Risiko Verpflichtungserklärung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Risiko Verpflichtungserklärung

  1. Ausländerrecht: Wenn der Verpflichtungsgeber von der Stadt wegen Zahlungen an den Flüchtling zur Kasse gebeten wird.

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    Verwaltungsgericht Hannover, 27.04.2018, Az.: 12 A 60/17

    Verpflichtungserklärungen nach § 68 AufenthG sind in entsprechender Anwendung von § 133, 154 BGB unter Würdigung bei der Abgabe zugrundeliegenden Umstände auszulegen. Dabei ist nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgeblich, also wie ihn die Ausländerbehörde bei objektiver Würdigung aller maßgeblichen begleitenden Umstände und des Zwecks der Erklärung verstehen durfte. Hierbei kann auch das spätere Verhalten der Beteiligten als Anhaltspunkt für die Auslegung von belangvoller Bedeutung sein. Hiervon ausgehend endet die im Zusammenhang mit der Niedersächsischen Anordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Absatz 1 AufenthG für syrische Flüchtlinge eingegangene Verpflichtung mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach einer anderen Rechtsgrundlage.Zudem stellt die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge – wie bereits die Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge in den 1990er Jahren – ebenso eine öffentliche Angelegenheit dar, das unter den damals gegebenen Umständen einen atypischen Fall bejaht hat.

    Wenn die Haftung des Verpflichtungsgebers für Leistungen, welche nach diesem Zeitpunkt erbracht worden sind, bei weitem über die Haftung hinausgehen würde, die jedoch nach den Vorstellungen der obersten Landesbehörde gewollt war, handelt es sich einzelfallbezogen um einen atypischen Fall. Dieser hat die Folge, dass die erstattungsberechtigte Behörde im Wege ihres Ermessens zu entscheiden hat, ob und in welcher Höhe der Erstattungsanspruch geltend gemacht wird. Ermessen in dem Sinne bedeutet, dass die Behörde einen Entscheidungsspielraum eingeräumt bekommt. Die gesetzliche Grundlage dafür befindet sich im § 40 VwVfG. Verkennt die Behörde ihr Ermessen oder handelt ermessenfehlerhaft, so ist die betreffende Entscheidung der Behörde als rechtswidrig anzusehen und damit auch aus diesem Grund aufzuheben.

    Sachverhalt: Der Kläger verpflichtete sich mittels einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde am 30.09.2014, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Schwester, einer syrischen Staatsangehörigen, zu übernehmen. Die Verpflichtungserklärung erhielt zur Dauer den folgenden Satz: „vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 01.10.2014 bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.“. Unteranderem unterschrieb der Beklagte in der Verpflichtungserklärung, dass die Verpflichtung im Regelfall mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt werde, endet.

    Die Schwester des Klägers reiste am 09.11.2014 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein. Die Erteilung des Visums hatte die Ausländerbehörde der Beklagten in der Erklärung über die Vorabzustimmung zur Visumerteilung mit angegebene „Aufnahmeordnung Syrien, § 23 Absatz 1 AufenthG“ begründet. Am 19.11.2014 erteilte die Ausländerbehörde der Beklagten der Schwester des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 AufenthG, welche bis zum 18.11.2016 gültig ist. Am 13.10.2015 stellt die Schwester des Klägers einen Asylantrag, woraufhin ihr die Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 28.12.2015 von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugesprochen wurde. Bereits am 13.01.2016 erteilte ihr die Ausländerbehörde eine bis zum 12.01.2019 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 AufenthG zu. In der Zwischenzeit vom 01.01.2016 bis 31.05.2016 erhielt die Schwester des Beklagten von der Stadt Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzes in Höhe von insgesamt 3.513,00 Euro.

    Der Kläger wurde am 24.08.2016 von der Stadt angehört, da diese die gewährten Leistungen an seine Schwester von ihm zurückfordern wollen. Geltend machte der Kläger, dass seine Schwester die Leistungen erst nach ihrer Anerkennung als Flüchtling erhalten habe, sodass seine Verpflichtungserklärung nicht mehr zum Tragen käme. Daraufhin forderte die Stadt namens und in Auftrag der Beklagten mit einem Bescheid vom 14.09.2016 die der Schwester gewährten Leistungen zurück. Entgegnet wurde, dass das in dem fraglichen Zeitraum weder der Aufenthalt der Schwester in Deutschland beendet gewesen sei noch der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt. Vom Kläger wurde ein Widerruf hiergegen erhoben.

    Mit einer Klage wiederholte und begründete der Kläger seine bisherigen Gründe. Ergänzend führte er an, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Absatz 1 Nr. 1 AufenthG diene, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich die Sicherung des Lebensunterhalts voraussetze. Seine Verpflichtungserklärung sei dementsprechend im Zusammenhang mit dem Visum, das seiner Schwester erteilt worden sei, erfolgt. Aus diesem Zweck ergäben sich auch die Grenzen seiner Haftung. Außerdem ende die Haftung, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt wurde und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt werde. Davon sei bei seiner Schwester auszugehen, da diese als Flüchtling anerkannt und ihre eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei.

    Die beklagte Seite führte darauf hin aus, dass die von dem Kläger eingegangene Verpflichtungserklärung nicht mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes oder mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ende. Es handle sich auch nicht um einen atypischen Fall, der sie verpflichten würde, im Wege des pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch geltend gemacht werde, denn der Kläger sei über die Dauer der von ihm eingegangenen Verpflichtung ausreichend belehrt worden.

    Verwaltungsgericht Hannover: Entschieden wurde durch das Verwaltungsgericht Hannover, dass der Bescheid des Beklagten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletze, wenn der Kläger von den Beklagten für mehr als 281,04 Euro herangezogen werde (vgl. § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).

    Gem. § 68 Absatz 1 Satz 1 AufenthG hat derjenige, der sich einer Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentliche Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendung auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruht. Am 30.09.2014 hat sich der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde schriftlich verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Schwester vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 01.10.2014 „bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ zu tragen. Damit ist er eine Verpflichtung nach § 68 Absatz 1 Satz 1 AufenthG eingegangen.

    Die Verpflichtung des Klägers endete auch nicht mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Schwester am 28.12.2015 und erst recht nicht bereits mit der Asylantragstellung, was zur Folge hätte, dass der Kläger die seiner Schwester erst ab dem 01.01.2016 bewilligten Leistungen auch nicht teilweise zu erstatten hätte. Denn nach dem insoweit eindeutigen und keiner Auslegung bedürftigen Wortlaut der Verpflichtungserklärung endete die Verpflichtung erst mit Erteilung eines Aufenthaltstitels (zu einem anderen Aufenthaltszweck).Bei der Aufenthaltsgestattung handelt es sich zudem nicht um einen Aufenthaltstitel, der von der Ausländerbehörde zu erteilen ist. Vielmehr tritt die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Absatz 1 Satz 1 AsylG unter den dort genannten Voraussetzungen kraft Gesetzes ein (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 05.07.2013 – 4 LC 317/11 -, jurisRdnr. 31).

    Die von dem Kläger mit seiner Erklärung vom 30.09.2014 eingegangene Verpflichtung endete allerdings am 12.01.2016 mit der Folge, dass die Beklagte die Erstattung von Leistungen, die sie nach diesem Zeitpunkt erbracht hat, nicht nach § 68 Absatz 1 Satz 1 AufenthG verlangen kann. Denn am 13.01.2016 hat die Beklagte der Schwester des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis „zu einem anderen Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung erteilt. Unter entsprechender Anwendung von §§ 133, 154 BGB ist im Wege der Auslegung der Inhalt der von dem Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung zu ermitteln. Hiernach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an einem Sinne des Erklärten zu haften. Maßgeblich ist allerdings nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger – also vorliegend die Ausländerbehörde – bei objektiver Würdigung aller maßgeblichen Begleitumstände und des Zwecks der Erklärung verstehen durfte(vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 09.12.2015 – 9 C 28.14 -, jurisRdnr. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.07.2017 – 11 S 2338/16 -, jurisRdnr. 29 m.w.N.).Bei der Auslegung dürfen jedoch nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Auf seinen „Horizont“ und seine Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Der Empfänger darf der Erklärung allerdings nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend aber ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (vgl. Palandt/Ellenberger, 77. Aufl. 2018, § 133 BGB Rdnr. 9). Hiernach ist die Erklärung des Klägers so auszulegen, dass seine Verpflichtung bereits mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage endete.

    Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Verpflichtungserklärung, die nach der Aufnahmeanordnung Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 AufenthG war, mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 AufenthG enden sollte, ergibt sich aus der Begründung des Niedersächsischen Innenministeriums dafür, dass es mit der Aufnahmeanordnung vom 22.12.2014 die Kosten für Leistungen bei Krankheit usw. ausdrücklich von der Verpflichtung ausgenommen hat. Dies wurde nämlich damit begründet, dass „diese Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG von den zuständigen Behörden gewährt werden“. Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 AufenthG erhalten jedoch keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und fallen somit nicht unter die Aufnahmeanordnung.

    Vorliegend ergibt sich ein atypischer Fall, denn die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge stellt außerdem zusätzlich eine öffentliche Angelegenheit dar (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 – 1 C 33.97 -, jurisRdnr. 61). Im Folge dessen sollte die mit der Aufnahme verbundenen Lasten und Risiken nach den Vorstellungen des Niedersächsischen Innenministeriums lediglich für einen überschaubaren Zeitraum, nämlich bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage, von Privaten getragen werden. Nach dem – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmenden – Inhalt der Verpflichtungserklärung würde die Haftung des Verpflichtungsgebers jedoch bei weitem über die Haftung hinausgehen als gewollt war. Dies würde vorliegend einen atypischen Fall begründen mit der Folge, dass über das Ob und die Höhe der Erstattung für Leistungen, die nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 AufenthG erbracht worden sind, im Wege einer Ermessensentscheidung zu befinden wäre (vgl. OVG NRW, Urt. v. 08.12.2017 – 18 A 1125/16 -, Rdnr. 60).

    Das Ermessen wurde im vorliegenden Fall hinsichtlich der Erstattung von Leistungen, welche nach dem 12.01.2016 erbracht worden sind, nicht ausgeübt. Deswegen ist der angefochtene Bescheid insoweit ermessensfehlerhaft und aus dem Grund aufzuheben. Da die von dem Kläger mit Erklärung vom 30.09.2014 übernommene Verpflichtung nach der hier vertretenen Auffassung mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 AufenthG am 13.01.2016 endete, kann die Beklagte lediglich die Erstattung von Leistungen verlangen, die der Schwester des Klägers vor dem 13.01.2016 gewährt worden sind. Das sind Leistungen in Höhe von 281,04 Euro.

    Quelle: Verwaltungsgericht Hannover

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  2. Ausländerrecht: Zur Reichweite der Verpflichtungserklärung für syrische Flüchtlinge

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    Verwaltungsgericht Köln, 19.04.2016, Az.: 5 K 79/16

    Die Verpflichtungserklärung ist die schriftliche Zusicherung einer Privatperson, für den Unterhalt eines Ausländers aufkommen zu wollen. Es handelt sich dabei um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Verpflichtungserklärung bedarf der Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) und ist gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären und von dem Gastgeber bei der  Ausländerbehörde persönlich zu unterschreiben.

    Mit der Unterschrift haftet der Verpflichtungsgeber für den Lebensunterhalt des Ausländers inklusive allen Grundbedürfnisse, wie Ernährung, Bekleidung und Wohnraum, sowie für die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Die Verpflichtung kann bei Bedarf auch die Ausreisekosten (z. B. Flugkosten) umfassen, wenn der Ausländer diese nicht selber tragen kann.

    Darüber hinaus sind von der Verpflichtungserklärung auch die Kosten einer eventuell notwendigen zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung z. B. Abschiebung gem. §§ 66 u. 67 Aufenthaltsgesetz erfasst. Dazu gehören z. B. Beförderungs- und Reisekosten, notwendige Begleiter-, Übersetzungs-, Verpflegungs- und Haftkosten. Unter Umständen können somit ganz erhebliche Kosten von dem Verpflichtungsgeber zu zahlen sein.

    Verpflichtungserklärung

    In dem hier besprochenen Fall des Verwaltungsgerichts Köln hatte dieses darüber zu entscheiden, ob ein Verpflichtungsgeber, welcher eine Verpflichtungserklärung für zwei syrische Flüchtlinge abgegeben hatte, dem Jobcenter diejenigen Leistungen zu erstatten hatte, welche das Jobcenter an die Flüchtlinge zahlte.

    (Ein weitere ganz ähnlicher Fall wurde am 01.03.2016 durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden (Az.: 22 K 7814/15))

    Der Fall des gerichtlichen Verfahrens:

    Kläger hatte Verpflichtungserklärung für syrische Flüchtlinge abgegeben

    Der Kläger in diesem Verfahren wurde durch das Jobcenter Leverkusen für die Kosten des Lebensunterhalts zweier syrischer Flüchtlinge in Anspruch genommen, für welche er eine Verpflichtungserklärung abgegeben hatte.

    Diese Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG hatte der Kläger am 06.05.2014 bei der Ausländerbehörde der Stadt Leverkusen abgegeben und sich damit verpflichtet, u.a. die Kosten für den Lebensunterhalt der damals noch in der Türkei befindlichen syrischen Staatsangehörigen K. und C. X. zu tragen.

    Zur Dauer der Verpflichtung des Klägers hieß es in der Verpflichtungserklärung: “vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 06.05.2014 bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.“

    Nach Abgabe der Verpflichtungserklärung reisten die syrischen Staatsangehörigen dann mit einem  Visum der deutschen Botschaft in Ankara am 08.09.2014 in das Bundesgebiet ein und erhielten am 15.12.2014 Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG, gültig bis zum 14.12.2016.

    Am 05.05.2015 stellten die beiden syrischen Staatsangehörigen Asylanträge. Mit Bescheiden vom 23.07.2016 und 11.08.2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) daraufhin beiden die Flüchtlingseigenschaft zu. Am 21.08.2015 bzw. 12.09.2015 erteilte die Ausländerbehörde der Stadt Leverkusen ihnen nachfolgend befristete Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG.

    Flüchtlinge hatten vom Jobcenter SGB II für ihren Lebensunterhalt erhalten

    Im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 gewährte das Jobcenter Leverkusen den syrischen Staatsangehörigen Leistungen nach dem SGB II in Höhe von je 1.706,55 €.

    Nach vorheriger Anhörung des Klägers stellte das Jobcenter Leverkusen mit Bescheid vom 10.12.2015 fest, dass der Kläger aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 06.05.2014 zur Erstattung der an den einen der syrischen Flüchtlinge gewährten Leistungen in Höhe von 1.706,55 € verpflichtet sei und forderte den Kläger daraufhin auf, diesen Betrag an das Jobcenter Leverkusen zu erstatten.

    Jobcenter nimmt Verpflichtungsgeber in Anspruch, dieser klagt dagegen

    Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch und daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht Köln. Mit weiterem Bescheid vom 08.01.2016 forderte das Jobcenter Leverkusen vom Kläger dann auch noch zur Erstattung der an den anderen syrischen Flüchtling gewährten Leistungen in Höhe von 1.706,55 € auf. Dahingehend erweiterte der Kläger seine Klage.

    Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln:

    Das Verwaltungsgericht Köln urteilte nun, dass Die Leistungsbescheide des beklagten Jobcenters rechtmäßig waren und der Kläger die Zahlungen des Jobcenters an die Flüchtlinge zu erstatten habe.

    Verwaltungsgericht Köln sieht Zahlungsverpflichtung des Klägers

    Gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG habe derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet habe, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentliche Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet würden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen würden.

    Hier sei die Verpflichtungserklärung des Klägers im Rahmen der Anordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. September 2013 erfolgt. Nach dieser Aufnahmeanordnung solle syrischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, die infolge des Bürgerkriegs aus ihrem Wohnort fliehen müssten und die Einreise zu in NRW lebenden Verwandten beantragen würden.

    Die Landesanordnung setze allerdings zwingend voraus, dass die in NRW aufenthaltsberechtigten Personen bereit und in der Lage waren, den Lebensunterhalt ihrer Verwandten während des Aufenthalts in Deutschland zu sichern. Dies solle durch die Abgabe der Verpflichtungserklärung sicher gestellt werden.

    Wechsel der Rechtsgrundlage stellt keinen Wechsel des Aufenthaltszwecks dar

    Die vor diesem Hintergrund übernommene Verpflichtung des Klägers sei hier auch nicht deswegen entfallen, weil die Flüchtlinge nicht mehr im Besitz einer auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG sondern nun im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG seien. Nach Auffassung des Gerichts stelle die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG im gegebenen Zusammenhang keinen „Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung dar.

    Bei Auslegung der Verpflichtungserklärung und Ermittlung ihrer durch den Begriff „Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck“ gezogenen Grenzen müsse nämlich nicht die einzelne aufenthaltsrechtliche Vorschrift, sondern der der Erklärung zugrunde liegende Lebenssachverhalt in einem weit gefassten Sinne in den Blick genommen werden.

    Hierfür spreche auch, dass der Verpflichtungsgeber mit den aufenthaltsrechtlichen Detailfragen des geplanten Aufenthalts nicht notwendigerweise vertraut sein müsse, und ihm deshalb eine Erklärung, die letztlich eine juristische Durchdringung des im Aufenthaltsgesetz nunmehr verwirklichten Trennungsprinzips erforderte, nicht unterlegt werden könne.

    Verpflichtungserklärung ist dahingehend auszulegen, dass langfristige Verpflichtung gewollt sei

    Ausgehend davon, seien die Verpflichtungserklärungen des Klägers dahingehend auszulegen, dass er sich verpflichtet habe, den Lebensunterhalt der betreffenden syrischen Staatsangehörigen grundsätzlich für die gesamte Dauer ihres bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen.

    Insofern habe das beklagte Jobcenter auch nicht im Wege einer Ermessensentscheidung über die Heranziehung des Klägers befinden müssen.

    Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass derjenige, der eine Verpflichtungserklärung abgibt, im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen sei, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfe. Ein Regelfall liege vor, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden seien und nichts dafür spreche, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könne.

    Quelle: Verwaltungsgericht Köln

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