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Tag Archive: Rechtsanwalt Köln Sozialhilfe

  1. Eingliederungshilfe: Kostenübernahme für einen schwenkbaren Autositz im Rahmen der Eingliederungshilfe

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    Bundessozialgericht, 02.02.2012, Az.: B 8 SO 9/10 R

     

    Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist eine Leistung der Sozialhilfe, deren Recht im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) normiert ist.

    Danach haben Menschen mit Behinderungen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn sie nicht nur vorübergehend geistig, seelisch oder körperlich wesentlich behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind.

    Entsprechend den Grundsätzen des Sozialhilferechts wurde die Eingliederungshilfe als nachrangige Leistung ausgestaltet. Das heisst, vor Inanspruchnahme der Leistungen der Eingliederungshilfe müssen sämtliche Leistungen aller anderen Leistungsträger, wie z. B. die der Krankenkassen oder anderen Versicherungsträger, ausgeschöpft werden.

    Folgende Maßnahmen können von den Leistungen der Eingliederungshilfe umfasst sein:

        • Integrative Hilfen für noch nicht schulpflichtige Kinder
        • Schulbegleitende Unterstützungsmaßnahmen für schulpflichtige Kinder
        • Unterstützungsmaßnahmen zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit
        • Unterstützungsmaßnahmen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (z. B. Werkstätten für behinderte Menschen)
        • Ärztliche Maßnahmen zur Verhütung, Beseitigung oder Milderung der Behinderung
        • Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (z. B. Ambulant Betreutes Wohnen, Wohnstätten für Menschen mit Behinderungen)
        • Sogenannte Mobilitätshilfe

    In dem oben genannten Fall des Bundessozialgerichts stritten die Parteien darüber, ob der Landschaftsverband Rheinland als Beklagter dazu verpflichtet war, eine Mobilitätshilfe in Höhe von 7934,76 Euro für die Anschaffung und den Einbau eines schwenkbaren Autositzes zu tragen.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Klägerin war blind, schwerhörig und teilweise gelähmt

    Die 1984 geborene Klägerin war blind, schwerhörig und teilweise gelähmt (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen „G“, „aG“, „H“, „RF“ und „Bl“); sie erhielt von der Pflegekasse Leistungen der häuslichen Pflege nach der Pflegestufe III.

    Die Klägerin wohnte in der zum Kreis H gehörenden Stadt Hü und war in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig. Die Kosten des Fahrdienstes für den Weg zwischen Wohnung und WfbM trug der Beklagte; für private Fahrten war auf Kosten des Kreises H ein Behindertenfahrdienst eingerichtet, den die Klägerin in Anspruch nahm (bis zu vier Fahrten je Monat mit einer Wegstrecke von jeweils bis zu 35 km).

    Klägerin begehrte Übernahme der Kosten für den Einbau eines schwenkbaren Autositzes

    Anfang März 2004 wandte sich die Klägerin wegen des behindertengerechten Umbaus eines bereits von ihr bestellten und Ende April 2004 zu einem Preis von 29 815,19 Euro gelieferten Neuwagens an die für sie zuständige gesetzliche Krankenkasse (KK), beantragte aber auch mit einem bei der Stadt Hü abgegebenen, am 22.3.2004 beim Kreis H und nach Weiterleitung beim Beklagten am 26.3.2004 eingegangenem Schreiben die Übernahme der Kosten für den Einbau eines schwenkbaren Autositzes.

    Zu dieser Zeit bezog die Klägerin neben den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung Blindengeld nach dem (nordrhein-westfälischen) Gesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose in Höhe von 441,50 Euro und von der Bundesagentur für Arbeit (bis zum 22.9.2004) ein Ausbildungsgeld in Höhe von 67 Euro monatlich.

    Ende 2004 wurden ihr rückwirkend ab 1.4.2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt. Ende April 2004 besaß die Klägerin auf einem Girokonto ein Guthaben von 24 362,17 Euro, auf einem Sparkonto ein solches in Höhe von 86,48 Euro, Wertpapiere mit einem Wert von 3529,56 Euro sowie 10 000 Euro, die sie als Darlehen von ihren Eltern erhalten hatte.

    Die Klägerin war außerdem Eigentümerin eines (älteren) Pkw, den sie Anfang Mai 2004 zu einem Preis von 8500 Euro verkaufte; zur gleichen Zeit beauftragte sie eine Firma mit dem Umbau des neuen Pkw zu einem Preis von 10 051,08 Euro.

    Sowohl Krankenkasse als auch LVR lehnten Übernahme der Umbaukosten ab

    Nachdem die Krankenkasse die Übernahme der Kosten des behindertengerechten Umbaus des Pkw bereits abgelehnt hatte, lehnte der beklagte Landschaftsverband Rheinland die Leistung ebenfalls ab, weil die Klägerin nach dessen Ansicht über ausreichendes Vermögen verfüge und den Bedarf selbst bereits gedeckt habe.

    Eine gegen diese Entscheidung beim Sozialgericht Aachen eingereichte Klage wurde mit Urteil vom 08.08.2007 abgelehnt, die dagegen wiederum eingereichte Berufung beim Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen wurde mit Urteil vom 22.02.2010 abgelehnt.

    Gegen diese Entscheidungen legte die Klägerin Revision beim Bundessozialgericht ein und beantragte, die Urteile des LSG und des SG sowie den ablehnenden Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 7934,76 Euro zu zahlen.

    Entscheidung des Bundessozialgerichts

    Das Bundessozialgericht folgte der Ansicht der Klägerin teilweise und urteilte, dass die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet sei, da das Verfahren an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel gelitten habe und tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung nicht ausreichend seien.

    Wegen eines Verfahrensmangels verwies das BSG an die Vorinstanz zurück

    Der von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmangel bestünde vorliegend darin, dass es im Hinblick auf § 14 SGB IX an einer Beiladung der Stadt Hü (bzw. der Krankenkasse) mangele.

    Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG seien nämlich Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könne.

    Dies sei vorliegend nach Aktenlage für die Stadt Hü, gegebenenfalls jedoch auch für die Krankenkasse, zu bejahen; das Landessozialgericht werde dies erneut zu prüfen haben.

    Ob ein Anspruch der Klägerin nicht bereits wegen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 BSHG iVm §§ 79 ff BSHG ausgeschlossen sei, könne durch das BSG anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden.

    Vorinstanz habe zu prüfen, ob die Klägerin auf den PKW und dessen Umbau angewiesen sei

    Nach § 28 Abs 1 Satz 1 BSHG werde die Hilfe in besonderen Lebenslagen (nur) gewährt, soweit dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel nicht aus dem Einkommen und Vermögen nach den §§ 79 bis 89 BSHG zuzumuten sei. Das LSG habe somit erneut zu prüfen, ob die Klägerin auf ein neuwertiges Kfz im Wert von etwa EUR 30.000 angewiesen gewesen sei und ob nicht ein gebrauchtes Auto ausgereicht hätte.

    Auch die Frage, ob die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 39, 40 Abs 1 Satz 1 BSHG iVm § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX und § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO dem Grunde nach erfülle, könne nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ebenfalls nicht durch das BSG beurteilt und müsse daher durch das LSG neu festgestellt werden.

    Dies betreffe insbesondere auch die Frage, ob die Klägerin im Sinne des § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO generell auf ein Kfz angewiesen sei. Dies beurteile sich in erster Linie nach dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 39 Abs 3 BSHG).

    Quelle: Bundessozialgericht

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    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Krankenversicherungsrecht: Zur Übernahmeverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich des Eigenanteils

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    Sozialgericht Oldenburg, 01.06.2011, Az.: S 61 KR 354/09

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    Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen bei Inanspruchnahme von ärztlich verordneten Heilbehandlungen oftmals Zuzahlungen leisten, § 61 SGB V.

    Pro Familie beträgt die jährlich zugemutete Belastungsgrenze derzeit zwei Prozent des Familienbruttoeinkommens. Bei Versicherten, die wegen einer schwerwiegenden chronischen Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt die zugemutete Belastungsgrenze nur ein Prozent.

    Von den Zuzahlungen zu unterscheiden ist die Zahlung des Eigenanteils durch den Versicherten. Hintergrund dieses Eigenanteils ist die Tatsache, dass manche ärztlich verordnete Hilfsmittel Gebrauchsgegenstände sind, die auch gesunde Menschen benutzen. Für diesen Anteil des Hilfsmittels ist dann der Eigenanteil durch den Versicherten zu zahlen. Bei orthopädischen Schuhen sind beispielsweise die Schuhe ein Gebrauchsgegenstand, die orthopädische „Zurichtung“ jedoch das Hilfsmittel.

    In der oben genannten Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die beklagte Krankenkasse zur Übernahme des Eigenanteils des Klägers für sogenannte Orthesenschuhe verpflichtet war.

    Sachverhalt: Der am 28.08 2006 geborene und über seine Eltern bei der Beklagten versicherte Kläger war wegen einer Behinderung im Bereich der unteren Gliedmaßen auf Orthesenschuhe angewiesen.

    Aufgrund ärztlicher Verordnungen bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten für jeweils ein Paar Orthesenschuhe nebst Zurüstung um 0,5 cm abzüglich eines dem Kläger obliegenden Eigenanteils in Höhe von jeweils 45,- EUR (insgesamt 90 EUR).

    Daraufhin wandte sich die Mutter des Klägers an die Beklagte und bat um Überprüfung, ob der Eigenanteil von jeweils 45,- EUR tatsächlich vom Versicherten zu zahlen sei. Sie verwies darauf, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung häufig Schuhe benötige.

    Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 17.06.2009 mit, dass auch nach erneuter Prüfung eine vollständige Kostenübernahme für die Versorgung mit Orthesenschuhen durch die Krankenkasse nicht in Betracht komme.

    Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass bei Hilfsmitteln, die in Verbindung mit einem Gebrauchsgegenstand verwendet werden, sich die Leistungspflicht der Krankenkasse auf das eigentliche Hilfsmittel beschränke.

    Den auf den Gebrauchsgegenstand entfallenen Kostenanteil habe der Versicherte selbst zu tragen. Nach der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder ein Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug zu bringen.

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage beim Sozialgericht Oldenburg mit der Begründung ein, dass es sich bei seinem Fall um einen Rehabilitationsfall gemäß den Bestimmungen des SGB IX handele und die Beklagte somit zu Unrecht seinen Fall nur nach den Vorschriften des SGB V geprüft habe.

    Gegebenenfalls hätte die Beklagte den Vorgang gemäß § 14 SGB IX an den zuständigen Sozialhilfeträger weiterleiten müssen. Da sie dies nicht getan habe, müsse sie seinem Begehren im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf der Grundlage der Eingliederungshilfevorschriften entsprechen.

    Sozialgericht Oldenburg: Das Sozialgericht Oldenburg folgte der Ansicht der beklagten Krankenkasse und urteilte, dass die mit der Klage angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.

    Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Eigenanteils habe hier allein § 13 Abs. 3, 2. Alt. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht kommen können.

    Nach dieser Vorschrift habe die Krankenkasse, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten Kosten für eine selbst beschaffte Leistung entstanden seien, die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei.

    Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da die Ablehnung der Leistung in Höhe des Eigenanteils zu Recht erfolgt sei.

    Der Kläger habe zwar einen Primäranspruch auf Versorgung mit den Orthesenschuhen als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grundlage des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, er müsse sich aber den allgemeinen Gebrauchsvorteil anrechnen lassen, da Schuhe auch von Gesunden erworben werden würden.

    Sobald ein Hilfsmittel einen Gebrauchsgegenstand darstelle, sei eine wirtschaftliche Trennung vorzunehmen und dem Versicherten ein entsprechender Eigenanteil an den Kosten der Versorgung aufzuerlegen (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Dem doppelten Nutzungszweck – als Hilfsmittel einerseits und als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens andererseits – sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der wirtschaftliche Wert als allgemeiner Gebrauchsgegenstand nicht von der Versichertengemeinschaft, sondern vom Versicherten selbst getragen werde.

    Der Versicherte solle nicht aufgrund seiner Behinderung von solchen Aufwendungen entlastet werden, die jedermann zur Bestreitung seines Lebensbedarfs aufbringen müsse.

    Er habe deshalb einen angemessenen Eigenanteil zu tragen, der dem Wert des durch das Hilfsmittel ersetzten allgemeinen Gebrauchsgegenstandes entspreche (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Dieser Leistungsausschluss trage dem Gedanken der Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Kausalität zwischen Funktionsverlust und Hilfsmittel Rechnung.

    Die Verbindung von Kleidungsstück und Hilfsmittel sei hier nur aus technischen Gründen notwendig.

    Die fehlende reale Trennbarkeit sei kein Hindernis, Orthesenschuhe als Hilfsmittel und als Bekleidungsstück wirtschaftlich zu unterscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Daher müsse der Kläger für die Kosten von Normalschuhen selber aufkommen. Dies gelte auch, wenn der Kläger infolge seines Gehfehlers häufiger Schuhe benötige, als ein Gesunder.

    Denn zu dem durch die Krankenversicherung nicht erfassten Lebensbereich gehörten auch etwaige Mehrausgaben für allgemeine Gebrauchsgüter, die infolge Krankheit oder Behinderung erforderlich würden. Solche Mehrausgaben seien, wenn sie nicht der Eigenverantwortung überlassen sind, allenfalls von anderen Leistungsträgern zu übernehmen. (BSG, Urteil vom 28. September 1976, 3 RK 9/76).

    Die Höhe des Eigenanteils hat sich dabei am üblichen Preis für Gebrauchsgegenstände in nicht speziell auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnittener Ausführung zu bemessen (SG Dresden, Urt. v. 28.07.2005 – S 18 KR 398/02).

    Wenn die Beklagte entsprechend der gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände zu den Eigenanteils- bzw. Zuschussregelungen bei der Versorgung mit Hilfsmittel bei orthopädischen Straßenschuhen für Kinder einen Eigenanteil von 45,- EUR in Abzug bringe, dann sei dies nach Auffassung des Gerichtes angemessen und nicht zu beanstanden. Die Höhe entspreche – wie gerichtsbekannt sei – den Kosten von Kinderschuhen, sie liege eher am unteren Rand der üblichen Kosten.

    Ein Anspruch des Klägers auf vollständige Übernahme der ihm zur Verfügung gestellten orthopädischen Schuhe gegen die Beklagte ergäbe sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i. V. m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) oder des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II).

    Die Beklagte habe in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sie der für die beantragte Leistung, nämlich die Versorgung mit orthopädischen Schuhen zuständige Rehabilitationsträger sei und deswegen auch keine Veranlassung bestanden habe, den Leistungsantrag an den Sozialhilfeträger weiterzuleiten.

    Bei einer teilweisen Ablehnung (hier durch Abzug des Eigenanteils) sei der Antrag auch nicht im Übrigen weiterzuleiten, wenn der Leistungsträger grundsätzlich zuständig sei. Vielmehr wäre es Sache des Klägers gewesen, sich wegen der Übernahme der Eigenanteilkosten an den zuständigen Sozialhilfeträger oder SGB II-Träger zu wenden.

    Quelle: Sozialgericht Oldenburg

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  3. Betreuungsrecht: Voraussetzungen, Verfahren und Rechtsmittel bei der öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Unterbringung.

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    Es gibt grundsätzlich drei Arten der Unterbringung: Die öffentlich-rechtliche Unterbringung (Unterbringung nach PsychKG), die zivilrechtliche Unterbringung (Unterbringung nach Betreuungsrecht) sowie die strafrechtliche Unterbringung.

    I. Öffentlich-rechtliche Unterbringung

    Die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, also in Ländergesetzen, geregelt.

    In Nordrhein-Westfalen ist die öffentlich-rechtliche Unterbringung in dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) geregelt.

    § 1 des PsychKG NRW legt den Anwendungsbereich des Gesetzes fest. Danach regelt das PsychKG NRW

    1. Hilfen für Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Krankheit bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Krankheit fortbestehen (Betroffene),

    2. die Anordnung von Schutzmaßnahmen durch die untere Gesundheitsbehörde, soweit gewichtige Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung oder eine Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer auf Grund einer psychischen Krankheit bestehen, und

    3. die Unterbringung von den Betroffenen, die psychisch erkrankt sind und dadurch sich selbst oder bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährden.

    Nach § 1 Abs. 2 PsychKG NRW sind psychische behandlungsbedürftige Psychosen sowie andere behandlungsbedürftige psychische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen von vergleichbarer Schwere.

    § 11 PsychKG NRW regelt die Voraussetzungen der Unterbringung. Danach ist die Unterbringung Betroffener nur dann zulässig, wenn und solange durch deren krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann.

    Von einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne von Absatz 1 ist dann auszugehen, wenn ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist.

    II. Zivilrechtliche Unterbringung

    Die zivilrechtliche Unterbringung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch, also in einem Bundesgesetz geregelt. Die Unterbringung hat insofern durch den gesetzlichen Betreuer des Betroffenen zu erfolgen.

    Nach § 1906 Abs. 1 ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil

    1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder

    2. eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

    Das zuständige Betreuungsgericht muss insofern seine Zustimmung erteilen.

    III. Verfahren der Unterbringung:

    Das Verfahren bei der Unterbringung richtet sich sowohl bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung als auch bei der zivilrechtlichen Unterbringung nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

    Gem. § 319 (1) FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Den persönlichen Eindruck verschafft sich das Gericht, soweit dies erforderlich ist, in der üblichen Umgebung des Betroffenen.

    Gem. § 317 (1) FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll.

    Gem. § 321 (1) FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringung erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

    Gem. § 330 FamFG ist die Genehmigung oder Anordnung der Unterbringungsmaßnahme aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Vor der Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Nr. 3 soll das Gericht die zuständige Behörde anhören, es sei denn, dass dies zu einer nicht nur geringen Verzögerung des Verfahrens führen würde.

    IV. Rechtsmittel gegen die Unterbringung

    Gegen die Unterbringung ist die Beschwerde statthaft, §§ 58 ff FamFG.

    Gem. § 58 (1) FamFG findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

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  4. Ausländerrecht: Behörde ist auch dann für das Existenzminimum eines Asylbewerbers verantwortlich, wenn Angehörige die Leistung verweigern

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    Sozialgericht Dortmund, 11.05.2011, S 47 AY 58/11 ER

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    Mittellose ausländische Zuwanderer und Flüchtlinge erhalten in aller Regel Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zu diesem Grund beinhaltet das AsylbLG – neben den Leistungssystemen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und der Sozialhilfe – ein eigenständiges existenzsicherndes Leistungsrecht.

    Gegenüber dem Leistungsniveau der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) oder auch der Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) ist das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes allerdings deutlich eingeschränkt.

    Der Regelfall der Hilfegewährung nach dem AsylbLG ist somit die Gewährung von Sachleistungen oder Wertgutscheinen.

    Geldleistungen sind nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände sowie in Gestalt eines Barbetrages zur persönlichen Verfügung zulässig.

    Das Sozialgericht Dortmund hatte nun darüber zu entscheiden, ob einem Asylbewerber auch dann Leistungen zu gewähren sind, wenn sich ein Angehöriger nach dem Ausländerrecht zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Asylbewerbers verpflichtet hat, dann tatsächlich aber keinen Unterhalt leistet.

    Sachverhalt: Der ehemalige deutsche Schwiegersohn einer mit einem Besuchsvisum aus Simbabwe nach Deutschland eingereisten 64-jährigen Asylbewerberin hatte sich verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt und für die Ausreise der Antragstellerin zu tragen. Diese Leistungen verweigerte er aber nach Ablauf des Besuchsvisums.

    Die Stadt Hamm war insofern der Auffassung, dass sich die Antragstellerin zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts weiterhin an den Schwiegersohn wenden müsse.

    Sozialgericht Dortmund: Das SG Dortmund widersprach dieser Ansicht. Die Verpflichtungserklärung des Angehörigen stehe dem Leistungsanspruch nur dann entgegen, wenn der Verpflichtete den Lebensunterhalt tatsächlich sichere.

    Nur dies sei mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf staatliche Sicherung des Existenzminimums zu vereinbaren.
    Insofern sei es der Stadt Hamm unbenommen, aus der Verpflichtungserklärung gegen den Angehörigen der Antragstellerin vorzugehen.

    Die Stadt Hamm könne sich ihrer Verpflichtung zur Existenzsicherung auch nicht dadurch entziehen, dass sie die Antragstellerin auf ein bereit liegendes Rückreiseticket nach Simbabwe verweise.

    Eine etwaige Ausreiseverpflichtung der Antragstellerin dürfe nur in Anwendung ausländerrechtlicher Bestimmungen durchgesetzt werden.

    Quelle: Sozialgericht Dortmund

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