verhaltensbedingte Kündigung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: verhaltensbedingte Kündigung

  1. Arbeitsrecht: Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den Grundsätzen für die krankheitsbedingte Kündigung zu beurteilen

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    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 06.09.2012, Az.: 11 Sa 167/12

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    Im Arbeitsrecht gibt es drei Arten von Kündigungsgründen: Betriebsbedingte Kündigung (z. B. wegen Umsatzrückgang, schlechter Auftragslage oder Betriebsrationalisierung) die verhaltensbedingte Kündigung (Trunkenheit des Arbeitnehmers, Tätlichkeiten im Betrieb, etc.) oder die personenbedingte Kündigung (Häufige Krankheiten des Arbeitnehmers, Schlechtleistung, etc.).

    1. Kündigung aus betrieblichen Gründen

    Grund für die betriebsbedingte Kündigung ist in den meisten Fällen ein Umsatzrückgang oder eine sonstige verschlechterte wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers.

    Der Arbeitnehmer ist aber auch in solchen Fällen nicht schutzlos, da der Arbeitgeber dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, eine Sozialauswahl hinsichtlich der Kündigung treffen muss. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber abzuwägen, wer unter den zu kündigenden Arbeitnehmern am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist.

    2. Verhaltensbedingte Kündigung

    Die verhaltensbedingte Kündigung betrifft Pflichtverletzungen die der Arbeitnehmer während der Arbeit begeht.

    Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann oftmals sofort eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden.

    In den meisten Fällen ist jedoch zunächst eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich. Diese Abmahnung muss rechtzeitig, d.h. zeitnah erfolgen und darin muss die Pflichtverletzung konkret bezeichnet werden. Darüber hinaus muss in der Abmahnung angegeben werden, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht.

    Viele Kündigungen scheitern im Rahmen der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht an der fehlenden oder falschen Abmahnung.

    3.  Personenbedingte Kündigung

    Die personenbedingte Kündigung betrifft objektive Gründe die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Häufigster Fall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers.

    Insbesondere die Kündigung wegen häufiger Krankheiten des Arbeitnehmers unterliegt allerdings strengen Voraussetzungen. So muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, durch andere Maßnahmen wie das Einstellen einer Aushilfskraft oder die vorübergehende Umorganisation des Betriebes die Zeit eines krankheitsbedingten Arbeitsausfalls zu überbrücken. Dies allerdings nur insoweit, als es dem Arbeitgeber zumutbar ist.

    In dem oben genannten Fall des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen einer Alkoholkrankheit des Arbeitnehmers und daraus resultierenden Fehlzeiten dessen.

    Sachverhalt: Der 1970 geborene, ledige Kläger war bei der Beklagten (Großbäckerei) seit dem 01.08.1991 zu einer Bruttomonatsvergütung von durchschnittlich 2.600,– EUR beschäftigt.

    Es bestand kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Bei der Beklagten waren mehr als 10 Arbeitnehmer tätig. Ein Betriebsrat existierte nicht.

    Im Jahre 2010 fehlte der Kläger krankheitsbedingt an 105 Arbeitstagen. Um den Jahreswechsel 2010/11 offenbarte der Kläger gegenüber dem Backstubenleiter ein Alkoholproblem. Ab dem 05.01.2012 befand sich der Kläger dann für eine Woche zur stationären Behandlung in einer Fachklinik. Im Anschluss daran war er arbeitsunfähig zu Hause, bevor er ab dem 01.02.2011 eine Rehabilitationsmaßnahme begann. Diese brach er nach 5 Tagen ab. Hieraus resultierten 26 Arbeitstage Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2011.

    Darauffolgend nahm der Kläger zwei Wochen Alturlaub und kehrte dann an den Arbeitsplatz in der Brotabteilung zurück.

    Am 11.03.2011 führte der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Kläger ein Rückkehrgespräch.
    Mit Schreiben vom 15.03.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2011.
    Hiergegen erhob der Kläger am 04.04.2011 Klage vor dem Arbeitsgericht.

    Mitte Juli 2011 arbeitete der Kläger nach Anfrage durch den Backstubenleiter während drei Wochen 6 statt 5 Tage in der Woche.

    Vor dem zunächst angerufenen Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, dass er im Jahr 2010 wegen einer Lungenerkrankung gefehlt habe. Die Rehabilitationsmaßnahme im Februar 2011 habe er aus finanziellen Gründen abgebrochen, da er auf den Arbeitslohn der Beklagten angewiesen gewesen sei. Er sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen und arbeite nach wie vor unbeaufsichtigt.

    Die Beklagte hingegen hat vorgetragen, dass der Kläger im Rückkehrgespräch keine Erklärung für die Unterbrechung des Heilungsprozesses gegeben habe. Er sei weder therapiebereit noch –fähig gewesen, so dass mit zukünftigen Ausfällen wegen der Suchterkrankung gerechnet werden müsse. Es dürfe als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass Alkoholiker unter einem erheblichen Kontrollverlust leiden und ein unbeaufsichtigtes Arbeiten im Produktionsbetrieb unmöglich sei. Hinzu käme, dass die erheblichen Fehlzeiten die Planungssicherheit im Betrieb beinträchtigen würden.

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht gab der Klage des Klägers statt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Das LAG Rheinland Pfalz folgte der Ansicht des Arbeitsgerichts und wies die Berufung ab.

    Nach Ansicht des LAG RP sei eine Kündigung wegen Alkoholsucht nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

    Die krankheitsbedingte Kündigung sei im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden müsse; die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führten und sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergäbe.

    Es sei insofern hier bereits fraglich, ob der kurze Zeitraum von Januar 2010 bis März 2011 ausreichend sei, um hierauf seitens des Arbeitgebers eine negative Gesundheitsprognose stützen zu können.

    In der Regel würden die zurückliegenden zwei bis drei Jahre als Prognosebasis herangezogen. Zwingend sei das allerdings nicht. Eine hinreichende Indizwirkung könne sich auch aus kürzeren Zeiträumen ergeben.

    Doch selbst wenn zugunsten der Beklagten eine negative Gesundheitsprognose aufgrund
    des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme unterstellt würde, so hätte die Beklagte versäumt, ausreichend zu den erheblichen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers vorzutragen.

    Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastungen in Form der zu zahlenden Entgeltfortzahlungskosten seien von der Beklagten gar nicht angeführt worden.

    Soweit sie sich auf betriebliche Beeinträchtigungen berufen hätte, verbliebe ihr Vortrag hierzu abstrakt und damit nicht ausreichend. Es würde kein einziger suchtbedingter Ausfall bzw. keine suchtbedingte Reaktion des Klägers dargestellt, aufgrund derer sie sich verpflichtet sehen musste, die Arbeit des Klägers ständig zu überwachen.

    Der Kläger sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen. Selbst wenn ein singulärer alkoholbedingter Vorfall angeführt worden wäre, hätte das noch nicht die Annahme des Arbeitgebers gerechtfertigt, dieser Vorfall führe – sozusagen zwangsläufig – zu erheblichen betrieblichen Störungen.

    Die angeblich erforderliche ständige Überwachung des Klägers sei nicht konkret dargestellt worden. Es sei mangels Vortrags der Beklagten nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger seit dem Bekenntnis zu seinem Alkoholproblem stärker überwacht werde als seine Arbeitskollegen.

    Jedenfalls könne hiermit kein schwerwiegender Eingriff in die Organisation der Beklagten verbunden sein, denn sie habe es für sich noch als zumutbar erachtet, ihn im Juli 2011 für die Dauer von drei Wochen an 6 statt 5 Wochentagen einzusetzen.

    Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass der Einsatz des Klägers nur noch eingeschränkt möglich sei. Gefährdungen für ihn selbst oder andere durch seine Tätigkeit als Bäcker seien nicht dargelegt worden.

    Ebenso fehle ein konkreter Vortrag zu den Zeiten, in denen der Kläger krankheitsbedingt im Betrieb gefehlt habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht auch zukünftig zumutbar sei, mit den Fehlzeiten des Klägers umzugehen. Soweit sie auf Beeinträchtigungen in der Planungssicherheit des Betriebs verwiesen habe, stelle sie nicht dar, welche konkreten Schwierigkeiten in der Vergangenheit aufgetreten seien und wie sie hiermit umgegangen sei.

    Entgegen der Auffassung der Beklagten reiche es nicht aus, auf den gerichtsbekannten erheblichen Kontrollverlust von Alkoholikern zu verweisen. Auf abstrakte Kriterien allein könne es nicht ankommen, da anderenfalls die zweite Prüfungsstufe der krankheitsbedingten Kündigung bei der Alkoholkrankheit obsolet würde. Dies stände der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die oben zitiert worden ist, entgegen.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Arbeitsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung ist nur bei vorwerfbarer Pflichtverletzung gerechtfertigt.

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    Bundesarbeitsgericht, 03.11.2011, Az.: 2 AZR 748/10

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte Kündigung dann gerechtfertigt, wenn Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung – in Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.

    Verhaltensbedingte Kündigungen können aufgrund verschiedenster Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers erfolgen.

    Nur beispielhaft seien die folgenden Vertragsverletzungen genannt:

    – alkoholbedingtes Fehlverhalten
    – verspätete oder fehlende Krankmeldung
    – eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
    – allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers
    – Tätlichkeiten im Betrieb

    Um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, muss neben der festgestellten Vertragsverletzung, der negativen Prognose und der fehlenden
    Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eine umfassende Interessenabwägung durch den Arbeitgeber erfolgen.

    Im Rahmen der Kündigungsschutzklage prüft das Gericht dann, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zugemutet werden kann.

    Bei der Abwägung werden dann zum Beispiel die Stärke der Pflichtverletzung oder das frühere Verhalten des Arbeitnehmers gewichtet.

    In dem oben genannten Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht nun darüber zu entscheiden, ob eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung darauf gestützt werden konnte, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit unzureichend angezeigt und den Schlüssel eines Dienstfahrzeugs sowie das dazugehörige Fahrtenbuch nicht im Betrieb hinterlegte hatte.

    Sachverhalt: Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz.

    Zuletzt bezog er ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro. Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung.

    Von dem Arbeitgeber war er angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben.

    Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom November 2002 bis Februar 2003 nicht nachgekommen war, hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn abgemahnt und im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen.

    Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte Erfolg, da die Beklagte nicht zu beweisen vermochte, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.

    Vor dem Antritt eines erneuten Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch wiederum nicht im Betrieb hinterlegt.

    In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei.

    Die Beklagte wies den Kläger schließlich an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei dem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.

    Mit Schreiben vom Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten und kündigte gleichzeitig an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn er die Anweisungen weiterhin missachte.

    Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause.

    Zu diesem Zeitpunkt war der Vorgesetzte nicht mehr im Betrieb anwesend.

    Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.

    Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig, zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten aber nicht nahtlos an.

    Auch während seiner Erkrankung gab der Kläger die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.

    Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger unter Anderem. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben.

    Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem, dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.

    Das zunächst mit der Kündigungsschutzklage angerufene Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wiederum wies die Klage auf die Berufung der Beklagten ab. Mit der Revision beim Bundesarbeitsgericht begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

    Bundesarbeitsgericht: Das BAG folgte der Ansicht des Klägers nun und urteilte, dass das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen durfte, dass die Kündigung vom 9. März 2009 aus verhaltensbedingten Gründen gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt sei.

    Das Landesarbeitsgericht habe die Anwendbarkeit von § 1 KSchG unterstellt, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies werde es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.

    Die Begründung des Berufungsurteils halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

    Eine Kündigung sei aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt habe, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten stehe und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheine.

    Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stelle eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermöge.

    Ebenso könne eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen.

    Im vorliegenden Fall könne offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein könne, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar sei.

    Die Beklagte habe derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie werfe dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setze eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar sei.

    Gemessen an diesen Grundsätzen habe das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen habe.

    Der Kläger habe hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein.

    Auf der Grundlage seines Vorbringens sei ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich und deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar gewesen.

    Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, habe unter den behaupteten Umständen nicht vorgelegen.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

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  3. Arbeitsrecht: Für verhaltensbedingte Kündigungen kann unter bestimmten Bedingungen eine vorhergehende Abmahnung erforderlich sein

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    Landesarbeitsgericht Mainz, 18.08.2011, Az.: 2 Sa 232/11

    Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Vorfeld einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber notwendig.

    Dies gilt sowohl für Kündigungen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist als auch für fristlose Kündigungen.

    Sinn solcher Abmahnungen ist es, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu erkennen und zu ändern.

    Dieser soll sich somit in Zukunft entsprechend seines Arbeitsvertrages vertragstreu verhalten und verstehen, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, falls noch einmal eine Pflichtverletzung durch ihn begangen wird.

    Eine Abmahnung kann somit insbesondere in folgenden Fällen notwendig sein:

        • alkoholbedingtes Fehlverhalten
        • keine oder verspätete Krankmeldung
        • eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. unentschuldigtes Fernbleiben
        • allgemeine Schlechtleistung des Arbeitnehmers

    Eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung muss in den folgenden Fällen meistens nicht vorliegen:

        • Diebstahl oder Betrug durch den Arbeitnehmer
        • Tätlichkeiten
        • sexuelle Belästigung

    welche Kündigungsgründe gibt es

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    In dem oben genannten Fall griff der Arbeitnehmer erfolgreich eine gegen ihn erfolgte fristlose Kündigung wegen fehlender Abmahnung an. Die fristlose Kündigung war erfolgt, weil der Arbeitnehmer den Marktleiter des Arbeitgebers mehrfach beleidigt hatte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

    Arbeitnehmer schreit seinen Vorgesetzten an und beleidigt diesen

    Der im Jahre 1975 geborene ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahre 1992 als Einzelhandelskaufmann beschäftigt.

    Am Freitag, den 27.08.2010 begab sich der Kläger gegen 10:30 Uhr zu einem Arzt und kehrte gegen 11:50 Uhr in den Betrieb zurück. Er suchte den Marktleiter auf, dieser war gerade mit einer Warenannahme beschäftigt.

    Er berichtete diesem, dass er krankgeschrieben sei und am Donnerstag einen neuen Arzttermin habe. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte er im Warenannahmebüro ab.

    Kurz darauf kam der Marktleiter in dieses Büro, fand die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor und ließ den Kläger über die Lautsprecheranlage ausrufen. Der Kläger, der sich noch im Betrieb befand, meldete sich von einem internen Apparat in der Nähe des Aufenthaltsraumes.

    Bei dem Telefonat fragte der Marktleiter den Kläger nach dessen Krankmeldung und wie es nun weiterginge, wobei der weitere genaue Inhalt des Telefonats streitig ist.

    Zuletzt schrie der Kläger den Marktleiter mit den Worten an: „Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an.“

    Er legte den Hörer auf und sagte anschließend im Beisein von Mitarbeiterinnen der Beklagten sowie einer Servicekraft der Firma T. einen Satz, der wiederum mit dem Begriff „Wichser“ begann.

    Im Anschluss verließ der Kläger den Markt.

    Der Vorgesetzte nimmt Kontakt zum Betriebsrat wegen der beabsichtigten Kündigung auf

    Drei Tage später übergab der Marktleiter dem Betriebsrat wegen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung den Anhörungsbogen betreffend die außerordentliche Kündigung des Klägers unter Angabe von dessen Sozialdaten, Art und Termin der Kündigung nebst Anlage mit schriftlicher Sachverhaltsschilderung.

    Auf dem Anhörungsbogen wurde von der Betriebsratsvorsitzenden Frau W. mit Datum vom 31.08.2010 erklärt, der Betriebsrat stimme der geplanten Kündigung zu.

    Mit Schreiben vom 01.09.2010, welches dem Kläger am 06.09.2010 zugegangen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich.

    Der Kläger war der Ansicht, dass ein wichtiger Kündigungsgrund trotz seiner Äußerungen nicht vorliege. Er habe den Marktleiter in der Warenannahme die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehrfach hingehalten, sei von diesem jedoch völlig ignoriert worden, worauf er ihm mitgeteilt habe, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Büro abgeben werde.

    Bei dem anschließenden Telefonat habe er sich durch eine Äußerung des Marktleiters, er solle sich schon einmal mit dem Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzender auseinandersetzen und da komme noch etwas, mit einer Kündigungsdrohung konfrontiert gesehen.

    Arbeitnehmer entschuldigt seine Beleidigung durch eine Kündigungsandrohung seines Vorgesetzten

    Hierüber sei er so aufgeregt und erbost gewesen, dass er diese Äußerung gemacht habe. Nach dem Auflegen des Hörers sei er immer noch in hohem Maße erregt gewesen und habe nicht zu Dritten, sondern laut vor sich hingesagt, dass „dieser Wichser ihn wegen dem „Gelben“ kündigen wolle.“

    Insofern vertrat der Kläger die Auffassung, es handele sich um ein Augenblicksversagen, verursacht durch Provokation und Androhung der Kündigung.

    Das Vorliegen der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung bestritt der Kläger mit Nichtwissen.

    Die Beklagte wiederum war der Ansicht, dass der Marktleiter den Kläger in der Warenannahme nicht ignoriert, sondern keine Zeit gehabt habe, mit ihm ein Gespräch über seine Arbeitsunfähigkeit zu führen.

    In dem anschließenden Telefonat habe der Marktleiter in ruhigem, sachlichen Ton gefragt, wie es denn nun mit der Erkrankung weitergehe. Er habe dem Kläger angeboten, sich noch mal bei dem Betriebsrat über die korrekte Vorgehensweise bei einer Krankschreibung beraten und helfen zu lassen.

    Der Kläger habe ihn kaum zu Wort kommen lassen und mit den bereits dargestellten Worten angeschrien. Nach Auflegen des Hörers habe er zwei Pizzen, die er aus dem Markt genommen habe, auf den Boden geworfen und aus voller Brust gebrüllt: „Der Wichser, er hat sie doch nicht mehr alle“ und „Dann sollen die Arschlöcher mich doch rauswerfen.“

    Das zunächst angerufene Arbeitsgericht sah keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung

    Das Arbeitsgericht entsprach der Kündigungsschutzklage mit der Argumentation, dass ein wichtiger Grund hier nicht vorgelegen habe.

    Zwar handele es sich bei dem Verhalten des Klägers um eine grobe Pflichtverletzung, die außerordentliche Kündigung sei jedoch aufgrund der konkreten Umstände nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerechtfertigt.

    Denn auch bei verhaltensbedingter Kündigung gelte das sog. Prognoseprinzip. Die Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setze somit regelmäßig eine Abmahnung voraus.

    Gegen die Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim LAG Mainz ein.

    Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz:

    Auch das Landesarbeitsgericht sah keinen ausreichenden Grund für die Kündigung

    Das LAG Mainz folgte ebenfalls der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts.

    Das Arbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der Kündigung auf zwei tragende Erwägungen gestützt, nämlich einmal die Erforderlichkeit einer vorherigen vergeblichen Abmahnung und zum zweiten, selbst wenn eine Abmahnung nicht notwendig gewesen wäre, auf eine Interessenabwägung, die nicht das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend erscheinen lasse.

    Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Abmahnung im Einzelfall auch als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.

    Dies sei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bewerten.

    Hierzu habe das Arbeitsgericht zutreffend auf die Ausnahmesituation hingewiesen.

    Vielmehr sei hier eine Abmahnung das Mittel der Wahl gewesen

    Der Kläger konnte und durfte insofern zu Recht die Äußerung des Marktleiters, er solle sich einmal vom Betriebsrat bei der Vorgehensweise einer Krankschreibung beraten lassen, als Kritik an seinem Verhalten ansehen.

    Dies gelte umso mehr, als für die Kammer absolut nicht nachvollziehbar sei, welches Fehlverhalten hier dem Kläger zu Last gelegt werden sollte.

    Der Kläger habe, nachdem er eine ärztliche Untersuchung vorgenommen hatte, sich sofort in den Betrieb begeben, seine Arbeitsunfähigkeit angezeigt (also berichtet, dass er arbeitsunfähig ist) und seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen (in dem er eine Krankmeldung im Betrieb hinterlegte).

    Die vom Marktleiter in der mündlichen Verhandlung angesprochene Verpflichtung des Klägers zu einem Gespräch mit dem Marktleiter über den Stand der Krankheit sei nicht nachvollziehbar.

    Sie könne sich insbesondere auch nicht aus einem Aushang, welcher mit dem Betriebsrat verfasst sein sollte, ergeben.

    Die Pflichten eines Arbeitnehmers im Krankheitsfalle seien im Entgeltfortzahlungsgesetz abschließend geregelt.

    Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Prüfung, ob eine etwa umzudeutende ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen wäre, sei in ihrem Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

    Die ordentliche Kündigung sei schon deswegen rechtsunwirksam, weil sie gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ausgesprochen werden konnte.

    Im Übrigen habe sich die Beklagte auch nicht hilfsweise auf eine ordentliche Kündigung berufen.

    Quelle: Landesarbeitsgericht Mainz

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