Rechtsanwalt in Köln für Aufenthaltserlaubnis Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Rechtsanwalt in Köln für Aufenthaltserlaubnis

  1. Ausländerrecht: Titelerteilungssperre steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen

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    OVG Rheinland Pfalz. Urteil vom 23.09.2021, Az.: 7 A 10337/21

    Beantragt ein Asylsuchender vor dem Ende seines Asylverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis, kann diesem Anspruch die sogenannte Titelerteilungssperre entgegenstehen. Denn nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann Asylsuchenden vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel, außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs, nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern. Dasselbe gilt für einen Ausländer, dessen Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde. Eine Aufenthaltserlaubnis kann nur dann erteilt werden, wenn ein sogenannter strikter Rechtsanspruch besteht.

    Der besprochene Fall: Antrag auf Familiennachzug

    In dem hier besprochenen Fall hatte der Kläger einen Antrag auf Familiennachzug zu seinem deutschen Kind gestellt, nachdem sein Asylverfahren negativ abgeschlossen worden war. Die Ausländerbehörde hatte die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, und das danach angerufene Verwaltungsgericht hatte die Entscheidung der Ausländerbehörde bestätigt.

    Berufung beim OVG Rheinland-Pfalz

    Gegen diese Entscheidung hatte der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG Rheinland-Pfalz gestellt.

    Urteil des OVG Rheinland-Pfalz

    Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg. Die vom Kläger gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Einwendungen, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), greifen nicht durch.

    Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils

    Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel sind nur anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Argumente in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 -, juris, Rn. 19). Der Rechtsmittelführer muss hierzu darlegen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis unzutreffend ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 m.w.N.).

    Berufungsgericht bestätigt das verwaltungsgerichtliche Urteil

    Nach diesen Maßgaben bestehen gemessen an den Einwendungen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsgericht bestätigt, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil richtig war.

    Schwerwiegendes Ausweisungsinteresse des Klägers

    Hinsichtlich des Klägers bestehe ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse wegen Straftaten. Es bestehe in der Person des Klägers jedoch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, sodass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt sei und daher die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessen des Beklagten stünde.

    Abwägung des Ausweisungsinteresses

    Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, es bestehe kein entgegenstehendes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, da im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV das Ausweisungsinteresse zurücktreten müsse, legt der Kläger die Erheblichkeit dieses Einwands nicht hinreichend dar. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. November 2020 (8 K 5232/19), wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 20 AEUV eine Nachholung des Visumverfahrens nicht für notwendig erachtet werde und dieses im Ergebnis eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG erteilt habe. Mit dem Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, das diese auf § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV vom Kläger gestützte Ausnahme nicht explizit enthält, legt der Kläger nicht dar, warum die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger das hinreichend aktuelle Ausweisungsinteresse entgegengehalten werden kann, unzutreffend sein sollte. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ist für sich genommen für die Frage des Bestehens eines Ausweisungsinteresses i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerheblich. Warum bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV nicht nur von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 AufenthG, sondern auch der des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen sein soll, legt der Kläger nicht dar.

    Strikter Rechtsanspruch und unionsrechtliche Auslegung

    Die weitergehende Begründung, dass das Ausweisungsinteresse bei der Prüfung des Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 20 AEUV zurücktreten müsse, da ansonsten im Fall des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis erst nach Tilgung des Strafbefehls in Betracht käme, was Art. 8 EMRK und Art. 6 GG widersprechen würde, zieht die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel. Der Kläger bezieht sich, wenn auch an dieser Stelle nicht ausdrücklich, auch hier auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Nach dessen Ansicht dürften, wenn der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 20 AEUV verfüge, der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels generalpräventive Ausweisungsinteressen nicht entgegengehalten werden. Auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG seien im Anwendungsbereich des Art. 20 AEUV in unionsrechtskonformer Auslegung diejenigen Grundsätze anzuwenden, die der Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen der Beschränkung des Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im unionsrechtlichen Sinne entwickelt habe (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2020 – 8 K 5232/19 -, juris, Rn. 25).

    Einwand der pandemiebedingten Unzumutbarkeit

    Zunächst ist der Einwand der über Jahre anhaltenden Verweigerung des Aufenthaltstitels bis zur Tilgung nicht zutreffend, da dem Kläger bei Ausreise und legaler Wiedereinreise weder die Titelerteilungssperre noch das Ausweisungsinteresse entgegengehalten werden kann. Wegen des Ausweisungsinteresses besteht kein strikter Rechtsanspruch auf die Aufenthaltserlaubnis.

    Des Weiteren folgt der Senat der Ansicht des Klägers nicht. Unabhängig von der Frage, ob hier die Voraussetzungen des Art. 20 AEUV vorliegen, besteht – dies unterstellt – für eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Rahmen der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels kein Raum und keine Notwendigkeit. Die seitens des Klägers vertretene gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung führt bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 20 AEUV zu einem Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und auch vom Visumerfordernis und mithin letztendlich von der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, da auf diesem Wege ein Rechtsanspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG begründet werden soll.

    Gegen diese Rechtsansicht sprechen die bereits im – vom Kläger zitierten – Beschluss des Senats vom 13. Januar 2021 (7 D 11208/20.OVG) ausgeführten Gründe, die auch hier Geltung beanspruchen. Ein mögliches unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis aus Art. 20 AEUV zur Sicherung des Aufenthaltsrechts der vom Drittstaatangehörigen abhängigen Kinder in der EU ist kein nationaler Rechtsanspruch. Aus einem solchen Rechtsanspruch ergibt sich ein Aufenthaltstitel eigener Art, aber gerade kein nationaler Aufenthaltstitel nach § 28 AufenthG mit den sich aus dem nationalen Recht ergebenden Beschränkungen und Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 -, BVerwGE 162, 349 = juris, Rn. 28; Beschluss des Senats vom 13. Januar 2021 – 7 D 11208/20 -, juris, Rn. 24). Ein Absehen von den Regelerteilungsvoraussetzungen der nationalen Aufenthaltstitel im Wege der unionsrechtlichen Auslegung widerspricht dem eigenständigen und unterschiedlichen Charakter dieser Aufenthaltsrechte. Es würde im Ergebnis die Subsidiarität des unionsrechtlichen Anspruchs im Vergleich zu nationalen Aufenthaltsvorschriften beseitigen und diesen – entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – in einen nationalen Rechtsanspruch umwandeln.

    Dem entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht einen Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels aufgrund des Vorliegens eines aktuellen generalpräventiven Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG trotz eines möglichen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV verneint (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 -, BVerwGE 162, 349 = juris, Rn. 28). Ein Zurücktreten des Ausweisungsinteresses vor dem Hintergrund des Art. 20 AEUV hat es gerade nicht angenommen.

    Art. 6 GG und Art. 8 EMRK führen ebenfalls nicht zu einem strikten Rechtsanspruch. Auch die übrigen Ausführungen des Klägers, die zu seinen Gunsten dahingehend verstanden werden, dass er mit seinem Vorbringen, die Wertungen des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, einen atypischen Fall geltend machen will, führen nicht zum Erfolg, da es auch in diesem Fall an einem strikten Rechtsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 -, BVerwGE 162, 349 = juris, Rn. 27).

    Soweit der Kläger in Bezug auf den Hilfsantrag einwendet, auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Visumverfahren und dessen Dauer käme es nicht an, folgt der Senat dem nicht. Soweit er zur Begründung vorträgt, er verstehe die Ausführungen des Senats im genannten Beschluss vom 13. Januar 2021 so, dass die Vorschriften über das Visumverfahren nach § 39 AufenthV für die Anwendung von Art. 20 AEUV ausscheide und kein Visumverfahren nach § 5 Abs. 2 AufenthG notwendig sei, sondern es entstehe automatisch mit Geburt und sei entsprechend zu bescheinigen, ist diese Aussage dem zitierten Beschluss des Senats nicht zu entnehmen. Dieser Beschluss des Senats betraf vielmehr die Frage, ob es sich bei einem auf Art. 20 AEUV gestützten Anspruch um einen strikten Rechtsanspruch im Sinne des § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV handeln kann.

    Der Kläger verkennt zudem bei diesem Verständnis den – auch in der zitierten Entscheidung des Senats dargelegten – Unterschied zwischen einem nationalen Aufenthaltstitel und dem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht. Da es sich – wie bereits ausgeführt – bei letzterem um ein Aufenthaltsrecht sui generis handelt und gerade um keinen nationalen Aufenthaltstitel, finden selbstredend die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG keine Anwendung. Dies besagt jedoch nicht, dass der Drittstaatsangehörige automatisch mit der Geburt des Unionsbürgers gestützt auf Art. 20 AEUV einen Anspruch auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AufenthG besitzt. Vielmehr müssen die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Dabei ist inzident bei der Frage des hier hilfsweise geltend gemachten Anspruchs – wie es das Verwaltungsgericht zutreffend geprüft hat – die Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens unter dem Aspekt relevant, ob dieses Erfordernis zu einem faktischen Zwang der Tochter des Klägers führen würde, das Unionsgebiet zu verlassen.

    Daher kommt es entgegen der Ansicht des Klägers auf die diesbezüglich angestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichts an, die der Kläger nicht substantiiert in Zweifel zieht. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf Bescheinigung eines Aufenthaltsrechtes aus Art. 20 AEUV entsprechend § 4 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, da diesem kein Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV zustünde. Dieses Recht setze voraus, dass der Unionsbürger, hier die Tochter des Klägers, wegen eines zwischen ihm und dem Drittstaatsangehörigen bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Mitgliedstaat faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde. Ein solcher Fall liege nicht vor, da es dem Kläger nach Lage der Dinge auch unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zumutbar sei, das nach den nationalen Bestimmungen für die Familienzusammenführung grundsätzlich notwendige Visumverfahren nachzuholen. Zwar bestehe zwischen dem Kläger und seiner Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis, jedoch sei die Trennungsdauer zur Nachholung des Visumverfahrens bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht als unangemessen lang zu beurteilen, da nach Auskunft der Botschaft die Mindestzeit für die Bearbeitung eines Visumverfahrens betreffend den Familiennachzug bei ungefähr 2 – 3 Wochen liege und alle vorbereitenden Schritte aus Deutschland getätigt werden könnten.

    Allein der Hinweis, dass es aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht sicher sei, wann eine entsprechende Reise möglich sei, dies über ein Jahr in Anspruch nehmen könne und der Zeitraum nicht abschätzbar sei, ist in dieser Pauschalität nicht geeignet, die Annahme des Verwaltungsgerichts, das sich auf eine aktuelle Auskunft der Botschaft in I. bezieht, in Zweifel zu ziehen. Es ist nicht dargelegt oder erkennbar, dass aufgrund der pandemischen Lage auf unabsehbare Zeit die Durchführung eines Visumverfahrens unmöglich wäre. Unbestritten bleibt zudem die Annahme, dass der Kläger von Deutschland aus die notwendigen Schritte einleiten kann und lediglich zu einem bestimmten Termin nach I. muss, um das Visum zu erhalten. Dass abweichend von der Auskunft der zuständigen Botschaft von einer längeren und unzumutbaren Abwesenheit des Klägers unter diesen Prämissen auszugehen wäre, legt dieser auch unter Berücksichtigung der aktuellen Lage nicht dar. Das bloße Fehlen einer verbindlichen Zusicherung durch die Botschaft stellt diese Annahme nicht in Frage. Auch der Einwand, wegen der Vorstrafe drohe eine längere Bearbeitungszeit für die Visaerteilung, ist ein Gesichtspunkt, der bei den Vorprüfungen gegebenenfalls Bedeutung hat. Das Verwaltungsgericht geht jedoch von einer zumutbaren Abwesenheit von 2 bis 3 Wochen aus, wenn alle vorbereitenden Schritte erfolgt sind und damit auch dieser Gesichtspunkt von Deutschland aus geprüft worden ist.

    Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bestehen entgegen der Annahme im Zulassungsantrag ebenfalls nicht. Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 106).

    Soweit der Kläger zur Begründung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten auf seine Ausführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel verweist und die Ansicht vertritt, das Verhältnis zwischen Art. 20 AEUV im Zusammenhang mit § 28 AufenthG sei noch nicht in der Rechtsprechung abschließend geklärt, bestehen derartige besondere Schwierigkeiten – wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt – nicht. Der Einwand, auch der erkennende Senat habe noch nicht abschließend über die Voraussetzungen von Art. 20 AEUV entschieden, verfängt nicht. Diese sind in der Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018 – C-82/16 -, juris, Rn. 51 m.w.N.) und vom erkennenden Senat im Beschluss vom 13. Januar 2021 herangezogen worden. Im Übrigen ergibt sich nach Ansicht des Senats, wie bereits im Beschluss vom 13. Januar 2021 dargelegt, aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch eindeutig das Verhältnis des nationalen zum unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht. Im Übrigen legt der Kläger einen darüber hinausgehenden weiteren Klärungsbedarf für das vorliegende Verfahren nicht dar.

    Quelle: OVG Rheinland Pfalz

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  2. Ausländerrecht: Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder

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    Verwaltungsgericht München, 09.10.2015, Az.: M 24 K 15.3204

    Über Aufenthaltserlaubnisse entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 35 S. 1 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

    Einem im Bundesgebiet geborenen Kind wird automatisch (auch ohne Pass und Lebensunterhalt) die Aufenthaltserlaubnis erteilt

    Nach § 33 S. 2 AufenthG wird dem im Bundesgebiet geborenen Kind die Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzen. Demnach steht der Behörde hierbei kein Ermessen nach § 40 VwVfG zu, sondern es besteht die Pflicht, die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (gebundene Entscheidung), sofern die Voraussetzungen des § 33 S. 2 AufenthG vorliegen. Dabei ist auch von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbesondere der Frage der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und der Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 AufenthG) abzusehen.

    In der nachgenannten Entscheidung ging es um die Frage, ob auch ein gebundener Anspruch nach § 33 S. 2 AufenthG besteht, wenn die Eltern nur aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis haben.

    Hintergrund des Verfahrens

    Die Klägerin, eine 2014 in Deutschland geborene somalische Staatsangehörige, ist die Tochter zweier somalischer Staatsangehöriger, die jeweils im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind. Diese Aufenthaltstitel wurden den Eltern aus humanitären Gründen gewährt. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG zusteht. Dieser Paragraph regelt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder, deren Eltern im Besitz eines Aufenthaltstitels sind. Am 25.09.2015 wurde auch ein Asylantrag für die Klägerin gestellt, doch bereits zuvor, am 19.02.2015, hatte ihr Bevollmächtigter einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Dieser Antrag wurde mit einem vermeintlichen Rechtsanspruch der Klägerin gemäß § 33 Satz 2 AufenthG begründet.

    Verfahrensgeschichte und Antragstellung

    Der im Februar 2015 gestellte Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde von der Beklagten (BAMF) im Mai 2015 abgelehnt. Das BAMF verwies dabei auf § 29 Abs. 3 AufenthG, der vorsieht, dass einem minderjährigen Kind, dessen Eltern nur Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind, eine Aufenthaltserlaubnis nur aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen erteilt werden kann. Mit der Begründung, dass die Ablehnung unrechtmäßig sei, erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, Klage vor dem Verwaltungsgericht München. In ihrer Klage trug sie vor, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten unklar sei und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen hätte erfolgen müssen. Zudem argumentierte sie, dass § 33 Satz 2 AufenthG als speziellere Norm gegenüber § 29 AufenthG zu betrachten sei.

    Positionen der Parteien

    Die Klägerin machte geltend, dass sie aufgrund ihrer Geburt in Deutschland und der Aufenthaltserlaubnisse ihrer Eltern gemäß § 33 Satz 2 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Die Beklagte hingegen beantragte die Abweisung der Klage und führte an, dass der Anspruch der Klägerin nach § 33 Satz 2 AufenthG durch § 29 Abs. 3 AufenthG eingeschränkt sei. Letzterer Artikel sehe vor, dass Kindern von Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nur aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen erteilt werden könne. Somit sei der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht gerechtfertigt.

    Zulässigkeit und rechtliche Einordnung der Klage

    Das Verwaltungsgericht München erklärte die Klage für zulässig. Es stellte fest, dass das Schreiben der Beklagten vom Mai 2015 als Verwaltungsakt zu werten sei, obwohl es keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Es handelte sich daher um eine Versagungsgegenklage, da das BAMF deutlich gemacht hatte, dass der Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden solle. Das Gericht entschied zudem, dass es im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden könne.

    Begründetheit der Klage: Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

    Das Gericht befand die Klage auch in der Sache für begründet. Es stellte fest, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 33 Satz 2 AufenthG erfüllt, da sie im Bundesgebiet geboren wurde und ihre Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG waren. § 33 Satz 2 AufenthG stellt klar, dass von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, wie etwa der Sicherung des Lebensunterhalts oder der Erfüllung der Passpflicht, abgesehen werden kann, wenn ein Kind im Bundesgebiet geboren wird und beide Elternteile im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind.

    Das Gericht stellte weiter fest, dass § 33 Satz 2 AufenthG in diesem Fall eine vorrangige und zwingende Norm ist, die den Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis begründet. Es entschied, dass die Verwaltung bei der Anwendung dieser Norm keine Ermessensspielräume habe und dass die Entscheidung voll gerichtlich überprüfbar sei.

    Verhältnis von § 33 Satz 2 AufenthG zu § 29 Abs. 3 AufenthG

    Das Verwaltungsgericht München setzte sich auch mit dem Verhältnis von § 33 Satz 2 AufenthG zu § 29 Abs. 3 AufenthG auseinander. Das Gericht folgte der Auslegung, dass § 33 Satz 2 AufenthG gegenüber § 29 Abs. 3 AufenthG als lex specialis zu betrachten sei, was bedeutet, dass die Vorschrift des § 33 Satz 2 AufenthG Vorrang habe. Diese Norm stellt sicher, dass im Bundesgebiet geborene Kinder, deren Eltern beide eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, ein besonders starkes Aufenthaltsrecht erhalten. Das Gericht hob hervor, dass § 29 Abs. 3 AufenthG nur in speziellen Ausnahmefällen Anwendung finde, nämlich dann, wenn für das Kind nur ein humanitärer Aufenthaltstitel in Betracht komme.

    Das Gericht betonte weiter, dass die Eltern der Klägerin aufgrund ihrer Aufenthaltstitel eine besonders legitime Aufenthaltsposition innehätten, die auch auf das Kind übertragen werden müsse. Es sei nicht zumutbar, dass ein im Bundesgebiet geborenes minderjähriges Kind, dessen Eltern über Aufenthaltstitel verfügen, ohne eigenen Aufenthaltstitel und damit ausreisepflichtig sein solle. Aus diesen Gründen sah das Gericht in den Umständen des Falls ausreichend „humanitäre Gründe“ im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gegeben.

    Schlussfolgerung – Klägerin hat Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

    Das Verwaltungsgericht München kam zu dem Schluss, dass die Klägerin alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG erfülle. Da beide Elternteile im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind und das Kind im Bundesgebiet geboren wurde, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Das Gericht verpflichtete daher die Beklagte, der Klägerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

    Quelle: Verwaltungsgericht München

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  3. Ausländerrecht: Vorlagebeschluss zur Frage des Elterngeldes für geduldete Ausländer abgewiesen

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    Bundesverfassungsgericht, 04.12.2012, Az.: 1 BvL 4/12

    Im deutschen Recht gibt es drei Arten von Verfahren, durch welche die Gültigkeit einer Rechtsnorm (z. B. Gesetze oder Rechtsverordnungen) überprüft werden kann.

    1. Abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht

    2. Konkrete Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht (sogenannte Richtervorlage)

    3. Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht

    Die konkrete Normenkontrolle (also die Richtervorlage) wird in bestimmten Fällen im Rahmen eines Rechtsstreites notwendig, wenn die Gültigkeit einer bestimmten Rechtsnorm für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung ist.

    Jedes angerufene Gericht hat nämlich grundsätzlich nicht nur die Anwendbarkeit sondern auch die Gültigkeit derjenigen Rechtsnorm zu prüfen, die es in dem konkreten Rechtsstreit anwenden muss.

    Kommt das Gericht im Rahmen dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die anzuwendende Norm mit höherrangigem Recht (Verfassungsrecht) nicht vereinbar ist, kann es diese Norm zur Überprüfung einem übergeordneten Gericht  vorlegen.

    An die Vorlage einer solchen Norm sind in der Praxis allerdings sehr hohe Anforderungen gestellt. Insbesondere das Begründungserfordernis der §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG muss dabei eingehalten werden.

    Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss insofern nur, wenn die Ausführungen des vorlegenden Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat.

    In der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte dieses über eine Vorlage des Bundessozialgerichts zu entscheiden, welche die Frage zum Gegenstand hatte, ob § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), der Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausnahmslos von der Gewährung von Elterngeld ausschließt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

    Sachverhalt: Die Klägerin in dem Ausgangsverfahren war 1992 im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern aus Jugoslawien nach Deutschland eingereist und lebte seitdem ununterbrochen hier.

    Im Juli 2008 erhielt sie erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt wurde.

    Die Aufenthaltserlaubnis war bis zum 31. Dezember 2009 befristet (§ 104a Abs. 5 AufenthG) und berechtigte zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG).

    Seit Januar 2010 besaß die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG. Im November 2008 brachte die ledige Klägerin ihre Tochter zur Welt.

    Für diese Tochter hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens erfolglos Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter beantragt.

    Die zuständige Behörde wies den Elterngeldantrag ab, weil die Antragstellerin als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG vom Elterngeldbezug ausgeschlossen sei.

    Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, Klage und Berufung blieben ebenfalls erfolglos. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Revision zu.

    Mit ihrer Revision zum Bundessozialgericht machte die Klägerin geltend, es sei verfassungsrechtlich zweifelhaft, langjährig in Deutschland lebende ausländische Staatsangehörige, bei denen absehbar sei, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht mehr ergriffen werden könnten, von Leistungen der Familienhilfe auszuschließen.

    Spätestens mit Einführung des Aufenthaltsgesetzes sei, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, absehbar gewesen, dass sie nicht mehr verpflichtet werden könne, die Bundesrepublik zu verlassen.

    Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 setzte das angerufene Bundessozialgericht das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe d BEEG zur Entscheidung vor.

    Das Gericht sei von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, auf die es für die Entscheidung ankomme, überzeugt.

    Bundesverfassungsgericht: Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Vorlage als unzulässig an, da das Bundessozialgericht die Vorlage nicht gem. §§ 23 I 2 1. HS, 80 II 1 BVerfGG ordnungsgemäß begründet hatte.

    Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bejahe das Bundessozialgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ohne sich hinreichend mit der nach seinen eigenen Prämissen maßgeblichen fachrechtlichen Ausgangslage auseinanderzusetzen.

    Das Bundessozialgericht halte die vorgelegte Regelung für verfassungswidrig, weil eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG keinen Rückschluss auf eine negative Bleibeprognose erlaube, sondern weil diese Art der Aufenthaltserlaubnis vielmehr so angelegt sei, dass den ausländischen Staatsangehörigen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung erteilt werde, durchaus die Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Deutschland eröffne.

    Allerdings lege das Bundessozialgericht nicht hinreichend dar, woraus es diese Interpretation von § 104a AufenthG ableite. Auch lege es nicht dar, dass die Betroffenen aus tatsächlichen Gründen voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben werden.

    Zur tatsächlichen Aufenthaltsperspektive der von der vorgelegten Norm Betroffenen habe sich das Bundessozialgericht nicht geäußert.

    Zwar habe es die „praktische Handhabung“ des § 104a AufenthG angesprochen, es habe jedoch im Dunkeln gelassen, was es damit meine und welche Schlüsse sich daraus seiner Ansicht nach für die Aufenthaltsperspektive der Betroffenen ziehen ließen.

    Auch habe es nicht ausgeführt, dass den Betreffenden in tatsächlicher Hinsicht eine aus anderen Gründen dauerhafte Bleibeperspektive erwachse.

    Vielmehr habe es die Annahme einer dauerhaften Bleibeperspektive allein mit der rechtlichen Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus begründet. Daran sei die Vorlage zu messen.

    Quelle: Bundesverfassungsgericht

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  4. Ausländerrecht: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller eine terroristische Vereinigung unterstützt.

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    Bundesverwaltungsgericht, 22.05.2012, Az.: BVerwG 1 C 8.11

    Im deutschen Rechtskreis wird der Begriff „Aufenthaltstitel“ unterschiedlich verwendet als durch das europäische Gemeinschaftsrecht.

    Während im deutschen Rechtskreis das Visum (also sowohl das nationale Visum als auch das Schengenvisum) zu den Aufenthaltstiteln zählt, unterscheidet das Gemeinschaftsrecht zwischen Aufenthaltstiteln auf der einen Seite und Visa auf der anderen Seite.

    Das deutsche Aufenthaltsgesetz nennt in § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG somit abschließend 4 unterschiedliche Arten von Aufenthaltstiteln:
    – das Visum (§ 6 AufenthG)
    – die Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG)
    – die Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG)
    – und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (§ 9 a AufenthG)

    Die wichtigsten Aufenthaltstitel sollen mit der nachfolgenden Grafik näher dargestellt werden:
    Aufenthaltstitel_nach_dem_AufenthaltsG

    Aufenthaltstitel können allerdings aus den verschiedensten Gründen versagt bzw. nicht verlängert werden.

    In der oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hatte dieses darüber zu entscheiden, ob einem anerkannten Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis versagt werden kann, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung unterstützt, die den Terrorismus unterstützt.

    Hintergrund des Falls

    Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde 1996 als Flüchtling in Deutschland anerkannt. In den darauffolgenden Jahren erteilte ihm die zuständige Ausländerbehörde fortlaufend befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Im Februar 2010 entschied die Beklagte jedoch, den Antrag des Klägers auf eine erneute Verlängerung der nach § 25 Abs. 2 AufenthG gewährten humanitären Aufenthaltserlaubnis abzulehnen.

    Die Ablehnung wurde damit begründet, dass der Kläger seit 2004 in verschiedener Weise für die KONGRA-GEL aktiv sei, die als Nachfolgeorganisation der verbotenen PKK gelte. Beide Organisationen wurden als terroristisch eingestuft und unterstützten den Terrorismus. Aufgrund dieser Aktivitäten sah die Ausländerbehörde die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als nicht erfüllt an.

    Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts

    Der Kläger klagte gegen diese Entscheidung und erzielte vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Erfolg. Das OVG erkannte zwar an, dass die allgemeinen Versagungsgründe nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG vorlagen, da der Kläger einer Organisation angehörte, die den Terrorismus unterstützte. Jedoch argumentierte das Gericht, dass diese Bestimmungen durch die spezielle Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG verdrängt würden.

    Laut dieser speziellen Regelung dürfe einem anerkannten Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis nur dann verweigert werden, wenn er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden sei. Da der Kläger nicht ausgewiesen worden war, sah das Oberverwaltungsgericht keinen Grund für die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

    Revision zum Bundesverwaltungsgericht

    Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein. Das BVerwG folgte jedoch der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts nur teilweise. Es stellte klar, dass der allgemeine Versagungsgrund nach § 5 Abs. 4 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich gilt. Jedoch ist bei anerkannten Flüchtlingen die sogenannte Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG) der Europäischen Union zu beachten.

    Diese Richtlinie sieht in Artikel 24 Abs. 1 grundsätzlich einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis vor. Gleichzeitig erlaubt Artikel 21 Abs. 3 den Mitgliedstaaten, in Fällen, in denen der völkerrechtliche Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht greift, die Versagung eines Aufenthaltstitels. Allerdings kann sich ein Flüchtling dann nicht auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung berufen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes gilt.

    Rückverweisung an das Oberverwaltungsgericht

    Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nur dann unionsrechtskonform sei, wenn das Verhalten des Klägers eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit Deutschlands darstellt. Da das Oberverwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen zur Schwere der vom Kläger ausgehenden Gefahr getroffen hatte, konnte das Bundesverwaltungsgericht keine endgültige Entscheidung treffen.

    Daher wurde das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären und festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG in Verbindung mit der erhöhten Gefahrenschwelle der Qualifikationsrichtlinie vorliegen.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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