Remonstration Ehegattennachzug Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Remonstration Ehegattennachzug

  1. Ausländerrecht: Die Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis bei Trennung der Ehegatten zulässig

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    Verwaltungsgericht München, 22.02.2017, Az.: M 9 K 16.1135

    Ehe berechtigt grundsätzlich zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis

    Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Weitere Voraussetzung ist, dass sich der Ehegatte auf einfach Art und Weise auf Deutsch verständigen kann und volljährig ist. Eine weitere wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG ist, dass die Ehe tatsächlich besteht und praktiziert wird, demnach, dass die Ehegatten eine eheliche Lebensgemeinschaft innerhalb eines gemeinsamen Haushalts führen.

    Was passiert mit der Aufenthaltserlaubnis nach der Trennung?

    Was regelt aber das Ausländerrecht, wenn sich die Ehegatten trennen? Der Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis kann gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 AufenthG nachträglich verkürzt werden, sofern eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich die Eheleute trennen (und damit ist nicht nur die Scheidung gemeint). Wenn die Ausländerbehörde also Kenntnis von der Trennung erlangt, ist sie normalerweise verpflichtet, dem nachgezogenen Ehegatten die Aufenthaltserlaubnis weg zu nehmen bzw. den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis zu verkürzen.

    Im nachfolgend dargestellten Gerichtsverfahren klagte der Kläger gegen eine solche Verkürzung des Gültigkeitszeitraumes und er begehrte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder wegen einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis (eigenständiges Aufenthaltsrecht, § 31 AufenthG).

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Getrennt lebender türkischer Ehemann klagt gegen Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis

    Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wendet sich mit der Klage gegen die Verkürzung der Geltungsdauer der ihm zum Zwecke der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilten Aufenthaltserlaubnis.

    Der Kläger reiste im Jahr 2008 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 15.02.2010 abgelehnt. Durch Beschluss des Bayerischen VGH vom 18.03213 wurde die Ablehnung bestätigt.

    Am 16.05.2013 heiratete er seine Frau S. und lebte mit ihr in deren Wohnung. Der Kläger beantragte daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis wegen Familiennachzug und erhielt diese am 19.11.2013 mit der Befristung zum 18.11.2014. Diese wurde sodann zweimal verlängert, letztmalig bis zum 18.11.2016 wegen dem Vorliegen einer ehelichen Gemeinschaft.

    Im Jahr 2014 absolvierte der Kläger einen Alphabetisierungskurs und arbeitete vom 10.08.2015 bis zum 10.12.2015 als Verputzer. Weiteren Tätigkeiten ging der Kläger während der Ehe nicht nach. Das Ehepaar lebte vom Gehalt der Frau S. sowie von Leistungen nach dem SGB.

    Nach der Trennung lebte der Ehemann bei seinem Bruder

    Am 02.11.2015 meldete sich der Kläger in der Wohnung seines Bruder an, da das Paar sich im Mai 2015 (Erklärung gegenüber Jobcenter), am 17.10.2015 (Erklärung gegenüber der Polizei) oder am 02.11.2015 (Behördenakten) getrennt hatte.

    Der Kläger unterließ es, einen Antrag auf Verlängerung der bis zum 16.11.2016 befristeten Aufenthaltserlaubnis oder einen Antrag auf Neuerteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis zu stellen.

    Die Ausländerbehörde verkürzt daraufhin die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis

    Mit Bescheid vom 02.02.2016 verkürzte die Beklagte die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich zeitlich auf den 10.02.2016 (Ziff. 1). Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder die Neuerteilung eines Aufenthaltstitels aus anderen Gründen wurde abgelehnt (Ziff. 2). Der Kläger wurde zum Verlassen des Bundesgebiets innerhalb von dreißig Tagen nach Vollziehbarkeit des Bescheids aufgefordert (Ziff. 3). Für den Fall der schuldhaften und erheblichen Überschreitung der Ausreisefrist wurde angedroht, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von bis zu einem Jahr angeordnet werden könne (Ziff. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen zur Rücknahme bereiten bzw. verpflichteten Staat angedroht (Ziff. 5).

    Ehemann klagt gegen den behördlichen Bescheid und gegen die angedrohte Abschiebung

    Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2016, sowie die Erteilung/Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

    Hierzu führte er aus, dass die Verkürzung der Geltungsdauer der zum Zwecke der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig sei, da die eheliche Lebensgemeinschaft nach kurzer Zeit wiederaufgenommen worden sei. Der Kläger wohne wieder in der gemeinsamen Wohnung und arbeite mittlerweile wieder als Verputzer.

    Die Beklagte trug vor, dass ein Verlängerungsantrag oder ein Antrag auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht vorlägen.

    Urteil des Verwaltungsgerichts München:

    Gericht urteilt, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Ehemann vorher keinen Antrag gestellt habe

    Die Klage habe keinen Erfolg. Sie sei bereits unzulässig, da der Kläger keinen Antrag auf Verlängerung oder Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis gestellt habe. Daher komme es auf die Verkürzung nicht an, da die Aufenthaltserlaubnis spätestens seit dem 18.11.2016 regulär abgelaufen sei. Einen Antrag habe er nicht gestellt, insbesondere wird dies dadurch untermauert, dass er den von der Beklagten ausgehändigten Antrag erst am Ende der mündlichen Verhandlung unterschrieben habe.

    Auch sei die Klage unbegründet, da der Kläger keinen Aufenthaltszweck mehr verwirklicht

    Darüber hinaus sei die Klage aber auch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis, da der Beklagte seit Oktober 2015 nicht mehr in ehelicher Lebensgemeinschaft wohne. Aufgrund dessen lägen die Voraussetzungen für die Verkürzung nach § 7 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Für die Erteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis fehle es bereits wie ausgeführt an einem bestimmten Antrag. Da eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 AufenthG immer nur für einen bestimmten Zweck erteilt wird, handele es sich bei den unterschiedlichen Arten von Aufenthaltserlaubnissen um eigenständige Regelungsgegenstände (BVerwG, Urt. v. 9.5.2009 – 1 C 11.08). Deshalb sei ein Antrag bei der zuständigen Behörde nötig, wenn anstelle eines Aufenthaltsrechts nach § 28 AufenthG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG begehrt werde.

    Hiervon unabhängig sei auch, dass der Kläger nunmehr seit siebzehn Monaten, demnach seit dem 07.02.2016 eine Beschäftigung habe. Die Aufenthaltserlaubnis sei spätestens am 18.11.2016 und demnach vor Ablauf der Jahresfrist einer ordnungsgemäßen Beschäftigung, Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARBG 1/80, abgelaufen.

    Daher sei die Klage abzuweisen.

    Quelle: Verwaltungsgericht München

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Tod des deutschen Ehegatten vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

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    Verwaltungsgericht Bayreuth, 04.12.2014, Az.: B 4 E 14.786

    Beantragt ein Ausländer vor Ablauf der Geltungsdauer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend.

    Diese sogenannte Fiktionswirkung ist in § 81 Abs. 3 AufenthG festgelegt. Gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG ist dem Ausländer dann eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

    Diese Fiktionswirkung hat auch Auswirkungen auf die Auswahl der Antragsart beim einstweiligen Rechtsschutz. Durch die Fiktionswirkung ist nämlich nicht ein Antrag gemäß § 123 VwGO statthaft, sondern vielmehr ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.

    In dem hier besprochenen Fall war die Antragstellerin im Besitz eines Schengenvisums, hatte aber bereits die Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis starb ihr deutscher Ehemann. Dennoch begehrte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als sogenanntes eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG.

    Sachverhalt des Gerichtsverfahrens:

    Ukrainische Antragstellerin heiratet mit Schengenvisum in Deutschland einen deutschen Staatsangehörigen

    Die im Jahre 1964 geborene Antragstellerin war ukrainische Staatsangehörige. Mit einem vom 15.09.2013 bis 14.09.2014 gültigen Schengen-Visum reiste die Antragstellerin im September 2013 in die BRD ein und heiratete am 01.10.2013 den deutschen Staatsangehörigen K.

    Nach der Eheschließung kehrte sie im Oktober 2013 in ihr Heimatland zurück und beantragte am 20.11.2013 die Erteilung eines Visums zum Zweck des Ehegattennachzugs. Diesen Antrag lehnte die zuständige deutsche Botschaft ab.

    Nach Ablehnung des Ehegattennachzugs reicht die Antragstellerin Klage ein

    Die gegen diese Ablehnung gerichtete Klage beim Verwaltungsgericht hatte die Antragstellerin in der öffentlichen Sitzung des Verwaltungsgerichts Berlin am 23.09.2014 zurückgenommen, nachdem die Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde angeboten hatte, gegen Klagerücknahme der Antragstellerin das Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen.

    Vergleichsweise einigt sich die Antragstellerin und kann zunächst für ein Jahr einreisen – kurz darauf stirbt der Ehemann

    Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sollte dabei nur für ein Jahr erfolgen mit der Aussicht auf Verlängerung nach Überprüfung des Zusammenlebens. Am 23.09.2014 verstarb dann der Ehemann der Antragstellerin. Das bis zum 14.09.2014 gültige Visum wurde zweimal verlängert, zunächst bis zum 30.09.2014 für die Teilnahme an dem Gerichtstermin und dann als nationales Besuchs-/Geschäftsreisevisum bis zum 13.12.2014 für die Abwicklung der Nachlassangelegenheiten.

    Mit Bescheid vom 19.11.2014 lehnte die Ausländerbehörde den Antrag der Antragstellerin vom 25.09.2014 bzw. 08.10.2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und forderte sie unter Fristsetzung und Abschiebungsandrohung zur Ausreise auf. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Ausländerbehörde mit der Begründung ab, dass § 28 Abs. 3 Satz 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG voraussetzen würde, dass der ausländische Ehegatte bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG sei. Die Antragstellerin habe aber nur ein Schengenvisum.

    Ausländerbehörde lehnt eigenständiges Aufenthaltsrecht der verwitweten Antragstellerin ab

    Auch könne dieses Visum nicht als Ersatz für eine fehlende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG herangezogen werden, da das für eine Erteilung zum Zweck des Ehegattennachzugs vorgesehene Zustimmungsverfahren mit der Ausländerbehörde im Inland nicht durchgeführt worden sei. Auch die Zusicherung zur Visumerteilung könne nicht herangezogen werden, um die fehlende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu ersetzen und somit unter Umgehung des Visumverfahrens aus einem Aufenthaltsstatus des Besuchs hinüberzugelangen in den Aufenthaltsstatus eines eigenständigen Aufenthaltsrechts. Zudem liege auch kein schützenswertes Vertrauen auf einen weiteren Aufenthalt in Deutschland bei der Antragstellerin vor, nachdem noch kein ehebedingtes Aufenthaltsrecht erworben worden sei.

    Dagegen reicht die Antragstellerin Klage und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ein

    Gegen diese Ablehnung reichte die Antragstellerin Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ein und beantragte gleichzeitig, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass ihr Aufenthalt bis zur rechtskräftigen, gerichtlichen Entscheidung des aufenthaltsrechtlichen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als erlaubt, hilfsweise als geduldet gelte, hilfsweise, die Abschiebung einstweilen auszusetzen.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth:

    Das Verwaltungsgericht Bayreuth folgte dem Antrag der Antragstellerin nicht.

    Zunächst einmal stellte das Gericht Überlegungen zur statthaften Antragsart an: Statthaft sei, nachdem der Antrag vom 08.10.2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 19.11.2014 abgelehnt worden sei, gemäß § 123 Abs. 5 VwGO kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO, sondern ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis vom 17.11.2014, weil ein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 1 und § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vorliegen würde.

    Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG würde nämlich der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gelten, wenn ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragen würde. Dies würde gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zwar nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1 AufenthG gelten, also nicht für ein Schengen-Visum.

    Da das Schengenvisum als nationales Visum verlängert worden war, ist § 80 Abs. 5 VwGO die statthafte Antragsart

    Nachdem aber das Schengen-Visum der Antragstellerin jedenfalls für die Zeit vom 01.10.2014 bis 13.12.2014 als nationales Visum verlängert worden sei, sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 08.10.2014 geeignet gewesen, die Fiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auszulösen. Gegen den Verlust der mit der Antragsablehnung vom 19.11.2014 endenden verfahrensrechtlichen Fiktion mit der Folge, dass die Antragstellerin mit Ablauf ihres Visums am 14.12.2014 gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig werde, könne sie somit vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch nehmen, da gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Klage gegen die Antragsablehnung keine aufschiebende Wirkung habe.

    Im Falle eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sei dem Ausländer gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen, ohne dass es hierfür einer gesonderten Verpflichtung der Ausländerbehörde im Wege einer einstweiligen Anordnung bedürfe.

    Würde man den Hauptantrag der Antragstellerin, mit dem offensichtlich die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG begehrt werde, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der nunmehr gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Klage verstehen, sei der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet.

    Im Rahmen der summarischen Prüfung überwiege aber die Ausreisepflicht der Antragstellerin

    Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit ihrer Ausreisepflicht mit Ablauf des Visums am 14.12.2014, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom 19.11.2014 auszugehen sei.

    Der Tatbestand des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, auf den die Antragstellerin den im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stützen würde, sei nicht erfüllt.

    Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG werde die dem Ehegatten eines Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet erteilte Aufenthaltserlaubnis im Falle der durch den Tod des Deutschen eingetretenen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn der Deutsche gestorben sei, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestanden habe.

    Eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nur dann, wenn vorher eine tatsächliche Aufenthaltserlaubnis für Ehegatten bestand

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts würde eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz nur dann eine „Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten“ im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellen, wenn sie diesem nach den Vorschriften des 6. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilt worden sei.

    Ein Schengen-Visum bzw. ein nationales Besuchs-/Geschäftsreisevisum würde diese Voraussetzung nicht erfüllen. Davon abgesehen würde der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einen Aufenthaltstitel in Form einer „Aufenthaltserlaubnis“ (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 7 AufenthG) voraussetzen, sodass die Verlängerung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG selbst bei einem Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs fraglich wäre.

    Zwar würden auch die die rückwirkende Erteilung einer ehebedingten Aufenthaltserlaubnis und deren Verlängerung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für ein Jahr in Betracht kommen, wenn der Ausländer mit einem nationalen Visum zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in das Bundesgebiet eingereist sei und bereits vor dem Tod des deutschen Ehegatten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs beantragt habe.

    Die Antragstellerin habe aber, da das erforderliche ehebezogene Visumverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei, erstmals nach dem Tod ihres Ehegatten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.09.2014 den gemäß § 81 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde gestellt, sodass die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ausscheiden würde.

    Auch die auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch hinauslaufende Argumentation, dass im Todeszeitpunkt eine ehebedingte Aufenthaltserlaubnis vorgelegen und die eheliche Lebensgemeinschaft auf dieser Grundlage im Bundesgebiet bestanden hätte, wenn der Antrag auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug nicht abgelehnt, sondern ohne gerichtliches Verfahren positiv verbeschieden worden wäre, würde unabhängig davon, ob die Ablehnung des Visumantrags rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei, nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG rechtfertigen.

    Es sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Betroffene im Wege der Folgenbeseitigung keinen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der behördliche Fehler nicht passiert wäre. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kenne, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, könne auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Gegenstand eines Folgenbeseitigungsanspruchs sei daher nicht die Einräumung derjenigen Rechtsposition, die der Betroffene bei rechtsfehlerfreiem Verwaltungshandeln erlangt haben würde. Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetze, sei nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet. Mangels gesetzlicher Vorschriften könne er nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg führen.

    Unterstellt, der ehebezogene Visumantrag der Antragstellerin sei unrechtmäßig abgelehnt worden, könnten die Folgen dieses Verwaltungshandelns nicht im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns durch rückwirkende Erteilung einer ehebedingten Aufenthaltserlaubnis und deren Verlängerung gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ausgeglichen werden, weil, wie dargelegt, die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen würden

    Schließlich würde auch das Angebot der Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Berlin am 23.09.2014, gegen Klagerücknahme der Antragstellerin das Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen, keinen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermitteln, auch wenn man es nach erklärter Klagerücknahme der Antragstellerin als Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG werten würde.

    Gegenstand des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Berlin sei nur die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die Beiladung der Ausländerbehörde würde allein auf dem Erfordernis der Zustimmung der Ausländerbehörde zur Visumerteilung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV beruhen.

    Zusage der Botschaft im Rahmen des Visumsverfahrens keine Zusicherung der Aufenthaltserlaubnis für eigenständiges Aufenthaltsrecht

    Da gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nur eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, eine wirksame Zusicherung darstellen würde, habe die Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht verbindlich zusagen können.

    Dementsprechend habe sie auf den Hinweis des Gerichts, dass es in Anbetracht der Erkrankung des Ehemannes vielleicht wünschenswert wäre, wenn die Antragstellerin nicht erst noch einmal ausreisen müsste, sondern ihr gleich jetzt vom Landratsamt die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt werden könnte, erklärt, das könne sie nicht entscheiden, das müsse das Landratsamt dann entscheiden. Der Nebensatz im Angebot der Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland, wobei sie (die Antragstellerin) zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis vom Landratsamt Bayreuth für ein Jahr erhält“ könne, nachdem das Angebot im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde unterbreitet worden sei, allenfalls so verstanden werden, dass für den Fall der erneuten Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und unter der stillschweigenden Prämisse, dass die sonstigen allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen dann noch vorliegen, die Erteilung einer ehebedingten Aufenthaltserlaubnis in Aussicht gestellt werde. Ein Verzicht auf das Visumerfordernis gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG seitens der Ausländerbehörde sei nicht Gegenstand der Zusicherung gewesen.

    Ob die Antragstellerin aus dem angenommenen Angebot der Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland noch Rechte im Hinblick auf eine Visumerteilung herleiten könne oder ob ein Fall des § 38 Abs. 3 VwVfG vorliegt, sei in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, weil insoweit die Bundesrepublik Deutschland Antragsgegner bzw. Beklagter und das Verwaltungsgericht Berlin zuständig sei. Jedenfalls könne die Zusicherung einer Visumerteilung aus den dargelegten Gründen nicht die „Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten“ im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ersetzen.

    Da nach alledem keine Rechtsgrundlage für einen längerfristigen Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet ersichtlich sei, würde auch die geltend gemachte Notwendigkeit, den Mietvertrag zu kündigen und das Mobiliar zu verkaufen, kein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begründen.

    Der Hilfsantrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung der Antragstellerin einstweilen auszusetzen, habe ebenfalls keinen Erfolg.

    Selbst wenn man von einem anderen Streitgegenstand ausgehen würde und den Antrag deshalb als zulässig erachten würde, sei er unbegründet, weil die Antragstellerin keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe glaubhaft gemacht habe, aus denen ihre Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmöglich wäre und die bei der Interessenabwägung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Berücksichtigung hätten finden können.

    Quelle: Verwaltungsgericht Bayreuth

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  3. Ausländerrecht: Stellungnahme des EuGH zum Spracherfordernis beim Ehegattennachzug von türkischen Staatsangehörigen

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    Europäischer Gerichtshof, 30.04.2014, Az.: C‑138/13

    Der Gerichtshof der Europäischen Union ist die zuständige Instanz für die Auslegung des EU-Rechts. Damit soll gewährleistet werden, dass das EU-Recht in allen EU-Mitgliedstaaten auf die gleiche Weise angewendet wird.

    Um diese einheitliche Anwendung des Europarechts sicherzustellen, sieht Art. 234 EGV (früher Art. 177 EGV) vor, dass Fragen der Gültigkeit und Auslegung des Europäischen Gemeinschaftsrechts von den Gerichten der Mitgliedsstaaten dem EuGH vorgelegt werden können bzw. müssen.

    Für dieses Verfahren stehen dem Gerichtshof der Europäischen Union neun „Generalanwälte“ zur Seite. Deren Aufgabe ist es, öffentlich und in voller Unparteilichkeit zu den Rechtssachen der Gerichte der Mitgliedstaaten Stellung zu beziehen, mit denen sich der Gerichtshof befasst.

    In dem oben genannten Verfahren des Europäischen Gerichtshofes wurden diesem zwei Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit des Spracherfordernisses beim Ehegattennachzug von türkischen Staatsangehörigen mit EU-Recht durch das Verwaltungsgericht Berlin vorgelegt.

    Sachverhalt: Die türkische Klägerin mit Wohnsitz in der Türkei beantragte ein Visum zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger war und seit 1998 in Deutschland lebte.

    Ihr Ehemann war geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter einer GmbH und besaß eine Niederlassungserlaubnis. Vor ihrer zivilen Eheschließung im Jahr 2007 hatten die Klägerin und ihr Ehemann bereits eine religiöse Ehe vor einem Imam geschlossen, aus der insgesamt vier zwischen 1988 und 1993 geborene Kinder hervorgegangen waren.

    Am 18.01.2011 hatte die Klägerin bei der deutschen Botschaft in Ankara die Erteilung eines Visums zum Ehegatten- und Kindernachzug für sich und zunächst zwei ihrer Kinder beantragt. Dazu hatte sie ein Zeugnis des Goethe-Instituts über einen von ihr am 28.09.2010 auf dem Niveau A 1 absolvierten Sprachtest eingereicht, wonach sie den Test mit der Note„ausreichend“ (62 von 100 Punkten) bestanden hatte. Ihre Leistungen im schriftlichen Teil wurden mit 14,11 von 25 möglichen Punkten bewertet.

    Die deutsche Botschaft, nach deren Feststellungen die Klägerin, die Analphabetin ist, im Test bei den verschiedenen Antwortmöglichkeiten wahllos Antworten angekreuzt und drei vorformulierte Sätze auswendig gelernt und wiedergegeben haben soll, lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.03.2011 wegen fehlenden Nachweises deutscher Sprachkenntnisse ab.

    Diesen Bescheid griff die Klägerin nicht an, sondern stellte am 26..07.2011 bei derselben Botschaft einen neuen Antrag auf Erteilung eines Visums nur zum Zweck des Familiennachzugs für sich, welchen die Botschaft erneut, mit Bescheid vom 31.10.2011, ablehnte.

    Auf die hiergegen anwaltlich erhobene Remonstration vom 15.11.2011 hob die deutsche Botschaft in Ankara den Ausgangsbescheid auf und ersetzte ihn durch den ebenfalls ablehnenden Bescheid vom 24.01.2012 mit der Begründung, die Klägerin verfüge nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse, weil sie Analphabetin sei.

    Gegen den Bescheid vom 24.01.2012 erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Berlin. Dieses hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1. Steht Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls einer nach Inkrafttreten der vorgenannten Bestimmungen erstmals eingeführten Regelung des nationalen Rechts entgegen, mit der die erstmalige Einreise eines Familienangehörigen eines türkischen Staatsangehörigen, der die Rechtsstellung nach Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls genießt, in die Bundesrepublik Deutschland davon abhängig gemacht wird, dass der Familienangehörige vor der Einreise nachweist, sich in einfacher Art und Weise in deutscher Sprache verständigen zu können?
    2. Steht Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/86 der in Frage 1 bezeichneten Regelung des nationalen Rechts entgegen?

    Europäischer Gerichtshof: Der zuständige Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes beantwortete die Fragen des Verwaltungsgerichts Berlin nun wie folgt:

    Zur Frage 1:

    Hinsichtlich der Frage, ob das Spracherfordernis mit der Bekämpfung von Zwangsehen gerechtfertigt werden könne, sah der zuständige Generalanwalt das Spracherfordernis als unverhältnismäßig an.

    Denn nach Ansicht des Generalanwalts könne dadurch die Familienzusammenführung in dem betreffenden Mitgliedstaat unbegrenzt lange hinausgeschoben werden, insbesondere weil das Spracherfordernis vorbehaltlich ganz bestimmter abschließend festgelegter Ausnahmen unabhängig von einer Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls gelten würde.

    Dabei wies der Generalanwalt insbesondere auch die Argumentation der Deutschen Regierung zurück, dass es für die Verhinderung der sozialen Ausgrenzung der Opfer von Zwangsehen weniger wirksam wäre, den nachzugswilligen Ehegatten erst nach seinem Eintreffen in Deutschland zur Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen zu verpflichten, als ihm den vorherigen Erwerb von Sprachkenntnissen aufzuerlegen.

    Denn durch die Verpflichtung zur Teilnahme an solchen Kursen würden die betreffenden Personen dazu veranlasst,  aus ihrem familiären Umfeld herauszutreten, wodurch ihr Kontakt mit der deutschen Gesellschaft erleichtert werde.

    Sollten somit Familienangehörige Zwang auf sie ausüben, so wären diese dann ihrerseits gezwungen, einen solchen Kontakt zuzulassen, der ohne eine solche Verpflichtung trotz vorhandener Grundkenntnisse der deutschen Sprache behindert werden könnte.

    Außerdem können regelmäßig unterhaltene Beziehungen zu für die Durchführung solcher Kurse verantwortlichen Einrichtungen und Personen dazu beitragen, günstige Voraussetzungen für ein spontanes Hilfeersuchen der Opfer zu schaffen und die Feststellung von Situationen, die ein Eingreifen erfordern, und deren Anzeige an die zuständigen Behörden erleichtern.

    Der Generalanwalt kommt somit zu dem Ergebnis, dass die Klägerin angesichts der Einführung einer neuen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die ihr Ehegatte genießt, der Anwendung des deutschen Spracherfordernisses in ihrem Fall entgegentreten kann.

    Zur Frage 2:

    Angesichts seiner vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage des Verwaltungsgerichts zur Stillhalteklausel hielt der Generalanwalt eine Beantwortung dieser allgemeineren Frage für nicht mehr erforderlich.

    Für den Fall, dass sich der Gerichtshof seiner Auffassung nicht anschließen sollte, schlug der Generalanwalt allerdings vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass es dieser Richtlinie zuwiderlaufe, die Erteilung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung wie im vorliegenden Fall von dem Nachweis abhängig zu machen, dass der nachzugswillige Ehegatte über Grundkenntnisse der Sprache des betreffenden Mitgliedstaats verfüge, ohne dass die Möglichkeit einer Gewährung von Befreiungen aufgrund einer Einzelfallprüfung bestünde.

    Für diese Einzelfallprüfung seien die Interessen minderjähriger Kinder sowie alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Damit sei auch der Frage Beachtung zu schenken, ob in dem Wohnstaat des nachzugswilligen Ehegatten Unterricht und unterstützendes Material, wie sie für den Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse notwendig seien, verfügbar und (insbesondere unter Kostengesichtspunkten) auch zugänglich seien.

    Ebenso müssten etwaige, auch zeitweilige Schwierigkeiten zu berücksichtigt werden, die (wie Alter, Analphabetismus, Behinderung und Bildungsgrad) mit dem Gesundheitszustand oder der persönlichen Situation des nachzugswilligen Ehegatten zusammenhängen.

    Quelle: Europäischer Gerichtshof

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  4. Ausländerrecht: Das Heiratsvisum und der Ehegattennachzug zu Deutschen

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    Gem. § 4 Abs. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich eines Aufenthaltstitels.

    Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

    – Visum (Schengenvisum & Nationales Visum) i. S. d. § 6 AufenthG
    – Aufenthaltserlaubnis i. S. d. § 7 AufenthG,
    – Niederlassungserlaubnis i. S. d. § 9 AufenthG oder
    – Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG i. S. d. § 9a AufenthG

    Ablauf und Voraussetzungen Heiratsvisum und Ehegattennachzug

    Heiratsvisum (Nationales Visum)

    § 6 AufenthG regelt die Erteilungsvoraussetzungen für Visa für die Einreise nach Deutschland.

    In Deutschland gibt es zwei Arten von Visa:
    – das Schengen-Visum und
    – das nationale Visum

    Für kurze Aufenthalte (bis zu 90 Tage pro Halbjahr ab dem Datum der ersten Einreise), benötigen alle Nicht-EU-Bürger ein Schengen Visum.

    Will der nachziehende Ausländer aber mit dem Visum nach Deutschland einreisen, um dann eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen, um länger als 90 Tage in Deutschland zu bleiben, benötigt der Ausländer ein sogenanntes Nationales Visum. Denn nur mit einem solchen nationalen Visum kann er eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.

    Das Heiratsvisum (Visum zum Zwecke der Eheschließung) ist ein nationales Visum i. S. d. § 6 Abs. 3 AufenthG.

    Die Erteilung der nationalen Visa richtet sich gem. § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG nach den für die Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnis je nach Aufenthaltszweck geltenden Vorschriften.

    Daher müssen bereits bei Erteilung des Visums neben den allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen gem. § 5 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts, Aussschluss einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Erfüllung der Passpflicht) auch die für die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis erforderlichen besonderen tatbestandlichen Erfordernisse gegeben sein.

    Auch nationale Visa wie das Heiratsvisum werden grundsätzlich nur für eine Dauer von drei Monaten erteilt. Innerhalb dieses Zeitraumes muss dann in Deutschland bei der zuständigen Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG beantragt werden.

    Der Nachteil eines Heiratsvisums ist, dass für die Erteilung eines Heiratsvisums das örtliche Standesamt mit einbezogen werden muss, was die sowieso schon langwierige Prozedur noch einmal erheblich verzögern kann. Darüberhinaus muss für den Zeitpunkt von der Einreise des Ausländers bis zu dessen Heirat eine sogenannte Verpflichtungserklärung abgegeben werden, dies entfällt, wenn man zur Zeit der Einreise des Ausländers bereits verheiratet ist. Dieser Fall des Ehegattennachzugs wird im nächsten Absatz besprochen.

    Ehegattennachzug zu Deutschen (Familiennachzug zu Deutschen) gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG

    Wenn die Ehe bereits im Ausland (oder während eines Besuchsaufenthalts in Deutschland oder Dänemark geschlossen worden ist) und der Ausländer möchte dann langfristig nach Deutschland kommen, handelt es sich um den sogenannten Ehegattennachzug. Dieser ist grundsätzlich ein bisschen schneller und leichter als der Weg über das Heiratsvisum. Denn weil die Ehe mit dem deutschen Staatsbürger bereits besteht, entfaltet Artikel 6 Grundgesetz (Schutz von Ehe und Familie) und Art 8 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) gegenüber dem deutschen Staatsangehörigen eine besondere Wirkung.

    Dem deutschen Staatsangehörigen soll es somit grundsätzlich nicht verwehrt werden, seine Ehe- und Familiengemeinschaft in Deutschland zu führen.

    Es besteht daher für den nachziehenden Ausländer ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sofern der deutsche Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und die weiteren Zuzugsvoraussetzungen vorliegen.

    Weitere Zuzugsvoraussetzungen sind z. B.:

    – Der nachziehende Ehegatte kann sich auf einfache Art in der deutschen Sprache verständigen.
    – Der deutsche Ehegatte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
    – Es liegt kein Ausweisungsgrund bzw. keine Ausweisungssperre vor.
    – Es liegt keine terroristische Gefährdung vor.
    – Die Einreisevorschriften (z. B. bei Erteilung des Heiratsvisums) sind beachtet worden.

    Die Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts ist grundsätzlich keine Erteilungsvoraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis beim Ehegattennachzug zu Deutschen mehr. Dies ist auch der Vorteil gegenüber dem Heiratsvisum, da auch die Abgabe der Verpflichtungserklärung für die Einreise des Ausländers nicht notwendig ist.

    Scheinehe

    In vielen Fällen scheitert die Erteilung des Heiratsvisums auch daran, dass die Botschaft bzw. die Ausländerbehörde von dem Vorliegen einer Scheinehe überzeugt ist. Dazu regelt § 27 Abs. 1a AufenthG, dass ein Familiennachzug dann nicht zugelassen wird, wenn

    1. feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder

    2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

    Auch hier kann die Versagung des Aufenthaltstitels angegriffen werden, wenn tatsächlich keine Scheinehe vorliegt und die Behörden somit von falschen Voraussetzungen ausgehen.

    Einfache Deutschkenntnisse gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG

    Eine weitere Voraussetzung sowohl für das Heiratsvisum als auch für den Ehegattennachzug zu Deutschen sind die einfachen Sprachkenntnisse, die in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gefordert werden.

    Viele ausländische Ehegatten scheitern daran, diese einfachen Deutschkenntnisse zu erwerben. Ausnahmen werden nur sehr selten gewährt und meistens nur dann, wenn der ausländische Ehegatte dreimal durch die Prüfung gefallen ist und nachweisen kann, dass er über ein Jahr ernsthaft versucht hat, die deutsche Sprache zu erlernen (mittlerweile werden auch schon 6 Monate akzeptiert). Auch wenn eine Krankheit vorliegt und ein Attest vorgelegt wird, welches bestimmte Anforderungen erfüllt, kann eine Ausnahme gewährt werden.

    Oftmals sind die Anforderungen an den Nachweis der deutschen Sprachkenntnisse von der Deutschen Botschaft oder der Ausländerbehörde aber auch zu hoch bemessen. Auch dann kann oftmals noch etwas gegen die Entscheidung vorgebracht werden.

    Auf die einfachen Deutschkenntnisse wird in diesem Artikel noch einmal näher eingegangen.

    Rechtsmittel

    Wird die Erteilung des Heiratsvisums, des Ehegattennachzugs oder der Aufenthaltserlaubnis durch die Botschaft, das Konsulat oder die Ausländerbehörde verweigert, hat der Antragsteller die Möglichkeit, gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel einzulegen.

    Zunächst einmal sollte der Antragsteller eine Remonstration gegen die ablehnende Entscheidung der Botschaft oder des Konsulats einreichen. Die ablehnende Entscheidung wird dann noch einmal genauer durch die Botschaft oder das Konsulat überprüft und es ergeht eine neue Entscheidung. Im Remonstrationsverfahren können auch neue Sachverhalte und Dokumente durch den Antragsteller vorgebracht werden, welche die Botschaft dann berücksichtigen muss.

    Bleibt die Botschaft dennoch bei ihrer ablehnenden Entscheidung, kann eine Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht werden. Denn oftmals bekommt der Antragsteller erst im gerichtlichen Verfahren das beantragte Visum. Ist der Nachzug des Ehegatten aus bestimmten Gründen darüber hinaus besonders dringend erforderlich, kann auch im Falle der Visumversagung die Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht möglich sein. In einem solchen Falle kann die Botschaft dann per Eilverfahren zur Erteilung des Visums verpflichtet werden.

    Remonstration und Klage gegen Ablehnung Visum

    Dauert das Verfahren zu lange (maximal sind eigentlich nur drei Monate erlaubt), kann auch eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Damit kann der Druck auf die Botschaft oder die Ausländerbehörde erhöht werden.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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