Ausländerrecht: Unzulässigkeit der Klage wegen fehlender Wohnsitzadresse - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

VG München, Urteil v. 13.02.2020 – M 10 K 18.5802

Will man eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, so ist man durch das Aufenthaltsgesetz dazu verpflichtet, einen gewissen Grad an Mitwirkung beizusteuern. Darunter gehört unter anderem die Pflicht, seine Wohnadresse und jeglichen Wohnsitzwechsel zu melden. Kommt man dieser Pflicht nicht nach, so ist auch eine Klageerhebung nicht möglich, da diese bei fehlender Anschrift bereits die Voraussetzungen der Zulässigkeit nicht erfüllt.

Im vorliegenden Fall beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, welche abgelehnt wurde. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung aber keine Wohnadresse angegeben hatte, wurde die Klage als unzulässig abgewiesen.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Serbischer Staatsangehöriger beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

Der Kläger begehrte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Beklagte. Der Kläger war serbischer Staatsangehöriger und im Dezember 2000 in Deutschland geboren. Mit Schreiben vom 19. März 2018 beantragte einer der Bevollmächtigten des Klägers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Am 31. Juli 2018 sprach der Vater des Klägers bei der Beklagten vor und beantragte für den Kläger eine Niederlassungserlaubnis.

Mit Bescheid vom 16. November 2018 wurden die Anträge auf Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 19. März 2018 und 31. Juli 2018 durch die Beklagte abgelehnt (Nummern 1 und 2 des Bescheids). Der Kläger wurde dazu verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 14. Dezember 2018 zu verlassen (Nummer 3). Bei einem schuldhaften und erheblichen Überschreiten der Ausreisepflicht könne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von einem Jahr angeordnet werden (Nummer 4). Im Falle einer nicht fristgerechten Ausreise werde der Kläger nach Serbien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben (Nummer 5).

Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt und die Abschiebung angedroht

Mit Schriftsatz vom 26. November 2018 erhoben die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten, dass der Bescheid vom 16. November 2018 aufgehoben wird. Zusätzlich beantragten sie die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Klage wurde abgewiesen.

In der Klageschrift vom 26. November 2018 wurde der Kläger mit Anschrift bezeichnet. Zusammen mit einem Schriftsatz vom 25. März 2019 legten die Klägerbevollmächtigten einen Betreuerausweis über, die bis zum 31. August 2019 befristete vorläufige Betreuung des Klägers vor, der eine neue Adresse des Klägers enthielt.

Kläger war schließlich nicht mehr auffindbar

Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2020 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger an dieser letzten Adresse nicht mehr wohnhaft gewesen sei und im Melderegister seit 29. August 2019 als nach unbekannt verzogen geführt werde. Der Vater des Klägers würde sich im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes … aufhalten. Später erklärte die Beklagte, der Vater des Klägers sei in … gemeldet. Daraufhin forderte das Gericht die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers auf, eine aktuelle ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen. Eine solche Mitteilung erfolgte nicht. Auf Nachfrage des Gerichts im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erklärten die Klägerbevollmächtigten stattdessen, dass ihnen keine neue Anschrift des Klägers bekannt sei.

Das Gericht brachte in Erfahrung, dass der Kläger derzeit nicht gemeldet war.

Urteil des Verwaltungsgerichts München:

Klage wurde durch das Gericht wegen der fehlenden Adresse als unzulässig abgewiesen

Das VG München wies die Klage als unzulässig ab. Trotz Ausbleibens des Klägers und seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung konnte über die Klage entschieden werden, da in der Ladung zum Termin, die den Klägerbevollmächtigten am 19. Dezember 2019 zugegangen war, auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Das VG München wies die Klage als unzulässig ab.

Zur Begründung trug es vor, dass dem Gericht keine ladungsfähige Anschrift des Klägers vorlag.

Gemäß § 82 Abs. 1 VwGO muss die Klage unter anderem den Kläger bezeichnen. Hierzu erforderlich ist auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers, um zum Beispiel die im gerichtlichen Verfahren zu bewirkenden Zustellungen vornehmen zu können (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 3 m.w.N.). Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen, muss dem Gericht auch noch zu diesem Zeitpunkt eine aktuelle ladungsfähige Anschrift des Klägers vorliegen (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vorb. § 40 Rn. 11). Zieht der Kläger damit im Laufe des Verfahrens um, hat er dem Gericht aufgrund seiner Mitwirkungspflicht die neue Anschrift mitzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger einen Verfahrensbevollmächtigten hat (Hoppe, a.a.O.).

Eine ladungsfähige Anschrift war dem Gericht nicht bekannt. Der Kläger war von der letztbekannten Anschrift bereits zum 29. August 2019 als nach unbekannt verzogen abgemeldet worden. Aufgrund des Untertauchens des Klägers war nicht davon auszugehen, dass ihn Zustellungen unter dieser (veralteten) Adresse erreichen würden. Insbesondere hatte der Vertreter der Beklagten im Vorfeld der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Beklagte auch in anderer Sache erfolglos versucht hatte, den Kläger unter dieser Adresse zu kontaktieren. Eine neue Adresse des Klägers lag dem Gericht nicht vor. Insbesondere konnte das Gericht im Bayerischen Behördennetzwerk Baybis eine aktuelle Meldeadresse des Klägers weder in …, noch in … bzw. … ermitteln. Der Vertreter der Beklagten hatte in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2020 ausgeführt, dass vom Kläger auch weiterhin keine ladungsfähige Anschrift bzw. Meldeadresse bekannt sei. Damit fehlte es an der Zulässigkeitsvoraussetzung der ladungsfähigen Anschrift.

Gericht sah auch kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, da Kläger an Entscheidung kein Interesse hatte

Zudem fehlte der Klage das Rechtsschutzbedürfnis.

Nach ständiger Rechtsprechung hat nur derjenige, der ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung. Diese Prozessvoraussetzung ist Ausfluss des allgemeinen Verbots eines Rechtsmissbrauchs und vom Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 33; BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.12.2001 – 21 B 00.31685 – juris Rn. 20). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17; OVG NW, B.v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 2 f.).

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Untertauchen von Ausländern, die mit ihrem Rechtsschutzbegehren einen weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik sichern wollten, zu einem Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses führt (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2006 – 24 CE 06.1102 – juris Rn. 13 ff.; B.v. 6.3.2014 – 10 ZB 13.1862 – juris Rn. 4). In einem solchen Fall konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene das Verfahren weiterbetreiben wollte. Dafür sprach vorliegend insbesondere auch, dass der Kläger seinen Bevollmächtigten den Umzug nicht mitgeteilt hatte. Ihm war also erkennbar nicht daran gelegen, durch die Bevollmächtigten weiter per Post über den Stand des Verfahrens informiert zu werden. Da er auch dem Gericht gegenüber keine neue Adresse gemeldet hatte, war er für das Gericht nicht mehr erreichbar, weder direkt, noch über seine Bevollmächtigten. Dass das Gericht zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bei den Beteiligten gegebenenfalls noch fehlende Informationen zum Sachverhalt einholen musste oder aus sonstigen Gründen mit den Beteiligten in Kontakt treten wollte, sei auch für einen juristischen Laien verständlich. Fehlt es daher bereits am Willen, während des Verfahrens erreichbar zu sein bzw. zu bleiben, kann kein derartiges Interesse am Ausgang des Verfahrens angenommen werden, das für den Kläger einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung begründen würde (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2001 – 21 B 00.31685 – juris Rn. 21 f.). Es fehlte daher ebenfalls an der Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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