig und verfügte über umfangreiches Immobilien und Barvermögen. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse, verurteilte das Amtsgericht den Beklagten, für die Zeit von April 2008 bis Juli 2009 einen Unterhaltsrückstand von 8.968 € und für die Zeit ab August 2009 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 561 € zu zahlen.

    Mit seiner Berufung verfolgte der Beklagte seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter und machte geltend, dass die Klägerin für seine Mutter ein Heim ausgewählt habe, dessen Kosten 10 % über dem Durchschnitt für vergleichbare Heime lägen. Auch stünde der Mutter im Hinblick auf ihr anrechnungsfrei belassene ca. 300 € monatlich aus Kindererziehungsleistungen kein weiteres Taschengeld von ca. 100 € zu. Darüber hinaus habe die Klägerin die wirtschaftlichen Verhältnisse der sieben mithaftenden Geschwister des Beklagten nicht hinreichend dargelegt bzw. nicht zutreffend bewertet. Auch sei der Beklagte zu Unrecht von der Klägerin und dem Amtsgericht als leistungsfähig angesehen worden. Der ihm zugerechnete Vermögensverbrauch sei nämlich schon deswegen nicht angemessen, da das Vermögen zur Hälfte seiner Ehefrau gehöre, und ein Vermögensverbrauch dazu führe, dass er selbst ggf. im fortgeschrittenen Alter noch bedürftig werde. Zudem müsse er die Möglichkeit haben, zur künftigen Instandhaltung seines Immobilienvermögens und zum Erwerb eines neuen PKW Rücklagen zu bilden. Auch seien seine gehobenen wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit seiner Erwerbstätigkeit zu beachten gewesen, so dass nicht lediglich auf einen Mindestselbstbehalt aufgrund seiner jetzigen Einkünfte abgestellt werden könne.

    OLG Düsseldorf: Das OLG gab dem Beklagten nur teilweise (der Höhe nach) Recht und wies ansonsten alle Einwände des Beklagten ab:

    Grundsätzlich könne sich der Unterhaltsverpflichte, auf dessen wirtschaftliche Belange nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen ist, zwar darauf berufen, dass eine kostengünstigere Heimunterbringung möglich sei. Allerdings seien konkrete zumutbare Wahlmöglichkeiten vom Beklagten nicht dargetan worden; der pauschale Hinweis auf das Vorhandensein ortsnaher kostengünstigerer Einrichtungen sei insofern nicht ausreichend.

    Auch sei entgegen der Ansicht des Beklagten eine Bedürftigkeit der Mutter zu bejahen. Soweit der Bruder von der Mutter deren zuvor bewohnte Wohnung „übernommen“ habe, habe dies zu keiner ausgleichsfähigen Vermögensverschiebung von der Mutter auf den Sohn geführt, da es sich insoweit um eine Mietwohnung handele. Auch wenn der Bruder tatsächlich wertvolle Einrichtungsgegenstände von der Mutter übernommen haben sollte, habe dies ebenfalls nicht zur Annahme einer bedarfsmindernden Schenkung geführt, da der Bruder selbst unstreitig Bezieher von Sozialleistungen und somit nicht in der Lage sei, nennenswerte Geldbeträge für mögliche von der Mutter übernommene Einrichtungsgegenstände zu zahlen.

    Die Klägerin habe auch die Leistungsunfähigkeit der Geschwister des Beklagten hinreichend dargelegt. Bei keinem der Geschwister sei auch nur annähernd erkennbar, dass diese neben dem Beklagten ebenfalls leistungsfähig wären. Der Beklagte habe auch zu keinem seiner Geschwister konkret vorgetragen, dass die betreffenden Angaben der Klägerin unrichtig wären, obwohl er gemäß § 242 BGB einen Auskunftsanspruch gegen die Geschwister habe.

    Entgegen der Ansicht des Beklagten sei auch dessen Leistungsfähigkeit gegeben (wenn auch nicht in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang)

    Auch das Argument des Beklagten, dass sein Selbstbehalt an seinen früheren Einkommensverhältnissen zu bemessen sei, sei unbeachtlich. Denn auch für den noch im aktiven Erwerbsleben stehenden Unterhaltsschuldner würden die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle gelten, so dass dies auch für Ruheständler gelte.

    Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  4. Elternunterhalt: Wenn der Sozialhilfeträger die Kinder von Pflegebedürftigen in Anspruch nimmt

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    Wie aus einer Pressemitteilung (Nr. 429) des Statistischen Bundesamtes („Destatis“) vom 22.11.2010 hervorgeht, zeigen Modellrechnungen, dass aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland die Zahl der Pflege­bedürftigen von 2,2 Millionen im Jahr 2007 auf 2,9 Millionen im Jahr 2020 und etwa 3,4 Millionen im Jahr 2030 ansteigen wird. Die Zunahme bis zum Jahr 2020 dürfte somit 29% und bis 2030 rund 50% betragen. In einer langfristigen Betrachtung bis zum Jahr 2050 ergibt sich eine Verdopplung der Zahl der Pflegebedürftigen auf dann 4,5 Millionen.

    Diese Entwicklung wird zur Folge haben, dass immer mehr ältere Menschen in Pflegeheimen untergebracht werden müssen, da ihre Kinder oder andere Verwandte aufgrund der veränderten Arbeitswelt und der Familiensituation nicht in der Lage sein werden, die Pflege dieser Bedürftigen selbst zu erbringen.

    Gerade wenn die Pflegeversicherung nicht ausreicht, können Verwandte mit der Unterbringung des Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim zum Unterhalt herangezogen werden. Zwar wird bei Unterhaltsbedürftigkeit zunächst der Sozialhilfeträger die zur Unterbringung erforderlichen Sozialleistungen erbringen. Da Verwandte in gerader Linie gegeneinander aber einen Unterhaltsanspruch haben, kann die Behörde diesen (aus gem. § 94 SGB XII auf die Behörde übergegangenen Anspruch) gegen die Verwandten geltend machen, sofern dies keine unbillige Härte gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII darstellt.

    Die Verpflichtung der Verwandten zum Elternunterhalt ergibt sich in Deutschland aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gem. § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Anknüpfungspunkt für die Unterhaltspflicht insbesondere von Kindern gegenüber ihren Eltern ist somit die Verwandtschaft (so daß z. B. Schwiegereltern von ihren Schwiegerkindern nicht unterstützt werden müssen).

    Verwandte in gerader Linie sind gem. § 1589 BGB Personen, deren eine von der anderen abstammt. Dies sind also Großeltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder etc.

    Ein Anspruch auf Unterhalt besteht somit nicht nur für Eltern gegenüber ihren Kindern sondern allgemein zwischen Verwandten gerader Linie. An dieser Stelle soll aber nur auf die Verpflichtung der Kinder Ihren Eltern gegenüber eingegangen werden.

    Eine Verpflichtung zum Elternunterhalt ist nach den §§ 1601 ff. BGB grundsätzlich dann gegeben, wenn gleichzeitig („zeitlich kongruent“) eine Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern und die Leistungsfähigkeit der Kinder vorliegen.

    Wenn Sie Beratung im Bereich des Elternunterhalts benötigen oder bereits durch die Behörde in Anspruch genommen werden, unterstützen wir Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Interessen. Um ein Angebot zu erhalten, senden Sie uns einfach eine Email an info@mth-partner.de oder rufen uns an unter 0221 – 80187670.

    I. Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern

    Die Voraussetzungen der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern sind in § 1602 BGB festgelegt. Danach ist derjenige unterhaltsbedürftig, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Werden Verwandte aufgrund einer solchen Bedürftigkeit in Anspruch genommen, sind schon an dieser Stelle zahlreiche Fragen zu klären, um eine für alle Seiten angemessene und gesetzeskonforme Lösung zu finden.

    Bei Feststellung des Unterhaltsbedarfs der Eltern ist zwischen dem tatsächlichen Unterhaltsbedarf, dem Mehrbedarf und dem Sonderbedarf zu unterscheiden.

    Der tatsächliche Unterhaltsbedarf (Elementarbedarf und Vorsorgebedarf) der Eltern umfasst die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Hausrat etc., einschließlich der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Zum Mehrbedarf gehören u. A. krankheitsbedingte Mehrkosten, Zuzahlungen für Medikamente, Brillen, Hörgeräte, Zahnprothesen und bei Pflegebedürftigkeit die Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim. Der Sonderbedarf umfasst besondere Ausgaben wie z. B. den Kauf einer Waschmaschine, etc.

    Elternunterhalt

    Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung das Minimum an Unterhaltsbedarf mit den in den am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichteten Eigenbedarfssätzen eines unterhaltsberechtigten Ehegatten gleichsetzt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshof vom 19.02.2003, Az.: XII ZR 67/00).

    Dem unterhaltsberechtigten Elternteil muss somit zumindest immer ein Lebensbedarf in Höhe dieser Eigenbedarfssätze bleiben, zuzüglich der Kosten für Krankenkassen- und Pflegeversicherung (Der Eigenbedarfssatz eines Nichterwerbstätigen wird durch die Gerichte oftmals nach der Düsseldorfer Tabelle festgelegt, welche eine Unterhaltsleitlinie des Oberlandesgerichts Düsseldorf in Abstimmung mit den anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag ist).

    Selbstredend ergeben sich große Unterschiede bei der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern auch durch die jeweilige Lebenssituation der Eltern. Je nachdem, ob der Elternteil in einem eigenem Haushalt lebt, heimpflegebedürftig, verheiratet oder geschieden ist, ist somit entscheidend für die Berechnung.

    An dieser Stelle möchten wir auf einen weiteren Beitrag in Bezug auf ein Gerichtsurteil hinsichtlich Pflegestufen hinweisen:

    Sozialrecht: Leistungen der Pflegestufe III müssen auch bei geringfügiger Unterschreitung des notwendigen Pflegeaufwandes gewährt werden.

    II. Leistungsfähigkeit der Kinder

    Die Leistungsfähigkeit der Kinder richtet sich nach § 1603 BGB. Danach ist derjenige unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Wie bei § 1602 BGB kommt es bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Kinder somit auf das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von Vermögen und Einkommen an.

    Dasjenige Einkommen der Kinder, welches zum Unterhalt herangezogen wird, kann aus sämtlichen Einkommensarten dieser folgen, wie z. B. Arbeitseinkommen, Mieterträge, Kapitalerträge, Zinsen, Renten, vermögenswirksame Leistungen etc.

    In dem seinem Urteil vom 28.07.2010 (Az.: XII ZR 140/07) hat der Bundesgerichtshof z. B. folgende Formel zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Kindes vorgegeben: „Verfügt der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte, ist die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt in der Regel wie folgt zu ermitteln: Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.“

    Viele Gerichtsurteile in diesem Bereich beschäftigen sich auch mit der Frage, ob der Unterhaltsbedürftige seine Unterhaltsbedürftigkeit selbst verschuldet hat oder den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kind verwirkt hat (sie z. B. Urteil des BGH vom 15.09.2010, Az.: XII ZR 148/09).

    III. Fazit

    Wird man durch den Sozialhilfeträger in Anspruch genommen, besteht somit kein Grund in Panik zu geraten. In fast allen Fällen berücksichtigen die Sozialhilfeträger die jeweiligen Vermögens- und Einkommensverhältnisse der unterhaltsverpflichteten Kinder in keinster Weise und es besteht meistens die Möglichkeit, die jeweiligen Ansprüche entsprechend zu mindern.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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