Mietrecht: Landgericht München I erkennt staatlich verordnete Schließung eines Geschäfts wegen Corona/Covid 19 als Mietmangel an - MTH Rechtsanwälte Köln
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Landgericht München I, 22.09.2020, Az.: 3 O 4495/20

In der Rechtssprechung gibt es erhebliche Unterschiede, wie die einzelnen Gerichte eine staatlich verordnete Schließung eines Geschäfts mietrechtlich einordnen. So hat das Landgericht Frankfurt am Main in seiner Entscheidung vom 05.10.2020 (Az.: 2-15 O 23/20) entschieden, dass eine Mietminderung deswegen nicht gerechtfertigt sei und auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege. Ähnlich urteilten auch das Landgericht Stuttgart am 19.11.2020 (Az.: 11 O 215/20) sowie das Landgericht Wiesbaden am 05.10.2020 (Az.: 9 O 852/20).Verschiedene Schritte zu Mietminderung durch Mieter

Anders urteilte das Landgericht München in dem hier besprochenen Fall. Das Landgericht München urteilte, dass die staatlich verordnete Schließung eines Möbelgeschäftes sehr wohl einen Mietmangel darstellen würde und verlagerte das Nutzungsrisiko auf den Vermieter.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Die Klägerin in diesem Fall war Vermieterin und die Beklagte Mieterin von Geschäftsräumen in der Münchener Innenstadt. Die beklagte Vermieterin hatte in den Monaten April, Mai und Juni 2020 keine Miete gezahlt, da ihrer Ansicht nach die Miete wegen der Beschränkungen aufgrund der Corona Epidemie um 100% gemindert waren.

Die Parteien waren über einen Mietvertrag vom 10.10.2017 über die Gewerberäume verbunden. Vermietet war eine Gesamtfläche von 2.929 Quadratmetern (Untergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß und Lagerfläche im zweiten Untergeschoß). Als monatlicher Nettomietzins waren 52.668,25 Euro vereinbart, die Umsatzsteuer im Monat betrug 10.006,97 Euro (§ 4 4.1 Mietvertrag). Brutto betrug der Mietzins demgemäß 62.675,22 Euro. Daneben waren Betriebs- und Nebenkosten (§ 4 4.2 Mietvertrag) zu zahlen. Die Betriebskostenvorauszahlungen betrugen gem. § 4 4.5 des Mietvertrags 11.200,– Euro zuzüglich Umsatzsteuer 2.128,– Euro, also insgesamt 13.328,– Euro. Aufaddiert waren also mietvertraglich monatlich 76.003,22 Euro zu entrichten. Gem. § 7 a, Ziffern 7 a 1, 7 a 2, 7 a 3 waren Schadensersatzansprüche bzw. Mietminderungsansprüche wegen vom Vermieter nicht zu vertretender Emissionen oder Störungen der Zugänge des Gebäudes bzw. wegen Mängeln des Mietgegenstandes beschränkt.

Mietgegenstand des Mietvertrages lautete auszugsweise in Ziffer 1 1:

„Vermietet werden die Flächen im Geschäftshaus zum Betrieb und zur Nutzung als Die Vermietung erfolgt ausschließlich zum Zwecke des Einzelhandels mit – im wesentlichen – . Der Vermieter erklärt, dass die Nutzung der Mieträume in ihrem baulichen Zustand und zu diesem Zweck am Tag der Übergabe baurechtlich zulässig ist; nur hierfür steht der Vermieter nach diesem Vertrag ein…Die Mieterin ist weiter verpflichtet, auf ihre Kosten und ihr Risiko alle weiteren etwaigen für ihren Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten. Der Vermieter sorgt für ungehinderten Zugang zu den Mieträumen und zwar sowohl für die Kunden als auch für die Warenanlieferungen, soweit es in seinem Einflussbereich steht.

Eine Änderung des Mietzwecks bedarf der schriftlichen Zustimmung des Vermieters, die nur aufgrund von sachlichen Gründen verweigert werden darf…“

Bei Einsetzen der Covid-19-Pandemie reagierte der Freistaat Bayern mit mehreren öffentlich-rechtlichen Maßnahmen, so durch Allgemeinverfügungen und Infektionsschutzmaßnahmeverordnungen. Durch die vorgenommenen behördlichen Einschränkungen wurde der Beklagten die Öffnung ihrer Ladenfläche in der Zeit vom 18.3.2020 bis zum 26.4.2020 vollständig untersagt.

Ab dem 27.4.2020 bis zum 10.5.2020 war der Beklagten der Betrieb nur eingeschränkt auf einer Fläche von 800 Quadratmetern im Erdgeschoß und teilweise im Untergeschoß möglich. Ferner musste die Beklagte ein umfangreiches Abstands- und Hygienekonzept einhalten, wobei in dem Ladengeschäft nur maximal der Aufenthalt eines Kunden je 20 Quadratmeter Verkaufsfläche zulässig war. Diese Beschränkung der Kundenanwesenheit galt auch seit dem 11.5.2020 fort, während die Verkaufsflächenbeschränkung wegfiel.

Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 23.3.2020 mitgeteilt, sie müsse ab April 2020 bis auf weiteres coronabedingt die Miete um 100% kürzen und berief sich in diesem Schreiben auf höhere Gewalt im Sinne eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses.

Die Klagepartei wiederum war der Ansicht, dass die Beklagte für April 2020 Mietzahlungen i.H.v. 76.137,76 Euro, für Mai und Juni 2020 i.H.v. jeweils 73.866,48 Euro hätte leisten müssen.

Aus Sicht der Klägerin sei die Beklagte weiter in voller Höhe zur Mietzahlung verpflichtet gewesen. Die Miete sei trotz der behördlichen Schließungsanordnungen weder gemindert noch liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Behördliche Schließungsanordnungen richteten sich als Allgemeinverfügung gegen den Betreiber als Adressaten gerade nicht gegen den Eigentümer der Mietsache. Die Mietsache selbst sei während der gesamten Zeit zum vertraglich vereinbarten Nutzungszweck vom Vermieter überlassen gewesen. Es sei lediglich die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art untersagt worden. So hätten auch während der behördlichen Schließzeiten die Räumlichkeiten genutzt werden können, z.B. zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten oder zur Produktlagerung. Ein Mietmangel habe daher nicht bestanden. Dies ergebe sich zudem aus der Risikoverteilung des Mietverhältnisses, wonach in den Risikobereich der Beklagten die Umsetzung des Betriebs eines Möbelgeschäfts falle. Auch die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage seien nicht einschlägig. Diese kämen nur in Betracht, wenn sich die Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend ändern würden und für die Parteien ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Hier trage wiederum das Verwendungsrisiko ausschließlich der Mieter; eine gemeinsame Geschäftsgrundlage scheide insoweit auch aus, da die Parteien bei Vertragsschluss keine Vorstellungen zu einer Pandemie gehabt hätten.

Die Beklagte wiederum war der Ansicht, dass sie nicht zur Mietzahlung verpflichtet gewesen sei, da die behördliche Untersagung der Nutzung des Mietobjekts einen Mietmangel begründen würde und im Übrigen wegen der Covid-19 bedingten Nutzungsuntersagung auch ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage gegeben sei. Während der völligen Nutzungsuntersagung habe sie keine Umsätze mit während dieser Zeit in den Mietflächen getätigten Verkäufen erzielen können, weil diese nicht für Kunden zugänglich gewesen waren. Die fehlende Nutzbarkeit bzw. die folgende eingeschränkte Nutzbarkeit stelle einen Mietmangel dar; selbst wenn die Aufhebung der Tauglichkeit der Mietsache zur Nutzung zum vertraglich vereinbarten Mietzweck nicht als Mietmangel angesehen würde, läge zumindest ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vor. Die Öffnung des Geschäfts der Beklagten für den Publikumsverkehr und der Betrieb zum vereinbarten Mietzweck gingen insoweit miteinander einher, dass es ohne den Zugang zum Ladenlokal auch keinen mietvertragsentsprechenden Geschäftsbetrieb geben könne. Dies ergebe sich insgesamt schon wegen der zentralen auf dem Publikumsverkehr ausgerichteten Lage des Mietobjekts, was ein maßgeblicher Grund für dessen Anmietung gewesen sei. Daher wirke sich auch die spätere Nutzungsbeschränkung sehr erheblich aus.

Urteil des Landgerichts München

Das Landgericht München urteilte nun, dass die zulässige Klage nur teilweise begründet sei. Die Beklagte Mieterin habe die Miete teilweise und in Abstufungen der jeweils geltend gemachten Mietmonate mindern können.

1. Geminderter Mietzahlungsanspruch

1.Gem. § 535 Abs. 2 BGB sei der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten, während der Vermieter gem. § 535 Abs. 1 BGB durch den Mietvertrag verpflichtet sei, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren.

Dies bedeutet, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten habe. Die aktuelle Fassung entspreche damit weitgehend der Ursprungsfassung des BGB in den ehemaligen §§ 535, 536 BGB, wonach der Vermieter die vermietete Sache dem Mieter in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauche geeigneten Zustand zu überlassen habe und dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren habe.

2.Habe die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so sei der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert sei, habe er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten, wobei eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit außer Betracht bleibe (vgl. § 536 Abs. 1 BGB).

Ähnlich formuliert sei § 537 BGB in der Ursprungsfassung: „Ist die vermietete Sache zur Zeit der Überlassung an den Mieter mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert oder entsteht im Laufe der Miete ein solcher Fehler, so ist der Mieter für die Zeit, während deren die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Mietzinses befreit, für die Zeit, während die Tauglichkeit gemindert ist nur zur Entrichtung eines nach …zu bemessenden Teiles des Mietzinses verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt…“

a) Zunächst sei seit der Frühzeit der Anwendung des bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt, dass aufgrund Verbots der Öffnung von Verkaufsstellen für den Einzelhandel oder des Gastgewerbes ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen könne, weil die Tauglichkeit der Mieträume für den vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist (vgl. beispielsweise Bieber, Grundeigentum 2020, 657 bis 658). Dies habe das Reichsgericht soweit ersichtlich in vier Entscheidungen stabil bestätigt:

aa) So führte das Reichsgericht (JW 1913, Seite 596, Nr. 10) aus, die auf einem gesetzlichen Verbot beruhende Unbenutzbarkeit der Mieträume zu dem bestimmungsgemäßen Gebrauche bilde einen Mangel im Sinne der §§ 537, 538 BGB a.F. Im damals gegenständlichen Fall ging es um Räume, welche zum Betrieb einer Fabrik vermietet waren, wobei dieser Fabrikbetrieb den Mietern durch die örtliche Polizeibehörde untersagt worden war. Das Reichsgericht führte damals aus, der Begriff des Sachmangels sei bei der Miete im allgemeinen „kein anderer als beim Kaufe“, wenn sich auch ein Unterschied daraus ergebe, dass nur die Fehler in Betracht kommen, welche die Tauglichkeit der Sache „zu dem vertragsgemäßen Gebrauche aufheben oder mindern“. Die Unbrauchbarkeit der Sache zu dem vertragsgemäßen Gebrauche müsse daher bei der Miete ebenso wie beim Kaufe auch dann als Sachmangel angesehen werden, wenn sie auf Bestimmungen des öffentlichen Rechts beruht.

bb) In einer weiteren Entscheidung vom 09.11.1915, Rep. III.145/15 äußerte sich das Reichsgericht in Bezug auf ein Restaurantetablissement, das jedenfalls in nicht unwesentlicher Weise als Tanzbar betrieben worden war, wobei nach Beginn des 1. Weltkriegs Tänze polizeilich sehr eingeschränkt wurden. Hier führte das Reichsgericht aus, dass, so „der Tanzbetrieb die eigentliche Quelle des Erwerbs aus der Gastwirtschaft“ zur Zeit des Vertragsschlusses bildete, so dass der Minderungsanspruch der Kläger gerechtfertigt sei. Ein einschränkendes Verbot beeinträchtige die Möglichkeit des Pächters zur Fruchtziehung und nehme die Möglichkeit die vertragsgemäßen Nutzungen zu gewähren. Insoweit führte das Reichsgericht sogar aus, es sei ohne Bedeutung, wenn der Tanzbetrieb im schriftlichen Vertrage nicht erwähnt ist. Es habe somit ein behördliches Tanzverbot „den Pachtgegenstand selbst“ betroffen, die zum Tanzbetrieb eingerichteten und ihm seit langen Jahren dienenden Räume; sie wurden dadurch der Eigenschaft einer Tanzwirtschaft beraubt und waren so mit einem die Tauglichkeit zu der vertragsgemäßen Nutzung mindernden Fehler behaftet.

cc) In einer weiteren Entscheidung vom 15.2.1916, Rep. III.333/15 äußerte sich das Reichsgericht zur Ermäßigung des Pachtzinses einer als Nachtlokal betriebenen Weinwirtschaft, wenn die Polizeistunde allgemein neu festgesetzt wird und dadurch der Nachtbetrieb zum großen Teil unmöglich gemacht wird. Seinerzeit wurde nach Beginn des 1. Weltkriegs die Polizeistunde allgemein vorverlegt. Hier führte das Reichsgericht aus, der Verpächter sei verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte während der Pachtzeit zu gewähren, wobei es im entschiedenen Fall feststellte, dass „die Wirtschaftsräume für den Nachtbetrieb bestimmt und nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien unter Vereinbarung einer dieser Art des Betriebs entsprechenden hohen Vergütung verpachtet worden“ waren. Durch die Vorverlegung der Polizeistunde könne von einem Nachtbetrieb in dem gewöhnlichen und auch im Sinne des Vertrags entsprechenden Sinne nicht gesprochen werden. Damit sei der Pachtgegenstand selbst in seiner Eigenschaft als Nachtwirtschaft getroffen und der vertragsgemäße Gebrauch insoweit entzogen.

dd) In einer weiteren Entscheidung führte das Reichsgericht mit Urteil vom 26.10.1917 Rep. III 212/17 zu der Miete eines Ladens in einem Badeort zum Geschäftsbetrieb mit den Badegästen nach Erlass eines Verbots des Badebetriebs durch die zuständige Militärbehörde aus, dass dies für den vermieteten Laden „einen Fehler, einen Mangel“ herbeigeführt habe, der „die Tauglichkeit des Ladens zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt“. Weiter führte das Reichsgericht aus, dass die Mieter des Ladens sich nicht darauf verweisen lassen müssten, sie könnten den Laden zu Verkaufszwecken weiter benutzen, nämlich für Zwecke guter Geschäfte wegen der neuen starken Kriegsgarnison am Ort, da ein solcher Geschäftsbetrieb nach dem Gegenstand der Betriebsart ein völlig anderer wäre als der beiderseits zum Vertragsschlusse gemeinte und gewollte.

In den Entscheidungen des Reichsgerichts ist offenkundig, dass die Begrifflichkeit „Mangel“ und „Fehler“ synonym und gleichbedeutend gebraucht werden.

b) Auch in der jetzt aufkommenden Literatur gebe es starke Stimmen, welche vorrangig das Mietminderungsrecht zur Lösung von coronabedingten Konflikten von Mietparteien heranziehen (so beispielsweise Krepold, WM 2020, 726 – 734 oder auch Horst, MK 2020, 089-092). Die Autoren würden jeweils vom Vermietungszweck ausgehen, beispielsweise eines Hotel- oder Gaststättengewerbes (Krepold, a.a.O. 731) oder sogar von einer Unmöglichkeit der Vertragsfortführung bei Nutzungsverboten (Horst a.a.O.), wobei eine Mietminderung zu 100% in aller Regel in Betracht komme, was der gesetzlichen Automatik der genannten Garantiehaftung des Vermieters entspreche.

Im Übrigen sei ohnehin anerkannt, dass öffentlich rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankomme und die Beschränkung grundsätzlich bestehen müsse (Palandt, BGB, 2020, § 536 Rd.Ziffer 18).

c) Vor diesem Hintergrund sehe das Gericht die vorliegenden Beschränkungen der Mietsache als Mietmangel im Sinne von § 536 BGB an.

Schriftlich festgelegter (§ 1 Mietvertrag) und überdies deutlich von den Parteien vorausgesetzter Mietzweck sei der Betrieb zur Nutzung als Möbelgeschäft mit Wohnaccessoires zum Zwecke des Einzelhandels. Dieser Mietzweck habe nach den öffentlich rechtlichen Beschränkungen infolge der Corona Epidemie nicht mehr eingehalten werden können. Diese Beschränkungen würden nicht in den Risikobereich der beklagten Mieterin fallen. Soweit vertragsgemäß (§ 1 1.1) festgehalten sei, dass die Mieterin verpflichtet sei, auf ihr Risiko alle weiteren etwaigen für ihren Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten, führe dies zu keiner anderen Risikoverteilung, da dies nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien nur baurechtliche oder ggf. arbeitsrechtliche Genehmigungen sein konnten; die Parteien hätten sich sicherlich zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags keine Gedanken um Nutzungseinschränkungen in der Innenstadt wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht. Damit treffe die behördliche Einschränkung die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, da nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien gerade ein Ladengeschäft für hochwertige Möbel und hochwertige Möbelaccessoires in zentraler Münchner Lage betrieben werden sollte.

An diesem Mietzweck müsse sich auch die Vermieterin festhalten lassen, der zudem gelegen war eine hochwertige Umgebung für das Gesamtensemble zu erhalten. Damit unterscheide sich die Situation auch grundsätzlich von der Situation einer Gaststätte, die von durch Volksentscheid herbeigeführter Bayerischen Rauchverbotsregelung betroffen sei. Eine Gaststätte könne nämlich weiterbetrieben werden, wobei durch Unterlassen von Rauchen ein stärkerer Kunden-, Gäste wie auch insbesondere Arbeitsschutz für Bedienungen und Mitarbeiter zu erwarten sei. Derartige, letztendlich ins Arbeitsrecht hineingehende Schutzbestimmungen müsse aber ein Gaststättenbetreiber immer hinnehmen, sie hätten mit dem vereinbarten Mietzweck allenfalls in ungewöhnlichen Sondersituationen zu tun. Vorliegend sei aber der vereinbarte und von beiden Parteien vorausgesetzte Nutzungszweck der Mietsache, auf dem die Fruchtziehung der Beklagten beruhe, erheblich gestört. Dies begründe in der vorliegenden Gewerbemiete mit oben angeführten Darlegungen einen Mietmangel.

3.In der Folge des Vorhandenseins des Mangels sei ein Minderungsbetrag zu bemessen, da der vorhandene Mangel nicht nur bagatellhafter Art sei. Entsprechend Mietvertrag gehe das Gericht insgesamt von einer geschuldeten Bruttogesamtmiete einschließlich der Nebenkosten und Heizungskosten von 76.003,22 Euro aus. Die – wenn auch relativ geringfügig – abweichenden Beträge, welche die Klageseite angebe würden sich dem Gericht nicht erschließen. Der Zahlbetrag selbst sei jeweils zwischen den Parteien umstritten und sei auch anhand der internen Kontoverrechnungsanlage der Klagepartei für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Die Minderung trete ein, ohne dass sich der Mieter darauf berufen müsse. Es sei eine angemessene Herabsetzung proportional zur Tauglichkeitsminderung durch Schätzung eines prozentualen Abschlags vorzunehmen, bei erheblicher Minderfläche entsprechend der prozentualen Flächenabweichung. Bei gewerblichen Räumen sei primär auf die Störung der Betriebsausübung abzustellen, wobei bei einer periodischen Störung die Minderung nur mit dem Zeitraum der Störung eintrete (Palandt, BGB, 2020, § 536, Rd.Ziffer 33). Auch bei ergänzenden vertraglichen Regelungen habe die Beklagte hier sich auf die gesetzlich geminderte Miete berufen können, da einen etwa überzahlten Betrag die Klagepartei ansonsten wieder an sie herausgeben müsste (dolo fazit qui petit, quod statim redditurus est, § 242 BGB).

Dadurch würden sich folgende Bemessungen ergeben:

aa) April Miete 2020

Im April 2020 sei wegen der weitgehenden Schließung des Ladenlokals durch die Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen und Allgemeinverfügungen ein verkaufender Geschäftsbetrieb für den Publikumsverkehr fast unmöglich gewesen. Die Räumlichkeiten hätten im Prinzip nur für Mitarbeiter, die Aufrechterhaltung der Verwaltung oder Inventararbeiten, ggf. für einen Versandhandel zur Verfügung gestanden

Daher gehe das Gericht von einem weitgehenden Minderungsbetrag von 80% aus. Dies bedeute, dass die Klagepartei ausgehend von einem Mietzahlungsanspruch einschließlich Steuern und Nebenkosten von 76.003,22 Euro ein Zahlungsanspruch i.H.v. 15.200,64 Euro habe.

bb) Mai Miete 2020

Im Monat Mai habe bis zum 11.5.2020 nur eine Fläche bis 800 Quadratmeter als Verkaufsfläche für Erdgeschoß und Untergeschoß genutzt werden können (von insgesamt 2.929 Quadratmetern). Ab 11. 5.2020 hätten ohne Beschränkung der Verkaufsfläche weiterhin Beschränkungen des Publikumsverkehrs bestanden. Dies bedeute, dass im ersten Drittel des Mai nur gut 25% der an sich gemieteten Fläche zur Verfügung gestanden habe, die auch noch mit Aufwand abgegrenzt werden musste. In den letzten zwei Dritteln des Mai sei eine Kundenbeschränkung vorhanden gewesen, wobei Anpassungsaufwand angefallen sei. Daher schätze das Gericht für den Monat Mai die Mietminderung mit 50% ein, so dass noch 38.001,61 Euro geschuldet sei

cc) Juni Miete 2020

Für den Monat Juni 2020 gehe das Gericht ausgehend von geschuldeten 76.003,22 Euro von einer deutlich abgeschmolzenen Mietminderung aus, da das Geschäft ohne Flächenbegrenzung wieder betrieben werden konnte, jeweils aber eine erhebliche Einschränkung der aufzunehmenden Kunden mit ein Kunde pro 20 Quadratmeter unter Einhaltung eines Hygienekonzepts vorzunehmen gewesen sei. Hier bemesse das Gericht die Minderung auf 15%, so dass insoweit 64.602,74 Euro geschuldet sind.

2. Störung der Geschäftsgrundlage

In vorliegender Konstellation sei eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Coronapandemie und Infektionsschutzmaßnahmen durch den Staat offenkundig nicht bedacht hätten und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (vgl. § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB). In den Rechtsfolgen wäre die Anpassung ganz offenkundig in einer reduzierten Miete gelegen, wobei die Höhe der gesetzlichen Minderung entspräche. Indes erscheine die Anwendung der Mängelhaftungsregelungen vorrangig (Palandt a.a.O., § 313, Rd.Ziffern 12, 61).

Quelle: Landgericht München I

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