Urheberrecht: Urheberrechtliche Zulässigkeit sogenannter „Abstracts“ (Kurzzusammenfassungen)
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Wettbewerbsrecht
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von: Helmer Tieben

Bundesgerichtshof, 01.12.2010, (Az.: I ZR 12/08)

Die Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit von sogenannten „Abstracts“ urheberrechtlich geschützter Werke war immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Beispielhaft sei hier nur die Rechtsstreitigkeit der Autorin Joanne K. Rowling gegen den Verlag an der Ruhr genannt, in der diese sich erfolgreich gegen die Verwendung von verkürzten Darstellungen des Inhalts ihrer Büchern in Unterrichtshilfen zur Wehr setzte.

Ein Abstract ist die Zusammenfassung des Inhalts einer Arbeit auf möglichst einen Absatz, höchstens jedoch eine Seite. Der Zweck des Abstracts ist es, das ganze Werk zu repräsentieren für jemanden, der einen schnellen Überblick über die Arbeit braucht. Es soll dem Leser die Entscheidung ermöglichen, ob der Inhalt des Werkes für ihn relevant ist.

Im Rahmen der urheberrechtlichen Bewertung ist dabei insbesondere das Verhältnis zwischen den Regelungen der §§ 23, 24 UrhG und § 12 Abs. 2 UrhG relevant. Sind nicht autorisierte Abstracts als abhängige Bearbeitungen des Originalwerks im Sinne des § 23 UrhG zu werten, so bedarf deren Veröffentlichung oder Verwertung der Einwilligung des Rechteinhabers. Sind sie hingegen als in freier Benutzung des Originalwerks nach § 24 UrhG geschaffene Werke anzusehen, liegen sie außerhalb des Urheberrechtsschutzes und sind auch ohne Einwilligung des Rechteinhabers zulässig.

Abstracts können aber auch aufgrund der Regelung des § 12 Abs. 2 UrhG zulässig sein, wonach es dem Urheber vorbehalten ist, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht worden ist. Denn aus dieser Vorschrift ergibt sich dem Schrifttum nach im Umkehrschluss, dass nach der Veröffentlichung des Werkes bzw. seines wesentlichen Inhalts jedermann dazu berechtigt ist, den Inhalt des Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben.

Mit der Frage, inwiefern „Abstracts“ von Buchrezensionen renommierter Zeitungen urheberrechtlich relevant sind, hatte sich nun der BGH in dem oben genannten Urteil zu beschäftigen.

Sachverhalt: Die Beklagte betreibt auf der Website “perlentaucher.de” ein Kulturmagazin. Dort hat sie auch Zusammenfassungen („Abstracts“) von Buchrezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen eingestellt (“Frankfurter Allgemeine Zeitung”, “Süddeutsche Zeitung”), die die Beklagte unter der Überschrift “Notiz zur FAZ” und “Notiz zur SZ” in deutlich verkürzter Form wiedergibt. Die Beklagte hat den Internet-Buchhandlungen “amazon.de” und “buecher.de” Lizenzen zum Abdruck dieser Zusammenfassungen erteilt. Die Klägerinnen (“Frankfurter Allgemeine Zeitung”, “Süddeutsche Zeitung”) sehen in dieser Verwertung der Abstracts durch Lizenzierung an Dritte eine Verletzung des Urheberrechts an den Originalrezensionen sowie eine Verletzung von Markenrechten und einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klagen abgewiesen.

Bundesgerichtshof: Der Bundesgerichtshof hat zwar die Auffassung des Berufungsgerichts bestätigt, dass die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwertung der Abstracts allein davon abhängt, ob es sich bei den Zusammenfassungen um selbständige Werke handelt, die in freier Benutzung der Originalrezensionen geschaffen worden sind und daher gemäß § 24 Abs. 1 UrhG ohne Zustimmung der Urheber der benutzen Werke verwertet werden dürfen. Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob die von der Klägerin beanstandeten Abstracts diese Voraussetzung erfüllen, aber nicht die richtigen rechtlichen Maßstäbe angelegt und zudem nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt. Das Berufungsgericht muss nun erneut prüfen, ob es sich bei den beanstandeten Abstracts um selbständige Werke im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG handelt. Nach dem BGH kann diese Beurteilung bei den verschiedenen Abstracts zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da sich diese Frage nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalls beantworten lässt. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass in aller Regel nur die sprachliche Gestaltung und nicht der gedankliche Inhalt einer Buchrezension Urheberrechtsschutz genießt. Es ist urheberrechtlich grundsätzlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks in eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassung zu verwerten. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, in welchem Ausmaß die Abstracts originelle Formulierungen der Originalrezensionen übernommen haben.

Quelle: Bundesgerichtshof

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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