Verwertungskündigung Köln Rechtsanwalt Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
Rechtsanwalt Tieben

Rechtsanwalt Helmer Tieben
Beratung unter:
Tel.: 0221 - 80187670

Tag Archive: Verwertungskündigung Köln Rechtsanwalt

  1. Mietrecht: Nur Vermieterinteressen bei der Interessenabwägung im Rahmen der Verwertungskündigung maßgeblich

    Leave a Comment

    Bundesgerichtshof, 27.09.2017, Az.: VIII ZR 243/16

    Nach § 573 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Aufgrund der sozialen Bedeutung der Wohnung für den Mieter als Lebensmittelpunkt ist daher ein Interesse von Gewicht notwendig. Jedoch darf diese Voraussetzung nicht dazu führen, dass in die Substanz des Eigentums des Vermieters, demnach in die Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis eingriffen wird. § 573 Abs. 1 BGB enthält eine beispielhafte Aufzählung von Gründen, bei denen ein besonderes Interesse des Vermieters anzunehmen ist. So ist in Nr. 1 die Kündigung wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters angeführt, in Nr. 2 die Eigenbedarfskündigung und in Nr. 3 die Verwertungskündigung. Letztere regelt die Realisierung der wirtschaftlichen Verwertung eines in der Mietsache innewohnenden Wertes. Sie umfasst den Abriss und Neubau, aber auch den Umbau und Verkauf der Mietsache.

    In dem nachstehenden Urteil geht es um eine Räumungsklage und um die Frage, ob auf dem Wege der Interessenabwägung bei der Verwertungskündigung neben den Mieter- und Vermieterinteressen auch die Interessen von Dritten zu berücksichtigen sind.

    Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Herausgabe und Räumung der streitgegenständlichen Wohnung. Die Beklagten schlossen am 01.12.2012 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Mietvertrag über eine ca. 190 m² große Wohnung in einem Wohn- und Geschäftsgebäude. Die monatliche Nettomiete beträgt 850,00 EUR. Andere Räumlichkeiten des Hauses waren an eine Ärztin und einen Apotheker verpachtet. Im Jahr 2015 erwarb die Klägerin das Grundstück und wurde Vermieterin der Beklagten. Darüber hinaus ist die Klägerin Eigentümerin des Nachbargrundstücks, welches an die S. GmbH & Co. KG verpachtet ist, die dort ein Modegeschäft betreibt.

    Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 29.06.2015 das Mietverhältnis nach § 573 Abs. 1 Nr. 3 BGB ordentlich zum 30.09.2015. Als Begründung führt sie aus, dass das Gebäude abgerissen werden solle, damit neue Gewerberäume zur Erweiterung des Modegeschäfts der S. GmbH & Co.KG erfolgen könne. Nur durch dieses Vorgehen sei eine wirtschaftliche Verwertung möglich, insbesondere da hierdurch ein deutlich höherer Ertrag zu erwirtschaften sei, als bei Fortführung der bisherigen Mietverhältnisse. Bei Fortsetzung des Mietverhältnisses sei die Klägerin an einem Abriss gehindert, was einen erheblichen Nachteil darstelle.

    Im Weiteren sprach die Klägerin wegen verschiedener angeblicher Vertragsverletzungen die Kündigung aus.

    Die Klage ist auf Räumung und Herausgabe gerichtet und hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte nunmehr die Abweisung der Klage.

    Bundesgerichtshof: Die Revision ist zulässig und hat Erfolg. Das Berufungsgericht (LG Waldshut-Tiengen – 2 S 7/16) hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass der Klägerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nach §§ 546 Abs. 1, 985 BGB habe. Die ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB wirksam beendet.

    Die von der Klägerin gewünscht wirtschaftliche Verwertung beruhe auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen. Im Zuge der Interessenabwägung käme man zu dem Ergebnis, dass die Nachteile die bei Fortbestand des Mietverhältnisses entstehen würden, höher zu gewichten seien, als das Bestandsinteresse der Beklagten. Hierbei seien neben den Belangen der Klägerin auch die der S. GmbH & Co.KG zu berücksichtigen, da aufgrund der Geschäftsführerposition der Klägerin eine persönliche Verflechtung bestünde. Daher müsse die zukünftige Existenzfrage, die aufgrund der Erweiterung entstünde, mitberücksichtigt werden. Bei Fortbestand des Mietverhältnisses sei hier auch ein erheblicher Nachteil zu sehen.

    Im Weiteren müsse sich die Klägerin auch nicht darauf verweisen lassen, dass eine Erweiterung auf andere Weise möglich wäre. Denn die Erweiterung des Geschäfts durch die Verwendung des streitgegenständlichen Grundstücks stelle eine gut zu realisierende Möglichkeit dar, während die anderen Varianten mit wesentlich größeren Schwierigkeiten und Kosten verbunden seien.

    Letztlich müsse sich die Klägerin ebenso nicht entgegenhalten lassen, dass sie das Anwesen aufgrund längerfristig bestehender Pachtverhältnisse derzeit ohnehin nicht abreißen könne. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei bereits fraglich, ob die Kausalität zwischen der Fortsetzung des Mietverhältnisses und der Verhinderung der Verwertung überhaupt dadurch ausgeschlossen werden könne, dass auch andere Pachtverhältnisse, die ebenfalls gekündigt seien oder gekündigt werden sollen, weitere Hindernisse darstellen würden.

    Hiergegen spreche, dass ansonsten die Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung bei größeren Einheiten erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich werde. Auf jeden Fall sei vorliegend gegen die Pächterin der Arztpraxis zwischenzeitlich ein Räumungsurteil ergangen, so dass in dem Gebäude kein längerfristiges Pachtverhältnis mehr bestehe, welches einem Abriss entgegenstehen könne.

    Diese Beurteilung des Berufungsgerichts halte nach Ansicht des Revisionsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung vom 29.06.2015 beendet worden. Die Einschätzung, dass die von der Klägerin vorgetragenen Gründe eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB rechtfertigen würden, sei in mehrfacher Hinsicht mit Rechtsfehlern behaftet.

    Zunächst gehe das Berufungsgericht richtigerweise davon aus, dass der geplante Abriss des Gebäudes, um ein Objekt mit Gewerberäumen zur Erweiterung des benachbarten Modegeschäfts zu errichten und auf diese Weise höhere Pachteinnahmen zu erzielen, eine angemessene wirtschaftliche Verwertung darstelle und von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen sei. Jedoch seien nach Ansicht des BGHs bei Fortbestand des Mietverhältnisses keine erheblichen Nachteile zu erwarten.

    Der Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB setze einerseits voraus, dass der Vermieter durch das bestehende Wohnraummietverhältnis an einer wirtschaftlichen Verwertung „des Grundstücks“, also an einer Realisierung des diesem innewohnenden materiellen Werts, gehindert sei (vgl. BGH – VIII ZR 188/03). Eine wirtschaftliche Verwertung liege anderseits auch dann vor, wenn das Gebäude mit der Mietwohnung zunächst abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werde, der dann veräußert – oder wie vorliegend – vermietet beziehungsweise verpachtet werden soll (vgl. BGH – VIII ZR 8/08).

    Die von der Klägerin geplante wirtschaftliche Verwertung sei auch angemessen. Sie sei, wie das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt habe, von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen.

    Ebenso handele es sich nicht um eine reine unzulässige Vorratskündigung. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an der alsbaldigen Umsetzung ihrer im Kündigungsschreiben genannten Pläne interessiert sei. Insbesondere habe sich die Klägerin nach dem Erwerb des Grundstücks im Jahr 2015 im darauffolgenden Jahr um die Beendigung der bestehenden Pachtverhältnisse durch Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung bemüht und das Mietverhältnis mit den Beklagten am 29.06.2015 unter Hinweis auf eine schon vorliegende Abrissgenehmigung und die bereits laufenden Vorbereitungen der Bauantragsunterlagen gekündigt.

    Jedoch sei die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin bei Fortbestand des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile entstünden rechtsfehlerhaft.

    Nach der Rechtsprechung des Senats sei die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewähre dem Vermieter vor diesem Hintergrund hingegen keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeit, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen würden. Denn auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung sei Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Folglich begründe nicht bereits jeder aus dem Fortbestand des Mietverhältnisses dem Vermieter erwachsende wirtschaftliche Nachteil einen Anspruch des Vermieters auf Räumung der Mietwohnung (vgl. BGH – VIII ZR 45/16).

    Anderseits dürfe die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch auch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigen, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen würden. Daher sei im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen.

    Das Berufungsgericht habe darauf abgestellt, dass sich die Klägerin mit der beabsichtigten Verwertung langfristig die Pachteinnahmen aus allen in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken „sichere“ und es sich bei der Erweiterung des Modegeschäftes um eine „existentielle Frage“ handele. Tatsächliche Umstände seien jedoch weder festgestellt noch vorgetragen worden. Es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, inwieweit bei dem jetzigen „Ist-Zustand“ konkrete Nachteile für die Klägerin eintreten würden. Die pauschale Betrachtungsweise des Berufungsgerichts habe zu Folge, dass jede Einschränkung der freien Verfügung des Eigentümers über sein Wohneigentum einen erheblichen Nachteil darstelle. Dies sei mit der Interessenabwägung jedoch nicht vereinbar. Hierfür seien konkrete wirtschaftliche Nachteile erforderlich.

    Im Weiteren seien die Belange der S. GmbH & Co.KG im Zuge der Verwertungskündigung nicht zu berücksichtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. BGB sei nur das Interesse des Vermieters maßgeblich und nicht inwieweit Belange Dritter beeinträchtigt seien. Mithin seien nur solche Nachteile zu berücksichtigen, die dem Vermieter ansich entstünden.

    Darüber hinaus habe das Berufungsgericht übersehen, dass gemäß § 573 Abs. 3 S. 1 BGB bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung nur die Gründe berücksichtigt werden können, die innerhalb des Kündigungsschreibens angegeben würden. Die Interessen der Schwestergesellschaft an einer Sicherung ihrer Existenzgrundlage seien aber in dem Kündigungsschreiben gerade nicht aufgeführt worden. Vielmehr sei darin als Kündigungsgrund lediglich angegeben, die Klägerin wolle durch den geplanten Neubau höhere Pachteinnahmen erzielen; insoweit handele es sich jedoch um einen anderen Kündigungsgrund als die später geltend gemachte Sicherung der Existenzgrundlage des von der Schwestergesellschaft betriebenen Modegeschäfts.

    Das streitgegenständliche Berufungsurteil erweise sich auch aus anderen Gründen nicht als richtig (§ 561 ZPO).

    Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung der Klägerin sei die von ihr erklärte Kündigung auch nicht durch die Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB begründet. Eine Kündigung nach der Generalklausel komme nur in Betracht, wenn die für die Kündigung maßgeblichen Gründe ebenso schwer wiegen wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe. Die Frage, ob insoweit die wirtschaftlichen Interessen einer von der Vermietergesellschaft verschiedenen, aber mit ihr verflochtenen „Schwestergesellschaft“ ein berechtigtes Interesse von einem solchen Gewicht überhaupt begründen können ist bereits fraglich. Die Frage bedürfe vorliegend jedoch keiner Beantwortung, da die Kündigungserklärung vom 29.06.2015 nicht auf gewichtige Interessen der Schwestergesellschaft gestützt worden sei.

    Aufgrund der vorgenannten Ausführungen könne das Berufungsurteil keinen Bestand haben und sei daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 BGB).

    Quelle: Bundesgerichtshof

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Mietrecht.

  2. Mietrecht: Keine Annahme eines erheblichen Nachteils gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB bei lediglich geringen Verlust des Vermieters

    Leave a Comment

    Landgericht Heidelberg, 14.11.2017, Az.: 5 S 59/16

    Nach § 573 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis ordentlich kündigen, sofern er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt unter anderem dann vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. Hierbei ist zu beachten, dass ein erheblicher Nachteil nicht immer unmittelbar wirtschaftlicher Natur sein muss. Auch die fehlende Möglichkeit, den Wohnraum modernen Wohnverhältnissen anzupassen, mit der Folge, dass spätere Vermietungen verhindert werden, kann erhebliche Nachteile darstellen.

    Die zu erleidenden Nachteile muss der Vermieter spätestens im Prozess unter Aufzeigung seiner finanziellen Verhältnisse darlegen.

    Ist die ordentliche Kündigung rechtmäßig, so kann der Vermieter nach §§ 546, 985 BGB die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen.

    Im nachstehenden Urteil geht es um die Frage, ob eine reine nachvollziehbare und vernünftige wirtschaftliche Umbauerwägung des Vermieters unter Zugrundelegung des größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteils des Vermieters das Bestandsinteresse des Mieters überwiegen lässt.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Klägerin kaufte im Jahr 2011 das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in Heidelberg und wurde am 20.06.2012 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Beklagte bewohnt im Obergeschoss des Mehrfamilienhauses seit dem 01.11.1999 eine Wohnung und bezahlt hierfür 483,75 EUR einschließlich Betriebskosten. Im Obergeschoss befindet sich darüber hinaus noch ein nicht mitvermieteter Abstellraum und über diesem Geschoss ein nicht ausgebauter Dachspitz mit ungedämmten Dach.

    Vermieterin kündigt Wohnung wegen Kosten für die Sanierung und Umbau

    Im Anschluss an eine erforderlich gewordene Reparatur des Daches, ließ die Klägerin Pläne für eine Maisonette-Wohnung von 114,66 m² anfertigen. Für diese sollte die bisherige Aufteilung von Wohnung, Abstellraum und Spitzboden wegfallen. Hierfür kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2014 das Mietverhältnis mit der Beklagten und begründete dies mit den Kosten für die Sanierung und den Umbau. Am 18.09.2014 wurde für den Umbau die dem Denkmalschutz entsprechende Zustimmung erteilt und am 22.10.2014 die Baugenehmigung, wobei beide Bescheide Auflagen enthielten.

    Die Klägerin begehrt mit der Klage die Beklagte zu verurteilen die streitgegenständliche Wohnung zu räumen und herauszugeben. Hierfür trägt sie vor, dass bei Beibehaltung des bisherigen Grundrisses eine umfassende Erneuerung des Daches und der Umbau des Spitzbodens zu einer Wohnung mindestens 87.526,46 EUR kosten würden, wobei sich bei diesem Plan kein Nutzen für sie ergebe. Der Umbau zur Maisonette-Wohnung koste zwar 276.710,70 EUR, wurde sich dann aber durch die zu erwartende Kaltmiete von 1.720,00 EUR schnell amortisieren.

    Mieterin widerspricht Kündigung und sieht Verwertungsabsicht als vorgeschoben an

    Die Beklagte erwiderte hierauf, dass die Verwertungsabsicht lediglich vorgeschoben und das Bauvorhaben nicht zu realisieren sei. Im Weiteren habe das Kündigungsschreiben keine hinreichende Begründung enthalten.

    Das Amtsgericht hat daher Beweis erhoben, woraufhin die Beklagte antragsgemäß verurteilt wurde. Hierbei geht das Amtsgericht davon aus, dass die Klägerin den Umbau ernstlich vorhabe und die behördlichen Auflagen mit der Planung konform liefen. Die Verwertung sei daher nach Ansicht des Amtsgerichts angemessen und die Kündigung verfolge auch nicht nur den Zweck einer Mieterhöhung. Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses würden der Klägerin erhebliche Nachteile entstehen.

    Gegen das stattgebende Räumungsurteil reicht die Mieterin Berufung ein

    Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden Berufung. Durch die Berufungsbegründung macht sie verschiedene Verfahrensfehler geltend. Zum Sachverhalt trägt sie vor, dass die Kündigung nicht ausreichend begründet gewesen sei. Im Weiteren liege keine ernstliche Verwertungsabsicht vor. Insbesondere im Hinblick auf die fehlende Baufreigabe. Die Maisonette-Wohnung stelle eine nicht angemessene „Luxusmodernisierung“ dar.

    Berufungsurteil des Landgerichts Heidelberg

    Das Landgericht Heidelberg urteilte nun, dass die Berufung zulässig und begründet sei. Die Klägerin (Berufungsbeklagte) habe keinen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach §§ 566 Abs. 1, 546 Abs. 1 BGB.

    LG Heidelberg sieht Kündigung als unwirksam an

    Die am 13.05.2014 ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis nach § 543 Abs.1, 2 BGB nicht beendet, da der Kündigungsgrund nicht bestanden habe.

    Die Kündigung sei zwar formell wirksam gewesen und habe auch eine ordnungsgemäße Begründung enthalten, jedoch erlitte die Klägerin als Vermieterin durch den Fortbestand des Mietverhältnisses keine erheblichen Nachteile im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

    Das Amtsgericht habe zwar zu Recht angenommen, dass der Bestand des Mietverhältnisses einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung entgegenstehe und die Kündigung nicht nur zum Zwecke der Mieterhöhung erfolgt sei. Auch sei es eine vernünftige und nachvollziehbare Erwägung, dass man anlässlich einer Erneuerung und energetischen Sanierung des Daches neuen und modernen Wohnraum schaffen möchte. Angesichts der vorgelegten Unterlagen konnte das Amtsgericht auch davon ausgehen, dass die Umbauten -unter Erhaltung des Dachstuhls- rechtlich und tatsächlich zulässig und ernsthaft geplant seien.

    Keine erheblichen Nachteile für die Vermieterin bei Nichtkündigung

    Jedoch seien bei der Hinderung der geplanten Verwertung keine erheblichen Nachteile für die Klägerin im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu erwarten.

    Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entstehe, sei vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und dem damit einhergehenden Bestandsinteresse des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewähre dem Vermieter insoweit keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung sei Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Jedoch dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen würden (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1517).

    Demnach reiche nicht die Annahme, dass ein erheblicher Nachteil alleine daraus erwachse, dass die Klägerin ihren geplanten Umbau nicht in der Art und Weise beim Fortbestand des Mietverhältnisses umsetzen könne. Vielmehr sei hierfür eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Die reine Nachvollziehbarkeit der geplanten „Ideallösung“ könne aber nicht ausschlaggebend sein.

    Hiernach wögen unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles die Nachteile der anderen Verwertungsvarianten, wie kleinere Dachreparaturen nur anlässlich jeweils auftretender Undichtigkeiten einerseits oder Erneuerung des gesamten Daches unter Erhalt der bisherigen Raumaufteilung andererseits, gegenüber der angestrebten weitergehenden Lösung nicht so schwer, dass sie als „erheblich“ anzusehen seien. Etwas Anderes wäre nur anzunehmen, wenn eine Erneuerung nicht -wie vorliegend- nur wirtschaftlich sinnvoll erscheine, sondern zwingend erforderlich sei, da anderenfalls eine Substanzverschlechterung zu erwarten wäre.

    Mithin sei bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nicht einer plötzlichen, zumindest unerwarteten Verschlechterung der Bausubstanz gegenübersähe, sondern diese das Grundstück mit der Wohnung im heutigen baulichen Zustand erworben habe, nämlich mit fehlender Dachdämmung, alter Dachbedeckung und dem bekannten Zuschnitt der Räume. Die Wohnung selbst sei zu diesem Zeitpunkt bereits vermietet gewesen, sodass dem Grundstück daher von Anfang an der durch die Vermietung begründete Minderwert anhaftete (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2008 – VIIIZR 254/06).

    Wirtschaftliche Folgen für die Vermieterin nur minimal

    Letztlich seien die wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin nur minimal. Insbesondere, da auch unter Beachtung der Verhinderung des größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteils der Klägerin, die Nachteile dieser weder für sich genommen noch gemeinsam so schwer wiege, als dass in der Interessenabwägung dies das Bestandsinteresse der Beklagten übersteigen würde und damit als erheblich anzusehen wäre.

    Daher sei im Hinblick auf die umfassende Interessenabwägung und dem in diesem Zuge überwiegende Bestandsinteresse der Beklagten der Berufung stattzugeben.

    Quelle: Landgericht Heidelberg

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

    Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Mietrecht.