Mietrecht: Die (Eigenbedarfs-) Kündigung und der Sozialwiderspruch nach § 574 BGB - MTH Rechtsanwälte Köln
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Erst entsteht große Panik und dann Verzweiflung, wenn man eine unvorhersehbare Kündigung vom Vermieter beispielhaft wegen Eigenbedarfs in seinem eigenen Briefkasten vorfindet. Oft reißt es einen komplett aus der Realität heraus, doch wenn der Vermieter einem die Wohnung oder das Haus kündigt, ist noch längst nicht alles verloren – man kann nämlich rechtzeitig der Kündigung widersprechen und Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dies nennt man dann ein Kündigungswiderspruch bzw. Sozialwiderspruch. Doch so einfach ist es wiederum auch nicht, denn als Begründung muss eine unzumutbare Härte vorliegen.

Die Rechtsprechung stellt sich zwar in vielen Fällen auf die Seite des Vermieters, doch es gibt auch zahlreiche Einzelfälle, in welchen der Auszug aus dem jetzigen Mietobjekt eine unzumutbare Härte für den Mieter darstellen würde. Im Folgenden werden Sie erfahren was ein Sozialwiderspruch nach § 574 BGB ist und in welchen Fällen er greift.

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Was ist die Sozialklausel nach § 574 Absatz 1 BGB?

Wenn es um § 574 BGB geht, spricht man von einem sogenannten Sozialwiderspruch des Mieters, welche eine erhebliche Hürde bei Kündigungen von Vermietern darstellt. Denn laut § 574 Absatz 1 BGB kann der betroffene Mieter trotz einer an sich gerechtfertigten und im ersten Augenblick zulässigen ordentlichen Kündigung vom Vermieter, dieser widersprechen und gleichzeitig die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dieser Ausweg ist allerdings nur zulässig, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses ansonsten für den Mieter eine unzumutbare Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung aller berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Die Sozialklausel stellt damit das gleichwertige Gegenstück zu der Kündigungsbefugnis des Vermieters und bildet demnach keine Ausnahmeregelung.

Keine Anwendung findet die Sozialklausel bei Zeitmietverträgen, welche keinen Kündigungsschutz nach § 575 BGB genießen. Ebenso findet die Sozialklausel gemäß § 574 BGB keine Anwendung bei vorübergehendem Gebrauch von gemietetem Wohnraum oder wenn der Mieter selbst gekündigt hat, als auch wenn eine fristlose Kündigung gegen den Mieter berechtigt ist, selbst wenn der Vermieter „nur“ ordentlich gekündigt hat.

Wann liegt eine unzumutbare Härte vor und wann nicht?

Eine unzumutbare Härte kann für den Mieter, seine Familie oder einen Haushaltsangehörigen vorliegen. Durch einen solchen Widerspruch sichert sich der Mieter den Anspruch, dass das bisher bestehende Mietverhältnis solange fortsetzt werden muss, bis der unzumutbare Härtegrund nicht mehr besteht. Der wohl wichtigste Härtegrund wird ausdrücklich im Gesetz genannt. Dabei handelt es sich um fehlenden Ersatzwohnraum. In vielen Großstädten, zum Beispiel in Köln, ist Ersatzwohnraum mittlerweile sehr schwer zu finden und diese unzumutbare Härte greift somit des Öfteren. Der Vermieter muss dem gekündigten Mieter eine neue Wohnung oder Haus zu zumutbaren Bedingungen finden. Zumutbar wäre bereits eine neue Wohnung oder ein neues Haus, wenn sie teurer ist, nicht im gleichen Wohnviertel liegt und auch nicht so groß wie die bisherige. Demnach ist die Spanne für den Vermieter bereits breit gelegt.

Eine besondere Härte kann unter anderem auch vorliegen, wenn es sich um ältere, kranke, bereits sehr lang dort wohnende oder auch schwangere Personen handelt, aber auch, wenn der Mieter Kinder im Schulalter hat und diesen ein Schulwechsel nicht zuzumuten ist. In all den Fällen muss das Interesse des Mieters bei einer Abwägung über dem Interesse des Vermieters stehen und vorrangig betrachtet werden.

Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit unter anderen auch dann einer besonderen Härte zugestimmt, wenn der Mieter schwerkrank war und der Umzug seinen gesundheitlichen Zustand noch weiter verschlechtern würde oder aufgrund der Erkrankung dessen eine Ersatzwohnung kaum beschafft werden könnte. Ebenso wurde ein Härtefall von der Rechtsprechung bejaht, wenn eine akute Suizidgefahr bestand oder die Belastung eines Umzugs eine Suizidgefahr hervorrufen könnte, da der Mieter sich in einen sehr labilen psychischen Zustand befand.

Ein weiterer Grund für eine unzumutbare Härte liegt vor, wenn die Kinder des Mieters/der Mieterin kurz vor ihrem Schulabschluss stehen oder der Mieter/die Mieterin selbst in einer Vorbereitung auf eine wichtige Prüfung wie beispielhaft das Examen steckt. In solchen Fällen würde ein Umzug möglicherweise erhebliche Störungen bei der Vorbereitung auf das Examen oder Verschlechterung des Schulabschlusses hervorrufen.

Außerdem liegt ein wichtiger Härtegrund vor, wenn der Mieter in vertrauter Absprache mit dem Vermieter eine gewisse Summe in das Mietobjekt investiert hat – beispielsweise in Renovierungen, um dieses zu erhalten oder sogar zu verbessern, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Kündigung seitens des Vermieters absehbar war und der Mieter auch keine Entschädigung erhalten würde.

Vom Landgericht Köln wurde ein doppelter Umzug ebenso als Härtefall für den Mieter anerkannt. In dem dort vorliegenden Fall hat der Mieter eine passende Ersatzwohnung gefunden, in welche er allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Räumungszeitpunkt einziehen könnte. Um dieses Angebot wahrnehmen zu können, müsste er sich für die Zwischenzeit eine Notunterkunft suchen, was einen doppelten Umzug darstellen würde (LG Köln 6. Zivilkammer, Urteil vom 18. Juli 1996, Az: 6 S 474/95).

Weitere Gründe, die in der Vergangenheit bei einem Sozialwiderspruch durch die Rechtsprechung zugelassen wurden, welche allerdings auch meist nicht einzeln, sondern in Verbindung miteinander angegeben wurden:

 

      • Durch den Umzug wird der Mieter beruflich erhebliche Beeinträchtigungen erfahren, beispielsweise der mehrfache Verlust von Kunden
      • Nicht nur die Schwangerschaft selbst stellt einen Härtegrund dar, sondern auch die Lebenssituation kurz nach der Geburt mit einem kleinen Säugling
      • Ein sehr geringes Einkommen des Mieters
      • Aidserkrankungen des Lebensgefährten des Mieters
      • Krankheiten des Mieters wie Autismus, Tourettesyndrom oder multiple Sklerose mit schwerwiegenden Depressionen
      • Bei einem erkrankten Mieter mit der Möglichkeit einer optionalen Verpflegung/Pflege im Nachbarshaus wohnenden Angehörigen
      • Schuldunfähigkeit beim sogenannten „Messie-Syndrom“

Als Härtefall wurde vom Gericht die Begründung nicht anerkannt, dass die Mieter durch eine lange Mietzeit in der Wohngegend sozial verwurzelt sind (LG Bremen 2. Zivilkammer, Urteil vom 22. Mai 2003, Az: 2 S 315/02). Ebenso nicht anerkannt wurde eine umzugsbedingte Notwendigkeit der Benutzung von öffentlichem Verkehrsmittel durch das Kindes der Mieter bei der Aufsuchung von der Schule (LG Hamburg 11. Zivilkammer, Urteil vom 3. April 1998, Az: 311 S 225/97).

Vollständig sind beide Aufzählungen nicht, denn auch andere Gründe können gerichtlich anerkannt werden. Das Gericht muss bei der Abwägung immer die Situation des vorliegenden Einzelfalls prüfen, um einen unzumutbaren Härtegrund annehmen zu können. Die Voraussetzungen für einen solchen wurden allerdings durch die Entscheidung des BGH vom 22.05.2019 erhöht (BGH VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17). Dadurch geht nun fast nichts mehr ohne ein Gutachten eines Sachverständigen, wodurch wiederum die Kosten des Verfahrens steigen. Sollte man sich ein Sachverständigengutachten nicht leisten können oder keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, so wird es schwer.

Form, Frist und Folge eines Sozialwiderspruchs:

Sobald ein Mieter einer Kündigung widersprechen möchte, kann er sich gegebenenfalls auf die Sozialklausel berufen. Einen solchen Sozialwiderspruch muss er unbedingt schriftlich verfassen und alle Gründe nennen, wieso er dieser Kündigung widerspreche. Die Begründung darf auf keinen Fall vergessen werden. Das Schreiben muss im Übrigen auch eigenhändig unterschrieben werden. Der Vermieter ist regelrecht gezwungen, auf dieses Schreiben zu reagieren.

Der Widerspruch, wenn vom Vermieter rechtzeitig auf eine solche Möglichkeit hingewiesen wurde, muss spätestens zwei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist beim Vermieter vorliegen. Sollte der Vermieter es versäumt haben rechtzeitig auf das Recht des Widerspruchsrecht hinzuweisen, so ist der Mieter an diese Frist nicht gebunden. In einem solchen Fall kann man sogar noch im ersten Termin des Räumungsprozesses vor Gericht den Widerspruch erklären.

Nach dem Widerspruch des Mieters bleibt den Vermieter nur ein Einreichen einer Räumungsklage gegen den Mieter übrig, damit dieser die Kündigung durchsetzen kann. Im Rahmen einer Räumungsklage muss das zuständige Gericht entscheiden, ob der berechtigte Kündigungsgrund des Vermieters schwerer wiegt, oder die Härtegründe des Mieters überwiegen.

Als Mieter sollten Sie demnach versuchen, ihr Prozesskostenrisiko zu verringern. Dazu muss man unter anderem nachweisen können, dass man sich im Vorfeld nach eigenen Kräften um außergerichtliches Einvernehmen bemüht hat, jedoch damit gescheitert ist. So kann man ein Protokoll über die Besichtigungen der Ersatzwohnungen führen, welche sie gegebenfalls vor Gericht vorlegen können.

Sollten Sie sich bei der Verfassung eines Widerspruchs unsicher sein, lassen Sie sich von einem Anwalt beraten, der sich Ihren individuellen Fall genauestens ansieht. So haben Sie die besten Chancen auf ein erfolgreiches Ende.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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