Einbürgerung: Klage eines Ausländers auf Einbürgerung wegen Untätigkeit der Behörde scheitert wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht München, 13.05.2020, Az.: M 25 K 19.573

Wer von der Einbürgerungsbehörde eine Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag haben möchte, braucht manchmal einen langen Atem, weil die Behörde zu langsam oder gar nicht arbeitet.

Nach dem Gesetz sollten Einbürgerungsverfahren höchstens 3 Monate dauern

Das Verwaltungsrecht, zu welchem auch das Ausländerrecht oder das Einbürgerungsrecht gehört, bietet hier allerdings Möglichkeiten, die Behörde zur Bearbeitung zu zwingen. Dabei handelt es sich um die Untätigkeitsklage, die in § 75 VwGO geregelt ist. Die sog. „Untätigkeitsklage“ ist keine eigenständige Klageart, sondern bezeichnet lediglich eine Sonderform der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei denen wegen Untätigkeit Behörde die Klage ohne (abgeschlossenes) Vorverfahren zulässig ist.

Behörde ragiert nicht, was kann ich machen

In dem vorliegenden Fall verklagte der Einbürgerungsbewerber die Einbürgerungsbehörde, weil diese den Einbürgerungsantrag nicht bearbeitete. Da der Kläger während des Gerichtsverfahrens allerdings umzog, wurde die Untätigkeitsklage letztendlich durch das Gericht wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen.

Sachverhalt der Gerichtsentscheidung

Der Kläger in diesem Fall war ägyptischer und österreichischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 12.11.2013 die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband bei der Beklagten u.a. unter Vorlage einer Bestätigung der ägyptischen Botschaft aus dem Jahr 2012, dass der Kläger aus der ägyptischen Staatsangehörigkeit entlassen werde, sobald er die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

Einbürgerungsverfahren dauert bereits 3 Jahre

Mit Schreiben vom 19.06.2016 sicherte die Beklagte die Einbürgerung für den Fall zu, dass der Verlust der ägyptischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Die Einbürgerungszusicherung gelte bis zum 18.01.2018. Sie werde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zum Ablauf dieser Frist nicht ändere.

Mit E-Mail vom 16.08.2016 teilte die Beklagte dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass die vorgelegte Bescheinigung aus dem Jahr 2012 bezüglich der Aufgabe der ägyptischen Staatsangehörigkeit laut Generalkonsulat zeitlich unbegrenzt gültig sei. Das Einbürgerungsverfahren könne fortgesetzt werden. Es werde um Übersendung von zwei aktuellen Gehaltsabrechnungen gebeten.

Kläger erhebt Untätigkeitsklage wegen überlangem Einbürgerungsverfahrens

Mit Schreiben vom 25.09.2016 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung, da alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Er habe alle geforderten Unterlagen vorgelegt.

Mit Schreiben vom 14.12.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie auf ihre Sicherheitsanfragen hin vom Polizeipräsidium München zwei noch anhängige Strafverfahren mitgeteilt bekommen habe. Das Einbürgerungsverfahren sei daher nach § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG auszusetzen. Es sei beabsichtigt, den Kläger einzubürgern, falls sich aus dem Strafverfahren keine schädlichen Strafen ergäben und auch sonst alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien.

Die Parteien vereinbarten daraufhin das Ruhen des Verfahrens, das mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 2017 angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 4.02.2019 nahm der Bevollmächtigte des Klägers das Verfahren wieder auf.

Kläger zieht während des Verfahrens um

Mit Schreiben vom 26.03.2019 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger zum 01.09.2017 verzogen sei und dort melderechtlich mit Hauptwohnsitz gemeldet sei und aus seiner alten Wohnung abgemeldet sei. Die Beklagte sei daher für die Einbürgerung nicht mehr zuständig.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte daraufhin mit Schreiben vom 29.04.2019, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger einzubürgern, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung gehabt hätte.

Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, das letzte noch anhängige Strafverfahren sei inzwischen beendet worden. Der Kläger sei mit Urteil des LG München I vom 07.05.2018 lediglich zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt worden, so dass eine strafrechtliche Verurteilung seiner Einbürgerung nicht entgegenstehe. Die Beklagte sei für die Einbürgerung weiterhin örtlich zuständig, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor in der alten Stadt habe, auch wenn er in der neuen Stadt mit Wohnsitz gemeldet sei.

Die Anmeldung nach Melderecht sei nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichzusetzen. Sollte die Beklagte nicht mehr örtlich zuständig sein, so habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung, da er gegen die Beklagte im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses vorgehen möchte.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts München

Das VG München urteilte nun, dass die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Der Hilfsantrag sei unzulässig.

Klage zwar zulässig aber unbegründet, da Kläger verzogen ist

Die Klage sei als Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 VwGO zulässig, da die Beklagte über den im Jahr 2013 gestellten Einbürgerungsantrag bislang nicht entschieden habe. Die Klage sei jedoch nicht begründet, da die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung für die Einbürgerung nicht mehr zuständig sei und ihr damit die Passivlegitimation nach § 78 VwGO fehle. Maßgeblich für den vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Einbürgerung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 5 C 17.05 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 27.2.2013 – 19 E 205/13 – beckonline).

In diesem Zeitpunkt sei die Beklagte für eine Entscheidung über den Einbürgerungsantrag des Klägers nicht mehr örtlich zuständig gewesen. Ziehe ein Einbürgerungsbewerber in den Bezirk einer anderen Einbürgerungsbehörde eines anderen Bundeslandes um, so erlange diese nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a des VwVfG des jeweiligen Bundeslandes die örtliche Behördenzuständigkeit für das Einbürgerungsverfahren (NdsOVG, B.v. 27.2.2013 – 19 E 205/13 – beckonline). In Bezug auf die Beklagte richte sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 3 BayVwVfG.

Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a BayVwVfG sei örtlich für das Einbürgerungsbegehren eines Ausländers die Behörde zuständig, in deren Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Eine Definition des Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts“ werde weder im BayVwVfG noch im VwVfG des Bundes gegeben, doch könne hier auf die Legaldefinition in § 9 AO und in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG B.v. 13.7.2011 – 2 BvR 742, 10 – beckonline). Diese laute: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.“ Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Eine Person habe einen gewöhnlichen Aufenthalt damit dort, wo sie nicht nur vorübergehend lebt, sondern auf unabsehbare Zeit, weil die Beendigung des Aufenthalts ungewiss sei (vgl. Schmitz Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage, 2018, zu § 3 VwVfG, Rn. 24). Entscheidend sei der tatsächliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse (Lebensmittelpunkt; OVG MV B.v. 27.3.2017 – 1 M 487/16 – beckonline).

Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dafür spreche, dass er nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung umgezogen sei. Auch gebe der Kläger gegenüber Gerichten und Behörden als Wohnadresse seine neue Wohnung an, so dass davon auszugehen sei, dass er sich dort auch gewöhnlich und dauernd aufhalte. Auch beim Verwaltungsgericht München sei auf Grund seiner zahlreichen Verfahren als Wohnadresse des Klägers seine neue Adresse hinterlegt. Für einen dauernden, nicht nur vorübergehenden Aufenthalt an seiner neuen Adresse spreche auch, dass der Kläger am Verwaltungsgericht Berlin eine Klage gegen die dortige Einbürgerungsbehörde erhoben habe, was für den anwaltlich vertretenen Kläger nur Sinn mache, wenn er die dortige Behörde auch für zuständig halte, sprich der Kläger selbst davon ausgehe, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr in Berlin habe.

Aus dem Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers ergibt sich nichts anderes. Es sei zwar richtig, dass die melderechtliche Lage allein keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen würde. Gleichwohl unterscheide das Melderecht in § 21 BMG zwischen Hauptwohnung und Nebenwohnung, wobei Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung sei, das heiße, wo sich der Einwohner überwiegend auch aufhalte. Insofern würden die obigen Ausführungen durch die vom Kläger vorgenommenen Anmeldungen bestätigt: Hauptwohnung in Berlin, Nebenwohnung in München. Denn wenn der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in München hätte, müsste die melderechtliche Lage genau umgekehrt sein. Dazu im Widerspruch stünde auch nicht das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Landgerichts München I zum Verfahren 31 S 7134/17 vom 12.04.2018. Dort gebe der Kläger zwar als Wohnung, seine bisherige Wohnung in München an und der Vermieter bestätige auch das Bestehen eines Mietvertrages. Ob sich der Kläger auch tatsächlich in der Wohnung aufhalte, bestätige der Vermieter indes nicht. Aber nur ein tatsächlicher Aufenthalt könnte einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Die reine Anmietung einer Wohnung führe hingegen nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts.

Daher gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger in München keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr habe. Eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG liege unabhängig von der Frage der Zweckmäßigkeit der Fortführung des Verfahrens durch die Beklagte allein schon deswegen nicht vor, weil die Zustimmung der Stadt Berlin nicht vorliege.

Da die Beklagte und die Stadt Berlin eigenständige, verschiedene Körperschaften seien, fehle mit der örtlichen Zuständigkeit auch die Passivlegitimation der Beklagten nach § 78 VwGO. Die Klage sei somit unbegründet.

Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog sei unzulässig.

Gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO spreche das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt habe, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig sei, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung habe. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sei auf erledigte Verpflichtungsbegehren bzw. Untätigkeitsklagen, wie vorliegend, entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1987 – 1 C 32/84 – juris Rn. 25 ff; Schübel-Pfister in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO, Rn. 127).

Durch den Umzug des Klägers hat sich dessen ursprüngliches Begehren erledigt

Das ursprüngliche Begehren des Klägers, durch die Untätigkeitsklage die Beklagte zu seiner Einbürgerung zu bewegen, habe sich durch den Umzug des Klägers erledigt. Mit Schreiben vom 29.04.2019 teilte der Rechtsanwalt des Klägers mit, dass beantragt werde festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger einzubürgern.

Nach den oben dargestellten Grundsätzen sei die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall zwar statthaft. Jedoch habe der Kläger das erforderliche berechtigte Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten. Die vom Vertreter des Klägers vorgetragene Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vor den ordentlichen Gerichten möge zwar grundsätzlich ein berechtigtes Feststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage begründen. Jedoch müssten zu dem (zu erwartenden) Schaden substantielle Ausführungen gemacht werden. Konkrete Angaben seien insofern erforderlich (Schübel-Pfister in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO Rn. 116; NdsOVG B.v. 23.1.2003 – 13 A 4859/00 – beckonline).

Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Der Bevollmächtigte des Klägers habe nur pauschal angegeben, dass die fortgesetzte Klage der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses gegen die Beklagte diene. Weitere Ausführungen zu etwaigen Schäden habe der Bevollmächtigte nicht gemacht.

Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Der Kläger habe im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auf Grund der Regelung des § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG keinen Anspruch auf Einbürgerung gegen die Beklagte, da im Herbst 2017 gegen den Kläger noch ein Strafverfahren lief und das Einbürgerungsverfahren somit gem. § 12a Abs. 3 Satz 1 StAG auszusetzen gewesen sei.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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