Widerspruch gegen Eigenbedarfskündigung Archive - MTH Rechtsanwälte Köln
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Tag Archive: Widerspruch gegen Eigenbedarfskündigung

  1. Mietrecht: Die (Eigenbedarfs-) Kündigung und der Sozialwiderspruch nach § 574 BGB

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    Erst entsteht große Panik und dann Verzweiflung, wenn man eine unvorhersehbare Kündigung vom Vermieter beispielhaft wegen Eigenbedarfs in seinem eigenen Briefkasten vorfindet. Oft reißt es einen komplett aus der Realität heraus, doch wenn der Vermieter einem die Wohnung oder das Haus kündigt, ist noch längst nicht alles verloren – man kann nämlich rechtzeitig der Kündigung widersprechen und Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dies nennt man dann ein Kündigungswiderspruch bzw. Sozialwiderspruch. Doch so einfach ist es wiederum auch nicht, denn als Begründung muss eine unzumutbare Härte vorliegen.

    Die Rechtsprechung stellt sich zwar in vielen Fällen auf die Seite des Vermieters, doch es gibt auch zahlreiche Einzelfälle, in welchen der Auszug aus dem jetzigen Mietobjekt eine unzumutbare Härte für den Mieter darstellen würde. Im Folgenden werden Sie erfahren was ein Sozialwiderspruch nach § 574 BGB ist und in welchen Fällen er greift.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    Was ist die Sozialklausel nach § 574 Absatz 1 BGB?

    Wenn es um § 574 BGB geht, spricht man von einem sogenannten Sozialwiderspruch des Mieters, welche eine erhebliche Hürde bei Kündigungen von Vermietern darstellt. Denn laut § 574 Absatz 1 BGB kann der betroffene Mieter trotz einer an sich gerechtfertigten und im ersten Augenblick zulässigen ordentlichen Kündigung vom Vermieter, dieser widersprechen und gleichzeitig die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dieser Ausweg ist allerdings nur zulässig, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses ansonsten für den Mieter eine unzumutbare Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung aller berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Die Sozialklausel stellt damit das gleichwertige Gegenstück zu der Kündigungsbefugnis des Vermieters und bildet demnach keine Ausnahmeregelung.

    Keine Anwendung findet die Sozialklausel bei Zeitmietverträgen, welche keinen Kündigungsschutz nach § 575 BGB genießen. Ebenso findet die Sozialklausel gemäß § 574 BGB keine Anwendung bei vorübergehendem Gebrauch von gemietetem Wohnraum oder wenn der Mieter selbst gekündigt hat, als auch wenn eine fristlose Kündigung gegen den Mieter berechtigt ist, selbst wenn der Vermieter „nur“ ordentlich gekündigt hat.

    Wann liegt eine unzumutbare Härte vor und wann nicht?

    Eine unzumutbare Härte kann für den Mieter, seine Familie oder einen Haushaltsangehörigen vorliegen. Durch einen solchen Widerspruch sichert sich der Mieter den Anspruch, dass das bisher bestehende Mietverhältnis solange fortsetzt werden muss, bis der unzumutbare Härtegrund nicht mehr besteht. Der wohl wichtigste Härtegrund wird ausdrücklich im Gesetz genannt. Dabei handelt es sich um fehlenden Ersatzwohnraum. In vielen Großstädten, zum Beispiel in Köln, ist Ersatzwohnraum mittlerweile sehr schwer zu finden und diese unzumutbare Härte greift somit des Öfteren. Der Vermieter muss dem gekündigten Mieter eine neue Wohnung oder Haus zu zumutbaren Bedingungen finden. Zumutbar wäre bereits eine neue Wohnung oder ein neues Haus, wenn sie teurer ist, nicht im gleichen Wohnviertel liegt und auch nicht so groß wie die bisherige. Demnach ist die Spanne für den Vermieter bereits breit gelegt.

    Eine besondere Härte kann unter anderem auch vorliegen, wenn es sich um ältere, kranke, bereits sehr lang dort wohnende oder auch schwangere Personen handelt, aber auch, wenn der Mieter Kinder im Schulalter hat und diesen ein Schulwechsel nicht zuzumuten ist. In all den Fällen muss das Interesse des Mieters bei einer Abwägung über dem Interesse des Vermieters stehen und vorrangig betrachtet werden.

    Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit unter anderen auch dann einer besonderen Härte zugestimmt, wenn der Mieter schwerkrank war und der Umzug seinen gesundheitlichen Zustand noch weiter verschlechtern würde oder aufgrund der Erkrankung dessen eine Ersatzwohnung kaum beschafft werden könnte. Ebenso wurde ein Härtefall von der Rechtsprechung bejaht, wenn eine akute Suizidgefahr bestand oder die Belastung eines Umzugs eine Suizidgefahr hervorrufen könnte, da der Mieter sich in einen sehr labilen psychischen Zustand befand.

    Ein weiterer Grund für eine unzumutbare Härte liegt vor, wenn die Kinder des Mieters/der Mieterin kurz vor ihrem Schulabschluss stehen oder der Mieter/die Mieterin selbst in einer Vorbereitung auf eine wichtige Prüfung wie beispielhaft das Examen steckt. In solchen Fällen würde ein Umzug möglicherweise erhebliche Störungen bei der Vorbereitung auf das Examen oder Verschlechterung des Schulabschlusses hervorrufen.

    Außerdem liegt ein wichtiger Härtegrund vor, wenn der Mieter in vertrauter Absprache mit dem Vermieter eine gewisse Summe in das Mietobjekt investiert hat – beispielsweise in Renovierungen, um dieses zu erhalten oder sogar zu verbessern, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Kündigung seitens des Vermieters absehbar war und der Mieter auch keine Entschädigung erhalten würde.

    Vom Landgericht Köln wurde ein doppelter Umzug ebenso als Härtefall für den Mieter anerkannt. In dem dort vorliegenden Fall hat der Mieter eine passende Ersatzwohnung gefunden, in welche er allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Räumungszeitpunkt einziehen könnte. Um dieses Angebot wahrnehmen zu können, müsste er sich für die Zwischenzeit eine Notunterkunft suchen, was einen doppelten Umzug darstellen würde (LG Köln 6. Zivilkammer, Urteil vom 18. Juli 1996, Az: 6 S 474/95).

    Weitere Gründe, die in der Vergangenheit bei einem Sozialwiderspruch durch die Rechtsprechung zugelassen wurden, welche allerdings auch meist nicht einzeln, sondern in Verbindung miteinander angegeben wurden:

     

        • Durch den Umzug wird der Mieter beruflich erhebliche Beeinträchtigungen erfahren, beispielsweise der mehrfache Verlust von Kunden
        • Nicht nur die Schwangerschaft selbst stellt einen Härtegrund dar, sondern auch die Lebenssituation kurz nach der Geburt mit einem kleinen Säugling
        • Ein sehr geringes Einkommen des Mieters
        • Aidserkrankungen des Lebensgefährten des Mieters
        • Krankheiten des Mieters wie Autismus, Tourettesyndrom oder multiple Sklerose mit schwerwiegenden Depressionen
        • Bei einem erkrankten Mieter mit der Möglichkeit einer optionalen Verpflegung/Pflege im Nachbarshaus wohnenden Angehörigen
        • Schuldunfähigkeit beim sogenannten „Messie-Syndrom“

    Als Härtefall wurde vom Gericht die Begründung nicht anerkannt, dass die Mieter durch eine lange Mietzeit in der Wohngegend sozial verwurzelt sind (LG Bremen 2. Zivilkammer, Urteil vom 22. Mai 2003, Az: 2 S 315/02). Ebenso nicht anerkannt wurde eine umzugsbedingte Notwendigkeit der Benutzung von öffentlichem Verkehrsmittel durch das Kindes der Mieter bei der Aufsuchung von der Schule (LG Hamburg 11. Zivilkammer, Urteil vom 3. April 1998, Az: 311 S 225/97).

    Vollständig sind beide Aufzählungen nicht, denn auch andere Gründe können gerichtlich anerkannt werden. Das Gericht muss bei der Abwägung immer die Situation des vorliegenden Einzelfalls prüfen, um einen unzumutbaren Härtegrund annehmen zu können. Die Voraussetzungen für einen solchen wurden allerdings durch die Entscheidung des BGH vom 22.05.2019 erhöht (BGH VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17). Dadurch geht nun fast nichts mehr ohne ein Gutachten eines Sachverständigen, wodurch wiederum die Kosten des Verfahrens steigen. Sollte man sich ein Sachverständigengutachten nicht leisten können oder keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, so wird es schwer.

    Form, Frist und Folge eines Sozialwiderspruchs:

    Sobald ein Mieter einer Kündigung widersprechen möchte, kann er sich gegebenenfalls auf die Sozialklausel berufen. Einen solchen Sozialwiderspruch muss er unbedingt schriftlich verfassen und alle Gründe nennen, wieso er dieser Kündigung widerspreche. Die Begründung darf auf keinen Fall vergessen werden. Das Schreiben muss im Übrigen auch eigenhändig unterschrieben werden. Der Vermieter ist regelrecht gezwungen, auf dieses Schreiben zu reagieren.

    Der Widerspruch, wenn vom Vermieter rechtzeitig auf eine solche Möglichkeit hingewiesen wurde, muss spätestens zwei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist beim Vermieter vorliegen. Sollte der Vermieter es versäumt haben rechtzeitig auf das Recht des Widerspruchsrecht hinzuweisen, so ist der Mieter an diese Frist nicht gebunden. In einem solchen Fall kann man sogar noch im ersten Termin des Räumungsprozesses vor Gericht den Widerspruch erklären.

    Nach dem Widerspruch des Mieters bleibt den Vermieter nur ein Einreichen einer Räumungsklage gegen den Mieter übrig, damit dieser die Kündigung durchsetzen kann. Im Rahmen einer Räumungsklage muss das zuständige Gericht entscheiden, ob der berechtigte Kündigungsgrund des Vermieters schwerer wiegt, oder die Härtegründe des Mieters überwiegen.

    Als Mieter sollten Sie demnach versuchen, ihr Prozesskostenrisiko zu verringern. Dazu muss man unter anderem nachweisen können, dass man sich im Vorfeld nach eigenen Kräften um außergerichtliches Einvernehmen bemüht hat, jedoch damit gescheitert ist. So kann man ein Protokoll über die Besichtigungen der Ersatzwohnungen führen, welche sie gegebenfalls vor Gericht vorlegen können.

    Sollten Sie sich bei der Verfassung eines Widerspruchs unsicher sein, lassen Sie sich von einem Anwalt beraten, der sich Ihren individuellen Fall genauestens ansieht. So haben Sie die besten Chancen auf ein erfolgreiches Ende.

    Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine E-Mail an info@mth-partner.de

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  2. Mietrecht: Fortführung eines Mietverhältnisses bei Eigenbedarfskündigung wegen Krankheit des Mieters

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    Amtsgericht Berlin-Mitte, 07.06.2016, Az.: 116 C 190/15

    Eine korrekte Eigenbedarfskündigung kann durch den Mieter abgewendet werden, wenn ein sogenannter Härtefall vorliegt. Typische Härtefälle sind z. B.:

    • Erkrankung oder Behinderung
    • Schwangerschaft
    • Fortgeschrittenes Alter des Mieters
    • Angemessener Ersatzwohnraum kann nicht beschafft werden

    Sachverhalt: In diesem Fall lag eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters vor, der seine Eigentumswohnung in Berlin, wegen eines neuen Arbeitsverhältnisses, unter der Woche nutzen wollte. Da der Mieter nicht freiwillig räumte, reichte der Vermieter Räumungsklage gegen den Mieter ein. Der kranke Mieter widersprach der Eigenbedarfskündigung und machte besondere Härte geltend. Als Begründung führte er an, dass er wegen einer operativen Entfernung seines Kehlkopfes, aber auch weiterer gesundheitlicher Einschränkungen, nicht in der Lage sei zu sprechen und er es dadurch bei der Wohnungssuche besonders schwer habe würde.

    Amtsgericht Berlin-Mitte: Das Amtsgericht Berlin-Mitte gab dem Vermieter nur teilweise recht. Nach Ansicht des Gerichts sei die Eigenbedarfskündigung zwar wirksam, aber aufgrund der schweren Krankheit und der damit verbundene Härte bei der Suche nach einer Ersatzwohnung, müsse das Mieterverhältnis um weitere 1,5 Jahre weitergeführt werden. Eine sofortige Räumung würde für den Mieter eine besondere Härte darstellen. Das Gericht sehe in diesem Fall die Räumungsunfähigkeit, die immer dann vorliegen würde, wenn ein Mieter aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage sei, eigenständig eine Wohnung zu suchen. Diese Voraussetzungen seien bei diesem Mieter erfüllt. Dennoch liege keine grundsätzliche und fortwährende Räumungsunfähigkeit vor, sondern eine Einschränkung bei der Suche nach neuem Wohnraum. Nach § 574a Abs. 1 BGB sei eine dauerhafte Fortführung des Mietverhältnisses nicht erforderlich. Auch wenn derzeit eine deutliche Erschwernis bei der Suche nach Wohnraum gegeben sei, sei das nicht zwingend in Zukunft auch so und ein Umzug zu einem späteren Zeitpunkt nicht grundsätzlich unzumutbar. Mit Ablauf der tenorierten gerichtlichen Frist ende das Mietverhältnis automatisch und bedürfe keiner weiteren Kündigung.

    Quelle: Landgericht Frankfurt am Main

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  3. Mietrecht: Die Eigenbedarfskündigung ist auch dann möglich, wenn der Vermieter als Profifußballer im Ausland lebt.

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    Amtsgericht München, 30.09.2014, Az.: 473 C 7411/14

    Will der Vermieter, einer seiner Familienangehörigen, oder Angehörige seines Haushalts die vermietete Wohnung selbst nutzen, kann er die Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen. Der Vermieter muss dann im Kündigungsschreiben schriftlich begründen, warum und für welche Person er die Wohnung benötigt. Dabei ist zu beachten, dass eine Sperrfrist gelten kann. Wird nämlich ein Gebäude während der Mietzeit in Eigentumswohnungen umgewandelt, ist die Eigenbedarfskündigung für mindestens drei Jahre ausgeschlossen. In einigen Städten kann die Sperrfrist auch zehn Jahre betragen. Wenn der Mieter mit der Eigenbedarfskündigung nicht einverstanden ist, kann er gegen diese Eigenbedarfskündigung Widerspruch einlegen, wenn der Auszug eine besondere Härte für ihn bedeuten würde. Wenn der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war, kann der Mieter nachträglich sogar Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen. Diese Ansprüche umfassen zum Beispiel Umzugs-, Makler- und Renovierungskosten sowie höhere Mietausgaben für die neue Wohnung.

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden? Rechtsanwalt Kündigung Räumung

    In dem hier besprochenen Fall des Amtsgerichts München hatte dieses darüber zu entscheiden, ob ein professioneller Fußballspieler seiner Mieterin wegen Eigenbedarf kündigen durfte, obwohl er die Wohnung nur für eine gewisse Zeit des Jahres bewohnen wollte und ansonsten im Ausland lebte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Der Kläger in diesem Rechtsstreit hatte im Jahre 2011 eine 45,56 Quadratmeter große Wohnung im dem Münchner Stadtteil Solln erworben. Diese Wohnung war seit Februar 2000 an die beklagte Mieterin vermietet.

    Kläger war Vermieter und kündigte wegen Eigenbedarfs

    Im April 2013 kündigte der Kläger die Wohnung wegen Eigenbedarfs. Als Kündigungsgrund gab der Kläger Eigenbedarf an, welchen er gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau ausüben wollte. Die Kündigung wurde des Weiteren damit begründet, dass der Kläger beabsichtige, im Frühsommer zu heiraten und gemeinsam mit seiner Frau einen Wohnsitz in München zu begründen.

    Kläger war Profifußballer und arbeitete oft im Ausland

    Aufgrund des Berufs des Klägers als Profifußball-Spieler bei einem Münchner Verein würde er zwar nicht immer in München arbeiten. Er würde aber beabsichtigen, die streitgegenständliche Wohnung gemeinsam mit seiner Frau als Hauptwohnsitz zu behalten und immer wieder dorthin zurückzukehren und diese Wohnung auch in der Winterpause zu nutzen. Trotz der Kündigung räumte die Beklagte die Wohnung nicht, da sie den Kündigungsgrund des Klägers für vorgeschoben hielt.

    Urteil des Amtsgerichts München

    Als sich seine Mieterin weigerte, klagte der Kläger auf Räumung

    Wegen der Nichträumung erhob der Kläger schließlich Räumungsklage beim Amtsgericht München. Das Amtsgericht München folgte der Ansicht des Klägers und urteilte, dass die Beklagte die Wohnung räumen muss. In der Beweisaufnahme hatte das Gericht die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen.

    In der Beweisaufnahme wurde die Ehefrau des Klägers zum Eigenbedarf angehört

    Diese gab an, dass ihr Ehemann in Serbien arbeite und das er zweimal täglich Training habe. Zuletzt hätten sie und ihr Ehemann in München gelebt, aber getrennt. Derzeit lebe sie in einer Wohnung in Serbien, sie möchte jetzt jedoch wieder nach München ziehen, um in München einen Hauptwohnsitz begründen zu können. Sobald ihr Ehemann, also der Kläger, frei habe, werde er ebenfalls gemeinsam mit der Zeugin in der Wohnung in München wohnen. Weiter gab die Zeugin an, sie und ihr Ehemann hätten gemeinsam entschieden, dass das kürzlich geborene gemeinsame Kind in Deutschland aufwachsen solle. Eine andere Wohnung stünde nicht zur Verfügung. Es sei geplant, dass die Wohnung zumindest für die nächsten 3-4 Jahre von der Zeugin gemeinsam mit ihrem kleinen Kind bewohnt werde und soweit der Ehemann am Wochenende oder zu trainingsfreien Zeiten frei habe, dieser ebenfalls gemeinsam mit der Familie in der Wohnung wohnen werde. Weiter gab die Zeugin an, sie halte sich während ihrer Besuche in Deutschland im Haus ihrer Mutter in der Nähe von Landsberg auf. Im Haus ihrer Mutter stünde ihr aber kein eigenes Zimmer zur Verfügung, sondern sie schlafe und wohne mit ihrem Baby im Zimmer ihrer behinderten Schwester. Diese komme immer am Wochenende nach Hause, da sie unter der Woche in einer Behindertenwerkstatt arbeite und auch nächtige.

    Gericht glaubte der Ehefrau und sah Eigenbedarf als gegeben an

    Diesem Vortrag der Zeugin glaubte das Gericht. Auch sah das Gericht in dem Erlangungswunsch keine unvernünftige Absicht. Grundsätzlich dürfe das Gericht im Allgemeinen nicht überprüfen, ob es zur Nutzungsabsicht des Vermieters bessere oder sinnvollere Alternativen gebe. Der Wunsch des Klägers nach einem gemeinsamen Wohnsitz in München sei nachvollziehbar und vernünftig. Es sei verständlich, dass der Kläger gemeinsam mit seiner aus der Gegend von München stammenden Ehefrau eine Wohnung in München beziehen möchte.

    Quelle: Amtsgericht München

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  4. Mietrecht: Eigenbedarfskündigung eines schwerstbehinderten und blinden Mieters unwirksam wegen drohender Gesundheitsgefahr.

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    Landgericht Lübeck, 21.11.2014, Az.: 1 S 43/14

    Die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung wurden in den letzten Jahren immer weiter herabgesetzt und die Eigenbedarfskündigung somit vereinfacht.

    Dennoch gibt es weiterhin ein Widerspruchsrecht des Mieters gegen die Kündigung, welches in § 574 BGB geregelt ist.

    Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters nämlich widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei.

    Als Härte kommt zum Beispiel in Betracht:

        • Suizidgefahr des Mieters oder eines Angehörigen
        • Gesundheitsgefahr des Mieters oder eines Angehörigen
        • Verwurzelung des Mieters in der Wohnung bzw. in dem dazugehörigen Wohngebiet

    Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

    In dem hier dargestellten Fall ging es um die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung einer Mutter, welche mit ihrem schwerstbehinderten und blinden Sohn in der Wohnung lebte.

    Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

    Mieterin hatte behinderten und blinden Sohn, Vermieterin reicht Räumungsklage ein

    Die beklagte Mieterin der Wohnung war die Mutter eines mehrfach geistig behinderten und blinden 15-jährigen Sohnes, welcher ebenfalls in der Wohnung wohnte. Die Wohnung wurde durch die klagende Vermieterin mit Schreiben vom 28.03.2013 zum 30.09.2013 wegen Eigenbedarfs (für den Sohn der Vermieterin) gekündigt.

    Dieser Eigenbedarfskündigung widersprach die Beklagte form- und fristgerecht. Als die Beklagte die Wohnung trotz der Kündigung nicht räumte, klagte die Klägerin zunächst vor dem Amtsgericht auf Räumung und Herausgabe der Wohnung wegen Eigenbedarfs.

    Amtsgericht verurteilt Mieterin zur Räumung wegen Eigenbedarfs, diese legt Berufung ein

    In diesem Verfahren wurde durch einen Sachverständigen festgestellt, dass bei einem Wohnungswechsel mit Sicherheit oder mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung des behinderten Sohnes eintreten werde, welche für den Sohn sogar lebensbedrohlich werden könne.

    Das Amtsgericht sah den Anspruch der Klägerin dennoch als gegeben an und verurteilte die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Gegen dieses Urteil wandte sich die Beklagte mit der Berufung zum Landgericht Lübeck.

    Urteil des Landgerichts Lübeck:

    Landgericht Lübeck urteilt anders und sieht keinen Räumungsanspruch

    Das Landgericht Lübeck folgte der Ansicht des Amtsgerichts nicht und urteilte, dass den Klägern gegen die Beklagten der geltend gemachte Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zustehen würde.

    Nach Ansicht des Landgerichts habe das Amtsgericht zwar zutreffend angenommen, dass die Eigenbedarfskündigung vom 28.03.2013 zum 30.09.2013 wirksam gewesen sei. Denn der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB setze lediglich voraus, dass der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Haushalt gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigen würde.

    Grundsätzlich bestünde zwar ein Nutzungsinteresse wegen Eigenbedarfs

    Dabei setze der Eigenbedarf einen ernsthaften Nutzungswillen sowie ein vernünftiges Nutzungsinteresse voraus. Ein Nutzungswillen liege unstreitig vor. Die Kläger hätten unbestritten vorgetragen, dass die Klägerin zu 1. mit ihrem Sohn das streitgegenständliche Mietobjekt beziehen wolle. Auch hätten sie ein notwendiges Nutzungsinteresse gehabt.

    Grundlegend für die Bestimmung des Nutzungs-/Überlassungsinteresses sei der Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes vom 20.01.1988 (WuM 2002, 21, 22). Danach genüge es, wenn der Vermieter vernünftige nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes für sich oder eine begünstigte Person habe.

    Es sei nach der Auffassung des BGH nicht erforderlich, dass der Vermieter unzureichend untergebracht sei. Das BVerfG betone in diesem Zusammenhang, dass die Gerichte die Entscheidung des Eigentümers über seinen Wohnbedarf grundsätzlich respektieren müssten und ihm nicht fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen und seine weitere Lebensplanung aufdrängen dürften (BVerfG WuM 1989, 114).

    Allerdings fehle es am genannten Tatbestandsmerkmal, wenn das Nutzungs- oder Überlassungsinteresse kein hinreichendes Gewicht habe, etwa weil die Wohnung nur für kurze Zeit benötigt werde oder weil die Kündigung vernunftswidrig oder willkürlich sei oder weil der Vermieter einen übermäßigen Bedarf geltend mache.

    Vorliegend sei die Eigenbedarfskündigung darauf gestützt worden, dass die Klägerin zu 1. aus der (nach der Trennung von dem Kläger zu 2. und dem Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung) zwischenzeitlich angemieteten Wohnung ausziehen und zusammen mit ihrem 22jährigen Sohn in das in ihrem Eigentum stehende Haus einziehen wolle.

    Die Nutzung des Eigentums anstelle der Nutzung einer Mietwohnung sei wirtschaftlich sinnvoll und stelle einen vernünftigen Grund dar. Der Umstand, dass ihre Mietwohnung in etwa dieselbe Größe habe wie das streitgegenständliche in ihrem Eigentum stehende Haus, begründe insoweit nicht die Vernunftswidrigkeit. Maßgeblich sei das nachvollziehbare Interesse, ihr Eigentum selbst zu nutzen.

    Mietverhältnis hat sich nach §§ 574, 574a BGB durch den Widerspruch der Beklagten allerdings auf unbestimmte Zeit verlängert

    Allerdings sei der geltend gemachte Räumungsanspruch deshalb unbegründet, weil sich das Mietverhältnis nach §§ 574, 574a BGB durch den Widerspruch der Beklagten vom 12.07.2013 auf unbestimmte Zeit verlängert habe.

    Nach § 574 Abs. 1 BGB könne der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei.

    Unter einer „Härte“ seien alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können. Der Eintritt der Nachteile müsse nicht mit absoluter Sicherheit feststehen.

    Es genüge, wenn solche Nachteile mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien. Die lediglich theoretische Möglichkeit des Eintritts von Nachteilen reiche aber nicht aus. Seien die Härtegründe nur vorübergehend oder bleibend, spiele dies nur für die Dauer der Vertragsfortsetzung eine Rolle.

    Sei ein Mieter wegen einer Krankheit an der Räumung gehindert, stelle auch dieser Umstand einen Härtegrund dar. Dies gelte sowohl für körperliche, als auch für geistige oder seelische Erkrankungen.

    Wie im Fall des alten Mieters liege auch hier ein Fall der Räumungsunfähigkeit vor, wenn der Mieter aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage sei, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert werden würde.

    Bei krankheitsbedingten Räumungshindernissen, die ihrer Natur nach vorübergehend seien, sei das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit fortzusetzen. Eine Vertragsfortsetzung auf unbestimmte Zeit komme in Betracht, wenn das Ende der Beeinträchtigung noch nicht abgeschätzt werden könne (§ 574a Abs. 2 Satz 2 BGB).

    In einem solchen Fall müsse der Vermieter besonders gewichtige Interessen an der Räumung haben

    Das Mietverhältnis eines Mieters, dem aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung ein Umzug nicht zugemutet werden könne, sei auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, wenn nicht der Vermieter besonders gewichtige Interessen an der Räumung habe.

    Zu denken sei dabei insbesondere an den blinden Mieter, der sich an eine bestimmte Umgebung gewöhnt habe und sich nur dort zurechtfinden könne.

    Ob die Härtegründe des Mieters zu einer Vertragsfortsetzung führen, sei unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters zu beurteilen. Zugunsten des Vermieters dürften lediglich die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe bewertet werden; andere Gründe seien nur dann zu berücksichtigen, wenn sie nachträglich (d. h. nach der Absendung des Kündigungsschreibens) entstanden wären (§ 574 Abs. 3 BGB).

    Bei der Interessenabwägung seien die Bestandsinteressen des Mieters mit den Erlangungsinteressen des Vermieters in Beziehung zu setzen. Es sei zu fragen, welche Auswirkungen eine Vertragsbeendigung für den Mieter haben würde und wie sich eine Vertragsfortsetzung auf den Vermieter auswirken würde.

    Gesundheitserhaltungsinteressen hätten Vorrang vor Finanzinteressen des Vermieters

    Die Wertentscheidung des Grundgesetzes sei zu berücksichtigen. Sei die Räumung für den Mieter mit einer Lebensgefahr verbunden, so müssten die Interessen des Vermieters zurückstehen. Die Interessen des Mieters an der Erhaltung seiner Gesundheit hätten im Allgemeinen Vorrang vor allgemeinen Finanzinteressen des Vermieters.

    Vorliegend sei zweifellos von einer Härte i.S.v. § 574 Abs. 1 BGB für den 15jährigen Sohn der Beklagten auszugehen.

    Rechtsfolge eines begründeten Widerspruchs nach §§ 574, 574a BGB sei es, dass die Räumungsklage abgewiesen und entschieden werde, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Das Mietverhältnis war insoweit auf unbestimmte Zeit fortsetzen, da es die Entscheidung der Beklagten sei, ob ihr Sohn in 2 Jahren bei einer Integration in eine Behindertenwerkstatt ihren Haushalt verlassen wird oder dort weiter wohnen bleibe. Der Sachverständige habe ein Verlassen des mütterlichen Haushalts in diesem Zusammenhang lediglich als eine Möglichkeit beschrieben.

    Quelle: Landgericht Lübeck

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