Wann muss ein straffälliger Ausländer ausgewiesen werden? Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Wann muss ein straffälliger Ausländer ausgewiesen werden?

  1. Ausländerrecht: Muss sich ein Ausländer die Straffälligkeit seines Ehegatten zurechnen lassen

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    Verwaltungsgericht Stuttgart, 12.06.2019, Az. 8 K 19641/17

    Erhält ein gut integrierter ausländischer Minderjähriger eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, können auch die Eltern eine solche beantragen. Dies liegt am schützenswerten Interesse der Eltern, mit ihrem Kind zusammenzuwohnen. Im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) findet sich daher die Regelung des § 25a II AufenthG, der den Eltern einen Anspruch einräumt, sofern sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Der Gesetzgeber hat allerdings festgelegt, dass dies nicht für straffällig gewordene Eltern gelten soll. Außerdem muss das Kind minderjährig sein. Nun mag es vorkommen, dass nur ein Elternteil straffällig geworden ist, während sich der andere nichts hat zu Schulden kommen lassen. Soll dann beiden Elternteilen die Aufenthaltsgenehmigung verwehrt werden oder nur dem Straffälligen? Und kommt es bei der vorausgesetzten Minderjährigkeit des Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder der Entscheidung an? Dies ist deshalb relevant, da solche Verfahren oftmals über längere Zeiträume andauern.

    Im nachstehenden Urteil stellt das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart) klar, dass sich ein Ausländer die Straffälligkeit seines Ehepartners nicht zurechnen lassen muss. Ferner erläutert es, dass eine ggf. notwendige Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis ausreicht und nicht noch zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein muss.

    Sachverhalt: Im vorliegenden Fall streiten die Parteien um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Kläger sind ein Ehepaar, Beklagte eine Ausländerbehörde.

    Beide Kläger sind türkische Staatsangehörige, sind seit 1987 und 1994 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und haben 3 gemeinsame in Deutschland geborene Kinder (27, 21 und 19 Jahre alt). Im Januar 2011 ziehen sie mit den beiden jüngeren Kindern in die Türkei, kehren jedoch bereits im November 2011 ohne Visum zurück. Bei der Rückkehr wird die Mutter am Flughafen festgenommen, da sie vor der Ausreise mehrfach straffällig geworden ist und noch offene Haftstrafen ausstanden, die sie bis Mai 2012 verbüßt. Zuvor war sie bereits mehrfach zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Am 7.2.2013 teilt die Ausländerbehörde dem Ehepaar mit, dass ihre Aufenthaltserlaubnis erloschen sei, wogegen sie am 18.2.2013 Klage erheben. Sie begehren die Feststellung des Nichterlöschens, bekommen jedoch nicht Recht. Zur Begründung heißt es, dass die Familie nicht vorübergehend, sondern dauerhaft in die Türkei ziehen wollte. Ihnen wird anschließend eine befristete Duldung ausgestellt.

    Im Jahr 2014 beantragen sie für sich und ihre Kinder eine Aufenthaltsgenehmigung hinsichtlich Art. 8 I EMRK und eine Arbeitserlaubnis. Dem Antrag kommt die Behörde nicht nach.

    Im August 2016 erteilt die Behörde beiden Kindern befristete Aufenthaltserlaubnisse auf Grundlage des geänderten § 25a AufenthG, die später bis ins Jahr 2020 verlängert werden.

    Ferner erbittet die Ausländerbehörde die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 25 V AufenthG an die Eltern. Darin erwähnt sie außerdem, dass für die Eltern eine Erteilung nach § 25a II AufenthG nicht in Frage kommt. Dies begründet sie mit dem Ausschluss des § 25a III AufenthG, der aufgrund der straffällig gewordenen Mutter greife. Die Zustimmung wird verweigert, da § 25a II AufenthG spezieller zu § 25 V AufenthG sei, § 25a II AufenthG jedoch ausgeschlossen sei.

    Der Vater verwiest darauf, dass er sich die Straftaten seiner Ehefrau nicht zurechnen lassen müsse und er den Lebensunterhalt durch seine Arbeit sicher könne. Die Behörde sieht ebenfalls alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a II AufenthG erfüllt. Sie ist jedoch der Auffassung, dass sich der Vater die Straffälligkeit der Mutter zurechnen lassen muss. Dies begründet sie mit dem Wortlaut, nach dem die Aufenthaltserlaubnis nur „den Eltern“ gemeinsam erteilt werden könne und deshalb bei Straffälligkeit eines Elternteils auch gemeinsam verwehrt werden müsse. Sie argumentiert weiter damit, dass die Erteilung nur an den Vater dazu führen würde, dass die Mutter aus dem Schutzgedanken des Art. 6 GG ebenfalls ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte. Das würde zum Leerlaufen des § 25a III AufenthG führen.

    Die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 25b AufenthG wird abgelehnt, da sich die Kläger nicht lang genug in Deutschland aufhalten. Somit sieht die Behörde nur die Möglichkeit eine Duldung nach § 60 IIb AufenthG auszusprechen.

    Hiergegen erhebt das Ehepaar Klage und beantragt die Behörde zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für beide Ehepartner zu verpflichten. Die Behörde beantragt Abweisung der Klage.

    Verwaltungsgericht Stuttgart: Das VG Stuttgart gibt der Klage bezüglich einer Aufenthaltsgenehmigung für den Vater statt, weist sie für das Anliegen der Mutter ab.

    So habe der Vater einen Anspruch aus § 25a II AufenthG, dem § 25a III AufenthG nicht entgegensteht. Nach § 25a II AufenthG steht den Eltern eines minderjährigen Ausländers ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu, wenn der Minderjährige eine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, […] und der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist.

    Zur Prüfung stellt das Gericht zunächst klar, dass der inzwischen 19-jährige Sohn mit Aufenthaltsgenehmigung nach § 25a I AufenthG dennoch als minderjährig gilt, da auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist. Dass für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge nach §36 I AufenthG etwas anderes gilt, hängt mit den unterschiedlichen Schutzrichtungen der Normen und der fehlenden Vergleichbarkeit der Fälle zusammen. So diene das Nachzugsrecht aus § 36 I AufenthG zum Schutz des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings, während § 25a AufenthG dem Schutz des Interesses der Eltern am Zusammenleben mit ihrem Kind dient. Ferner sei die Situation der Familie nicht mit der eines unbegleiteten Flüchtlings zu vergleichen, da sie schonmal für längere Zeit zusammen in Deutschland gewohnt haben. Somit sei das Tatbestandsmerkmal „Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltsgenehmigung nach Absatz 1 besitzt“ erfüllt.

    Auch könne der Vater durch seine Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt der Familie sichern.

    Außerdem stellt das Gericht klar, dass sich der Vater die Straffälligkeit seiner Ehefrau nicht zurechnen lassen muss und daher der Ausschlussgrund in § 25a III AufenthG für ihn nicht greift. So spricht § 25a III AufenthG nur vom Ausschluss für einen straffällig gewordenen Ausländer, was für den Vater nicht zutrifft. Eine Zurechnungsvorschrift, dass sich Ehegatten die Strafbarkeit des jeweils anderen zurechnen lassen müssen, sei nicht ersichtlich und auch nicht in den Gesetzgebungsmaterialien zu finden. Die Gefahr, dass die Mutter einen Anspruch aus Art. 6 GG ableiten könnte und § 25a III AufenthG leerliefe hält das Gericht für unbeachtlich, da es so einen Anspruch nicht annimmt.

    Dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe ebenfalls nicht entgegen, dass der Vater 2011 ohne Visum nach Deutschland eingereist ist, da den Umständen nach eine Pflicht zur Nachholung des Visumverfahrens iSd. § 5 AufenthG nicht verhältnismäßig wäre.

    Da somit alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und dem Anspruch nichts entgegensteht, verpflichtet das Gericht die Ausländerbehörde zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 25a II AufenthG an den Vater.

    Der Mutter dagegen spricht das Verwaltungsgericht weder einen Anspruch aus § 25a II AufenthG, noch aus § 25b AufenthG, noch aus § 25 V AufenthG zu.

    • 25a II AufenthG steht § 25a III AufenthG entgegen, da die Mutter entsprechend straffällig geworden war und die Aufenthaltsgenehmigung deshalb nicht erteilt werden kann.
    • 25b I 1 AufenthG steht entgegen, dass die Mutter nicht lang genug in Deutschland mit ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat und dabei ununterbrochen geduldet war.
    • 25 V AufenthG sei dagegen nicht anwendbar, da § 25 II, III AufenthG spezieller sind und vorgingen. Für einen ausnahmsweisen Rückgriff auf § 25 V AufenthG im Hinblick auf Art. 8 EMRK sieht das Gericht keinen Raum, da die Klägerin zu viele Straftaten begangen hat und die Möglichkeit der Duldung nach § 60 IIb AufenthG besteht.

    Es sieht daher für die Mutter keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gegeben und weist die Klage diesbezüglich ab.

    Quelle: VG Stuttgart

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  2. Ausländerrecht: Keine Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG

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    Verwaltungsgericht München, 01.07.2017, Az.: M 25 K 15.5908

    Nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Darüber hinaus ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt hat.

    Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ein längerfristiges Ausreisehindernis ist unter anderem bei längeren Gefängnisaufenthalten oder bei Unterbringungen in psychiatrischen Einrichtungen anzunehmen.

    Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis trotz mehrfacher Verurteilung und einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

    Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Verpflichtung der Beklagten, die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots der Ausweisungsverfügung vom 15.7.2005 auf Null zu begrenzen.

    Der Kläger ist burundischer Staatsangehöriger. Er reiste im Wege des Familiennachzugs im Dezember 1997 im Alter von 13 Jahren in das Bundesgebiet ein und ist anerkannter Asylberechtigter und Flüchtling. Am 11.10.1999 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

    Am 21.05.2004 wurde der Kläger Vater eines Sohnes mit deutscher Staatsangehörigkeit.

    Mit rechtskräftigen Urteil vom 17.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht München wegen Vergewaltigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Nötigung in drei tatmehrheitlichen Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Der Verurteilung lagen Taten vom 5. Dezember 2003, vom 17. März 2004 und vom 10. Mai 2004 zu Grunde.

    Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Juli 2005 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus und untersagte ihm die Wiedereinreise. Sollte der Kläger seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, werde sein Aufenthalt zunächst geduldet.

    Während seiner Haft heiratete der Kläger am 29.05.2006 die deutsche Mutter seines Sohnes und zog nach Verbüßung seiner Strafe am 11.02.2007 zu ihnen.

    Ein auf Anregung der Beklagten erfolgter Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde vom Verwaltungsgericht München durch rechtskräftiges Urteil vom 30.01.2007 aufgehoben (M 21 K 06.50797, M 21 K 06.50903).

    Mit Urteil vom 12.06.2007 wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Anlass war die Verwicklung des Klägers in eine Schlägerei in der Justizvollzugsanstalt München während seiner Inhaftierung am 24.09.2006, in deren Verlauf sein Opfer drei Schneidezähne verlor.

    Am 03.11.2009 erteilte die Beklagte dem Kläger daraufhin eine bis zum 2. November 2011 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG.

    Mit rechtskräftigem Urteil vom 22.03.2010 verurteilte das Amtsgericht München den Kläger wegen Beleidigung von Polizisten in fünf tatmehrheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

    Die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG wurde sodann zunächst bis zum 09.09.2012 und zuletzt am 30.11.2011 bis zum 29.11.2013 verlängert.

    Im Februar 2012 zog der Kläger auf Wunsch seiner Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung aus. Daraufhin stach der Kläger im Verlauf eines Besuches zum achten Geburtstag seines Sohnes am 21.05.2012 ohne äußeren Anlass auf seine Ehefrau ein, sodass diese verstarb.

    Nach der Untersuchungshaft ab dem 22.05.2012 befand sich der Kläger ab dem 31.05.2012 zunächst im Isar-Amper-Klinikum München-Ost. Dort kam es am 09.08.2012 zu einem massiven Übergriff des Klägers auf das Pflegepersonal, weshalb er am 13.08.2012 in das Bezirkskrankenhaus Straubing verlegt wurde.

    Mit rechtskräftigen Urteil vom 18.07.2013 sprach das Landgericht München I den Kläger wegen der Tötung seiner Ehefrau vom Vorwurf des Mordes frei und ordnete dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. In der Begründung führt es aus, dass der Kläger bei Begehung der Tat schuldunfähig gewesen sei, da seine Einsichtsfähigkeit aufgrund einer paranoiden Schizophrenie, die als krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB zu qualifizieren sei, vollständig aufgehoben gewesen sei.

    Am 10.05.2015 beantragte der Kläger mit formlosem Schreiben die Erteilung/Verlängerung eines unbefristeten Aufenthaltstitels. Mit weiterem Schreiben vom 27.06.2016 führte er unter anderem aus, dass er einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG habe. Hierauf erhielt der Kläger ab dem 08.07.2015 eine Duldung.

    Die Beklagte lehnte nach Anhörung des Klägers den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 10. Mai 2015 (Nr. 1) mit Bescheid vom 9.12.2015 ab. Im Weiteren befristete sie das Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausweisungsverfügung vom 15.07.2005 unter der Bedingung, dass Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen wird, auf acht Jahre, beginnend mit der Entlassung aus der Unterbringung, im Übrigen auf zehn Jahre ab Ausreise (Nr. 2). Es wurde ausgeführt, dass zwar eine bestandskräftige Ausweisung grundsätzlich der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG nicht entgegenstünde, jedoch beim Kläger die Ausnahme des § 25 Abs. 5 S. 2 AufenthG eingreife. Dem Kläger könne im Hinblick auf Recht und Gerechtigkeitsgefühl hin keine Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt werden. Auch bestünde kein Anspruch aus § 25 Abs. 1 S. 1 AufenthG, denn die Allgemeinheit müsse vor weiteren Straftaten geschützt werden.

    Die Befristung der Ausweisungswirkung von 8 Jahren sei angemessen und erforderlich. Insbesondere aufgrund seiner familiären Bindung in der Bundesrepublik Deutschland und dem erhöhten Gefahrenpotential gegen Leib und Leben anderer.

    Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger beim VG München Klage und beantragte, die Bescheide der Beklagten vom 09.12.2015 in Ziffer 1 und 2 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Beklagten einen Aufenthaltstitel und eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen.

    Im Wesentlichen trug er hierzu vor, dass es fraglich sei, ob sein Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG vom 03.11.2009 widerrufen werden durfte. Beim Kläger lägen die Voraussetzungen von § 9a Abs. 2 AufenthG vor. Im Übrigen sei der Kläger nunmehr ins Bezirksklinikum München-Haar verlegt worden, was für eine geringere Gefährlichkeitseinstufung spreche.

    Nach Aufforderung des Prozessbevollmächtigten teilte das behandelnde Klinikum am 16.05.2017 mit, dass dem Kläger alle Lockerungsstufen genommen seien und er hochgesichert untergebracht sei. Es liege eine komplexe Persönlichkeitsstörung vor, die der Kläger weit von sich abstreife und für die das Klinikum keine Interventionsmöglichkeit sehe. Gegen die Therapie einer remittierten psychotischen Grunderkrankung zeige der Kläger einen eigentlichen inneren Widerstand. Besonders im Umgang mit seinen Vordelikten – vor allem den Vergewaltigungen aus den Jahren 2003/4 – zeige sich eine erhebliche Bagatellisierungsneigung und nachträgliche Neutralisierung. Der Kläger nehme seine Therapie nur formal, nicht jedoch mit inhaltlicher Auseinandersetzung seiner Tat, der Lebensgeschichte, der Sucht und der psychotischen Grunderkrankung, wahr.

    Verwaltungsgericht München: Die Klage sei zulässig aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

    Zunächst bestünde kein Anspruch aus § 9a Abs. 2 AufenthG. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis zum Daueraufenthalt – EU lägen nicht vor. Hierfür sei es erforderlich, dass der Ausländer sich seit fünf Jahren mit Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhielte. Dem genüge der Kläger gerade nicht, da er sich vor Ausstellung des Aufenthaltstitels vom 10.05.2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, da sein vorangegangener Titel bereits am 29.11.2013 abgelaufen gewesen sei.

    Im Weiteren habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 1, 2 oder Abs. 5 AufenthG.

    Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.1 oder Abs. 2 AufenthG würde die allgemeine Erteilungssperre nach § 11 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AufenthG entgegenstehen, welche nicht durch die zwischenzeitlich erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aufgehoben wurde. Eine Anwendung des § 11 Abs. 4 S. 2 AufenthG sei ausgeschlossen.

    Jedoch führe auch die hilfsweise Anwendung der Norm zu keinem anderen Ergebnis, denn bei der Norm würde es sich um eine Soll-Vorschrift handeln, die eine Abweichung vom Regelfall zuließe.  Eine derartige Ausnahme sei im Einzelfall anzunehmen, wenn Belange der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Aufenthaltsstatus des Ausländers nicht gefestigt werden soll. Dies wäre bei dem Kläger anzunehmen, da seine ärztlichen Berichte weiterhin Gefahrenquellen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufweisen.

    Ebenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf Verkürzung der Sperrzeit auf Null aufgrund einer Ermessensreduzierung. Der Umstand, dass beim Kläger eine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung nicht absehbar sei, gebiete keiner sofortigen Befristung auf Null, vielmehr bedürfe es lediglich einer Duldung.

    Auch im Übrigen sei keine Reduzierung auf Null vorzunehmen, da es sich bei der Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots um eine Ermessensentscheidung handle. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nur gegeben, wenn seit der Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen ist, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen seien. Oder sofern dies im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten erscheine. Beides sei vorliegend nicht gegeben, insbesondere da der Ausweisung eine Verurteilung wegen Vergewaltigung zugrunde liege, was einen Ausweisungsgrund von hohem Gewicht darstelle. Darüber hinaus habe sich der Kläger von seiner ersten Verurteilung nicht abschrecken lassen und weitere Straftaten wie gefährliche Körperverletzung begangen.

    Im Weiteren habe der Kläger trotz psychologischer Behandlung die Vergewaltigungen noch nicht therapeutisch aufgearbeitet und sei hieran offenkundig auch nicht interessiert, sodass Wiederholungsgefahr bestünde.

    Auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK könne keine andere Beurteilung erfolgen. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Berücksichtigung durch die Beklagte ein Ermessensfehler stattgefunden habe und daher der Bescheid rechtwidrig sei.

    Der Kläger habe letztlich auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

    Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehe diesem Anspruch die bestandskräftige Ausweisung des Klägers grundsätzlich nicht entgegen, da die erteilten und verlängerten Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG die allgemeine Erteilungssperre beseitigt haben und es keine spezielle Erteilungssperre gäbe (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014 – 1 C 2/13). Der Anspruch des Klägers scheitere jedoch daran, dass besondere Umstände des Einzelfalls (atypischer Ausnahmefall) einem Anspruch entgegenstünden. Ein solcher Einzelfall liege hier vor. Die Uneinsichtigkeit des Klägers und die nicht zu behandelnde Psychose, sowie seine Vorstrafen führten dazu, dass eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären den allgemeinen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit widerspreche und in keinem Fall hingenommen werden könne.

    Quelle: Verwaltungsgericht München

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  3. Ausländerrecht: Beschäftigt ein Ausländer in Deutschland illegal Arbeitnehmer, kann dies zur Ausweisung des Ausländers führen.

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    Verwaltungsgericht Koblenz, 24.10.2016, Az.: 3 K 349116.KO                   

    Bei der Ausweisung eines kriminellen Ausländers wird das öffentliche Interesse an der Ausreise mit dem Interesse des Ausländers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet umfassend, d.h. unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, gegeneinander abgewogen (§ 53 Abs. 1 AufenthG).

    Ein Ausländer ist demnach auszuweisen, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet und wenn sich im Ergebnis der Einzelfallabwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausreise ergibt.

    In dem hier dargestellten Fall des Verwaltungsgerichts Koblenz hatte dieses über die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen zu entscheiden, welches in Deutschland zwei Arbeitnehmer schwarz beschäftigt hatte und sich außerdem ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhielt.

    Sachverhalt: Der 1968 geborene kosovarische Kläger war Inhaber eines bis zum 12.03.2017 gültigen schwedischen Aufenthaltstitels „Uppehallstillstand“. Er meldete sich am 13.05.2015 beim Einwohnermeldeamt in A*** an.

    Ausweislich eines Aktenvermerks des Hauptzollamts Koblenz vom 14.10.2015 wurde der Kläger am 13.10.2015 im Rahmen einer Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auf einer Baustelle in B*** angetroffen. Er gab bei der sich anschließenden Vernehmung an, er sei, nachdem er sich schon zuvor in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, am 12.04.2015 nach Deutschland gekommen und habe zunächst bei seinem Sohn gewohnt. Danach habe er sich eine eigene Wohnung in C***D*** gesucht. Er habe für die Firma E*** (F***) in der Zeit vom 22.04 bis 31.05.2015 sowie vom 13.07 bis 10.08.2015 gearbeitet. Zum 27.07.2015 habe er ein Abbruchgewerbe bei der Stadt C*** angemeldet. Die Firma E*** sei sein einziger Auftraggeber gewesen. Verschiedene Personen, u.a. der G*** H***, seien für ihn tätig gewesen. Der I*** H*** habe am 13.10.2015 einen Probetag bei ihm absolviert und vier Stunden für ihn gearbeitet.

    Mit Bescheid vom 19.10.2015 wies der Beklagte 1. den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus, und stellte 2. fest, dass mit der Ausweisung das Verbot verbunden sei, in das Bundesgebiet einzureisen und sich hierin aufzuhalten, und zwar für drei Jahre ab der Ausreise aus der Bundesrepublik. Außerdem erging 3. eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung in sein Heimatland Kosovo. Ferner ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Kläger aufgrund seines schwedischen Aufenthaltstitels lediglich 90 Tage im Zeitraum von 180 Tagen besuchsweise in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten dürfe, wobei eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei. Somit sei die Besuchsfrist am 12.07.2015 abgelaufen gewesen. Der Kläger habe gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften verstoßen. Mithin sei ein Ausweisungsgrund gegeben. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens komme man zu dem Ergebnis, dass das Ausweisungsinteresse die privaten Belange des Klägers überwiege. Mit der Entscheidung über die Ausweisung sei die Sperrfrist für die Wiedereinreise auf 3 Jahre festgesetzt worden. Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften solle im Interesse einer einheitlichen Ermessensausübung die Frist im Regelfall auf drei Jahre bei Ausweisungen nach § 55 AufenthG – gemeint ist die vor dem 01.01.2016 geltende Fassung – festgesetzt werden. Bei der Festsetzung der Wiedereinreisesperre sei berücksichtigt worden, dass der Kläger zur Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und die Straftaten in diesem Zusammenhang begangen habe. Demzufolge sei die Sperrwirkung mit drei Jahren auf die niedrigste Frist festgesetzt worden, welche in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften erwähnt worden sei.

    Hiergegen erhob der Kläger am 12.11.2015 Widerspruch und wies darauf hin, er habe sowohl seine selbständige als auch seine abhängige Erwerbstätigkeit angemeldet. Weder von seinem Arbeitgeber noch von dem zuständigen Gewerbeamt sei ihm mitgeteilt worden, dass eine Arbeitsaufnahme nicht möglich sei. Er habe durch seine Arbeitsaufnahme nur einen vereinzelten und geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Dies belege auch der Umstand, dass ein Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 153 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden sei. Da die Ausweisungsverfügung rechtswidrig sei, gelte dies auch für die verfügte Wiedereinreisesperre.

    Des Weiteren suchte der Kläger bei der erkennenden Kammer um vorläufigen Rechtsschutz nach. Unter dem 13.11.2015 hob der Beklagte die Anordnung des Sofortvollzuges auf. Daraufhin wurde das vorläufige Rechtsschutzverfahren von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 27. November 2015, 3 L 1014/15.K0).

    Unter dem 19.01.2016 erließ das Hauptzollamt Koblenz gegen den Kläger vier mittlerweile unanfechtbare Bußgeldbescheide. Hierin ist ausgeführt, der Kläger – habe eine Erwerbstätigkeit ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel ausgeübt (Verfahren mit dem Az. SV 3330— EV 1***115 – F ***)‚ – habe den l*** H***, der angegeben habe, bei dem Kläger seit dem 13.10.2015 zu arbeiten, beschäftigt, ohne dass der Arbeitnehmer den für die Aufnahme einer Beschäftigung notwendigen Aufenthaltstitel gehabt habe (Verfahren mit dem Az. SV 3330 – EV 2***115 – F ***)‚ habe zwei Beschäftigungen vom 22.04.2015 bis zum 31.05.2015 bzw. vom 13.07.2015 bis zum 10.08.2015 bei der Firma E*** ohne den notwendigen Aufenthaltstitel ausgeübt (Verfahren mit dem Az SV 3330 – EV 3***/15 – F ***) und sei als Arbeitgeber seinen sozialrechtlichen Meldepflichten nicht nachgekommen, da er die Arbeitnehmer G*** H*** und l*** H*** am 12.10.2015 bzw. 13.10.2015 bei Abbrucharbeiten ohne vorherige Meldung an den Träger der Rentenversicherung beschäftigt habe (Verfahren mit dem Az. SV 3330 – EV 4***I1 5 – F ***).

    Mit Schreiben vom 22.02.2016 bzw. E-Mail vom 25.02.2016 erklärten die Beteiligten den Widerspruch bezüglich Punkt 3 der Verfügung vom 19.10.2015 wegen Zeitablaufs für erledigt.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2016 stellte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 der Verfügung vom 19.10.2015) ein und wies im Übrigen den Widerspruch im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen zurück: Das Ausweisungsinteresse Wiege schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Der Kläger habe gegen aufenthaltsrechtliche und sozialrechtliche Bestimmungen verstoßen. Dem stünden keine gleichgewichtigen persönlichen Bleibeinteressen entgegen, zumal Ausländer, die unerlaubt einer Beschäftigung nachgingen, im Interesse des Erhalts von Erwerbsmöglichkeiten für deutsche Staatsangehörige oder bevorrechtigte Ausländer im Allgemeinen auszuweisen seien. Mit der Ausweisung sei das Einreiseverbot untrennbar verbunden. Die Fristfestsetzung (drei Jahre) begegne keinen Bedenken.

    Am 01.04 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Koblenz.

    Verwaltungsgericht Koblenz: Das Verwaltungsgericht Koblenz urteilte, dass die Klage keinen Erfolg hat. Zunächst sei ist Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids rechtmäßig und würde den den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

    Nach § 53 Abs. 1 AufenthG werde ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergeben würde, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

    Bei dieser Abwägung seien gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner zu berücksichtigen; diese Aufzählung orientiere sich an den Kriterien, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Entscheidung vom 22. Januar 2013 – 66837/11 -‚ juris) als maßgeblich zu berücksichtigende Gesichtspunkte im Rahmen der Abwägung herangezogen würden. Mithin stelle sich die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar; die getroffene Entscheidung sei gerichtlich voll überprüfbar. In die Abwägung seien die in §§ 54, 55 AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen typisierenden Gewichtung einzubeziehen. Neben den explizit in diesen Vorschriften aufgeführten Interessen seien noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen, wie der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG belegen würde, zu berücksichtigen.

    Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Struktur setze die Ausweisung nach § 53 Abs. 1 1. Alt. AufenthG tatbestandlich zunächst voraus, dass der weitere Aufenthalt des Ausländers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland darstellen würde. Die Begriffe öffentliche Sicherheit bzw. Ordnung seien i.S.d. Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen. Die Gefährdung dieser Schutzgüter bemesse sich nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen. Erforderlich sei die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der Schutzgüter eintreten werde. Dabei könne die Ausweisungsentscheidung grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würde. Etwas anderes gelte aber dann, wenn der betroffene Ausländer zu einer der in § 53 Abs. 3 AufenthG aufgezählten Personen gehören würde, wenn er bspw. als Asylberechtigter anerkannt worden sei oder die Rechtsstellung eines Flüchtlings besitzen würde (vgl. zum Ganzen BT-Drs. 18/4097, S. 49 – 54).

    Unter Anwendung dieser Maßstäbe überwiege im Fall des Klägers das staatliche Ausweisungsinteresse, das hier schwer wiegen würde, da der Kläger einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften, also Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen, begangen habe (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG).

    Der Kläger habe gegen §§ 95 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 AufenthG verstoßen. Gemäß § 95 Abs.1 Nr. 2 AufenthG werde mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs.1 Satz 1 im Bundesgebiet aufhalte, wenn er vollziehbar ausreisepflichtig sei, ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt worden oder diese abgelaufen sei und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt sei. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedürften Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt sei. Der Kläger sei als Inhaber eines schwedischen Aufenthaltstitels (vgl. Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen – SDÜ -) nach eigenen Angaben am 12. April 2015 zunächst erlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Jedoch könnten nach dieser Vorschrift Ausländer, die, wie der Kläger, Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels seien, sich aufgrund dieses Dokumentes und eines gültigen Reisedokuments lediglich bis zu 90 Tage im Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen europäischen Staaten bewegen. Mithin habe sich der Kläger nach Ablauf der 3-Monats-Frist ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten. Da er nach Aktenlage auch keinen Antrag auf Erteilung eines solchen Titels beantragt habe, sei er vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) mit der Folge, dass hier § 95 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 AufenthG zu seinen Lasten greifen würde.

    Ausweislich der Bußgeldbescheide des Hauptzollamtes Koblenz vom 19. Januar 2016 mit den Aktenzeichen „SV 3330— EV 1***115 – F „SV 3330— EV 2***115 – F ***“ und „SV 3330 – EV 4***115 – F ***“ habe der Kläger zudem gegen § 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, gegen § 404 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie gegen § 28a Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verstoßen. Er habe nämlich eine selbständige Erwerbstätigkeit ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel ausgeübt, indem er ein Gewerbe für Abbrucharbeiten betrieben habe. Hierbei habe er wiederum einen Ausländer, der nach Aktenlage über keinen Aufenthaltstitel zur Aufnahme einer Arbeit verfügt habe, sowie Herrn G*** H*** beschäftigt, ohne die Aufnahme der Tätigkeit dieser Personen den zuständigen Stellen der Sozialversicherung zu melden. Des Weiteren habe der Kläger ausweislich des Bußgeldbescheids des Hauptzollamtes Koblenz vom 19. Januar 2016 mit dem Aktenzeichen SV 3330 – EV 3***115 – F gegen § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III verstoßen, indem er im Zeitraum vom 22. April 2015 bis 31. Mai 2015 sowie vom 13. Juli 2015 bis 10. August 2015 bei der Firma E*** gearbeitet habe, ohne dass er zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt gewesen wäre. Die Kammer habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die in den vom Kläger nicht angefochtenen Bußgeldbescheiden enthaltenen Feststellungen und Bewertungen fehlerhaft wären. Angesichts dessen teile das Gericht die Einschätzung des Beklagten, dass im Fall des Klägers angesichts dieser Verstöße gegen Rechtsvorschriften das Ausweisungsinteresse des Klägers schwer wiege.

    Die Einwendung des Klägers, es handele sich nur um geringfügige Verstöße und er habe sich in einem Verbotsirrtum befunden, greife nicht durch. Abgesehen davon, dass es Sache des Klägers sei, sich über die Regularien für die Aufnahme einer Tätigkeit im Bundesgebiet zu erkundigen, habe er bei einer objektiven Betrachtungsweise wissen müssen, dass er sich nicht länger als 90 Tage ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten durfte. Zudem hätte es ihm wie jedem anderen Ausländer oblegen, sich bei der zuständige Ausländerbehörde über die Regularien für die Ausübung einer nicht selbständigen oder selbständigen Tätigkeit zu erkunden sowie Information über die Anforderungen an die Beschäftigung von Dritten in seinem Gewerbe einzuholen. Angesichts dessen könne keine Rede davon sein, der Kläger habe allenfalls geringfügige Verstöße zu verantworten. Zudem habe er wiederholt gegen Vorschriften verstoßen, was allein schon die Anwendung des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG rechtfertigen würde.

    Dem mithin vorliegenden schwer wiegenden Ausweisungsinteresse stünden keine Bleibeinteressen des Klägers von vergleichbarem Gewicht gegenüber. Ein besonders schwerwiegendes oder schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne von § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG sei in seinem Fall nicht feststellbar. Von daher seien in die Abwägung unter Beachtung des § 53 Abs. 2 AufenthG die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staates sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner einzustellen und dem hier vorliegenden Ausweisungsinteresse gegenüber zu stellen. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren Gründe vorgebracht, die die Ausweisung als unangemessen erscheinen lassen. Er halte sich erst seit April 2015 und damit nur für eine kurze Zeit ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zwar stelle die familiäre Bindung zu seinem volljährigen Sohn einen in der Abwägung für ihn streitenden Belang dar. Jedoch sei auch zu sehen, dass der Kläger die letzten Jahre offenbar getrennt von seinem Sohn in Schweden oder im Kosovo verbracht habe und beide Personen somit nicht aufeinander angewiesen seien. Insoweit sei nichts dafür ersichtlich, dass die Ausweisung des Klägers für ihn selbst oder seinen Sohn unzumutbare Folgen hätte. Weitere soziale Beziehungen des Klägers, die für ein Bleiberecht sprechen könnten, seien nicht dargetan. Neben der persönlichen Beziehung zu diesem Sohn seien allenfalls Wirtschaftliche Gründe für den gewünschten Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ersichtlich. Diesen Belangen stünde jedoch entgegen, dass der Kläger wiederholt gegen Rechtsvorschriften verstoßen habe. Hinzu komme das berechtigte staatliche Interesse Erwerbsmöglichkeiten deutschen Staatsangehörigen oder bevorrechtigten Ausländern zu erhalten und Ausfälle von Sozialabgaben zu vermeiden (vgl. VG München, Urteil vom 19.09.2013, Az.: M 12 K 13.1899, juris) sowie den Aufenthalt von Ausländern rechtlichen Regelungen zu unterwerfen und zu steuern. Bei Abwägung all dieser Umstände erweise sich die Ausweisung des Klägers nicht als unverhältnismäßig.

    Darüber hinaus sei auch Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung, mit der das mit der Ausweisung verbundene Verbot der Wiedereinreise in das Bundesgebiet auf drei Jahre ab der Ausreise aus der Bundesrepublik festgesetzt worden sei, nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 bis Abs. 3 AufenthG. Der Kläger habe weder Gründe für die Rechtswidrigkeit dieser Regelung vorgebracht noch bestünden hierfür durchgreifende Anhaltspunkte.

    Quelle: Verwaltungsgericht Koblenz

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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  4. Ausländerrecht: Anspruch eines straffälligen Ausländers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null

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    Bundesverwaltungsgericht, 06.03.2014, Az.: BVerwG 1 C 2.13

    Seit Inkrafttreten der Änderung des § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22.11.2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 genannte Wirkungen (Einreise- und Aufenthaltsverbot, Titelerteilungssperre) befristet.

    Bei der Festlegung der Länge der Ausweisung wiederum hat die Ausländerbehörde verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In einem ersten Schritt muss das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck berücksichtigt werden.

     

    Weiterhin muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dabei kommen auch die persönlichen Verhältnisse des Ausländers, wie zum Beispiel dessen familiäre Strukturen zum Tragen.

    So ist zum Beispiel das (eigene) Recht eines minderjährigen Kindes auf Umgang mit seinem Vater als Ausfluss des Art. 6 GG bei einer Ermessensentscheidung über die Dauer der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung zwingend zu berücksichtigen.

    In dem oben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgericht hatte dieses nun darüber zu entscheiden, ob bei einem straffällig gewordenen Ausländer, welcher wegen seiner Asylberechtigung trotz Abschiebung niemals aus Deutschland ausgereist war, die Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet werden mussten.

    Sachverhalt: Der Kläger war Staatsangehöriger von Sri Lanka. Im Jahre 1994 war der Kläger nach Deutschland eingereist und wurde 1996 als Asylberechtigter anerkannt.

    Im Jahr 2000 wurde er wegen gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

    Im März 2001 wies ihn das beklagte Land Baden-Württemberg dann aus Deutschland aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen.

    Zur Begründung führte der Beklagte an, die Ausweisung sei aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten gewesen, da die konkrete Gefahr bestünde, dass der Kläger sein strafbares Verhalten fortsetze, weil er ohne finanzielle Not in dem Bestreben gehandelt habe, durch Schleusung von Ausländern einen Gewinn zu erzielen.

    Die Ausweisung erfolge auch aus generalpräventiven Gründen, um andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten.

    Zu einer Abschiebung kam es wegen der Asylberechtigung des Klägers allerdings nicht. Der Schutzstatus wurde zwar im Jahr 2004 bestandskräftig widerrufen. Auf einen Folgeantrag wurde dem Kläger jedoch im Jahr 2010 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

    Der Kläger lebte daher seit seiner Haftentlassung durchgängig mit seiner Lebensgefährtin und seinen drei minderjährigen Kindern im Bundesgebiet, zunächst auf der Grundlage von Duldungen, bevor er im Juli 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhielt.

    Im Mai 2010 beantragte er dann die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null. Der Beklagte befristete im Dezember 2010 die Wirkung der Ausweisung auf ein Jahr, beginnend mit dem Zeitpunkt der Ausreise. Der Kläger erhob daraufhin Klage, mit der er sein Begehren auf sofortige Befristung weiterverfolgt.

    Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Wirkung der Ausweisung auf den 16. März 2011 zu befristen. Dies wurde damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre seit Zustellung der Ausweisungsverfügung verstrichen gewesen seien und die Verwaltungsvorschriften für den Fall einer zwingenden Ausweisung wie hier regelmäßig eine Befristung auf diesen Zeitraum vorsähen.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Beklagten mit der folgenden Begründung zurückgewiesen: Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der gegen ihn ergangenen Ausweisung mit sofortiger Wirkung.

    Weder spezialpräventive noch generalpräventive Gründe erforderten die weitere Aufrechterhaltung der Sperrwirkung der Ausweisung. Der Kläger, der in den mehr als zwölf Jahren seit seiner Verurteilung strafrechtlich nicht mehr aufgefallen sei, stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dar.

    Von der Ausweisung gehe auch keine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer mehr aus. Sei eine Befristung auf Null geboten, bedürfe es keiner Ausreise des Klägers.

    Gegen diese Entscheidung richtete der Beklagte seine Revision zum Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung, dass die Frist für den Lauf der Einreise- und Aufenthaltssperre gemäß § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG erst mit Ausreise des Ausländers zu laufen beginne und das Ausreiseerfordernis auch nicht durch eine Befristung auf Null unterlaufen werden dürfe.

    Während des Revisionsverfahrens nahm der Kläger mit Zustimmung des Beklagten die Klage insoweit zurück, als er die Befristung auf einen Zeitpunkt vor der Entscheidung des Berufungsgerichts begehrt hatte.

    Im Übrigen trat er der Revision entgegen und wies u.a. darauf hin, dass der Beklagte in anderen Fällen durchaus eine Befristung mit sofortiger Wirkung verfügt habe.

    Bundesverwaltungsgericht: Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Beklagten nicht und urteilte, dass das Berufungsgericht ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) den Beklagten für verpflichtet gehalten habe, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.

    Die Verpflichtungsklage sei zulässig. Der Kläger habe ein Rechtsschutzbedürfnis für sein Begehren, dass die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet würden.

    Denn ohne eine solche Befristung würden die Wirkungen der Ausweisung jedenfalls für die außerhalb des 5. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthaltstitel dauerhaft bestehen bleiben.

    Dies würde den Kläger belasten und würde sein Begehren rechtfertigen, denn ein Rechtsschutzinteresse würde nur fehlen, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen könne.

    Im Übrigen bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis auch im Hinblick auf die Erteilung der vom Kläger vorrangig erstrebten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.

    Auch habe der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger in der Sache zu Recht einen Befristungsanspruch auf Null ohne vorherige Ausreise zuerkannt.

    Die Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch finde sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Danach würden die in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Einreise- und Aufenthaltsverbot) und in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (Titelerteilungsverbot) bezeichneten Wirkungen auf Antrag befristet.

    Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 hätten Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristen, ohne dass es insoweit eines Antrags des Ausländers bedürfe

    Die Entscheidung über die Länge der Frist sei eine rechtlich gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Ausländerbehörde stünde.

    Dabei sei die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.

    Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen.

    Es bedürfe der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge.

    So sei der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirkungen der Ausweisung im vorliegenden Fall vollständig zu beseitigen seien.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Senats könne in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein.

    In solchen Fällen würde das Erfordernis einer Fristbestimmung wie auch der Ausreise aus Deutschland entfallen.

    Dies könne zum einen deshalb geboten sein, weil seit Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen sind.

    Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG könne sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erfordern.

    Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht festgestellt, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- und generalpräventiven Gründe nach Verstreichen einer Zeitdauer von mehr als zehn Jahren nicht mehr vorliegen würden.

    Damit seien die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt, ohne dass es einer Entscheidung der Frage bedürfe, ob dem Aufenthaltsbegehren eines Konventionsflüchtlings überhaupt generalpräventive Gründe entgegengehalten werden dürfen.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten setze der Anspruch auf Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus.

    Zwar würde § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG vorsehen, dass der Lauf der Frist mit der Ausreise beginne.

    Lägen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber keine Gründe für die Festsetzung einer Sperre im Sinne von § 11 Abs. 1 AufenthG mehr vor, würde damit auch das Erfordernis der Ausreise entfallen. Eine Frist für die Geltung der Wirkungen der Ausweisung dürfe dann nicht mehr in Gang gesetzt werden.

    Quelle: Bundesverwaltungsgericht

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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