Kündigung während der Probezeit: Wann der Arbeitgeber trotzdem verliert

Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (3 Sa 317/24), Entscheidung vom 14.01.2025

Einleitung:

Kündigungen in der Probezeit – für viele Arbeitnehmer eine Schreckensnachricht, für Arbeitgeber ein scheinbar sicheres Instrument, um sich flexibel von neuen Mitarbeitern zu trennen. Aber was, wenn der Chef schon zur Übernahme gratuliert hat? Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat genau zu dieser Konstellation ein wegweisendes Urteil gefällt. Für alle, die sich mit Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Probezeit oder betrieblichen Abläufen beschäftigen, lohnt ein genauer Blick.

Der Fall: Probezeit, Übernahmeversprechen und dann die Kündigung

Der Kläger, ein Wirtschaftsjurist, war seit dem 15.06.2023 bei einem Verbund von Rückversicherern in Düsseldorf beschäftigt – mehr als 200 Mitarbeiter, Betriebsrat, unbefristeter Vertrag, monatlich rund 4.400 Euro brutto. Im Arbeitsvertrag: Sechs Monate Probezeit, während der beidseitig mit zwei Wochen Frist gekündigt werden kann.

Nur wenige Wochen vor Ablauf der Probezeit kam es zum entscheidenden Gespräch: Nach einem Jour Fixe erklärte der Abteilungsdirektor und Personalverantwortliche, er habe die Anfrage bekommen, ob der Kläger übernommen werden solle. Seine wörtliche Antwort: „Das tun wir natürlich.“ Der Kläger freute sich, bedankte sich – für ihn war klar: Probezeit bestanden, Übernahme gesichert.

Doch dann die Wende: Kurz darauf wurde der Betriebsrat zur Probezeitkündigung angehört und das Arbeitsverhältnis zum 22.12.2023 – noch innerhalb der Probezeit – schriftlich gekündigt. Angeblich war die Leistung nicht ausreichend. Der Arbeitnehmer klagte – und das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage zunächst ab. Doch das Landesarbeitsgericht sah die Sache anders.

Die Entscheidung: Kündigung war treuwidrig und damit unwirksam

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf kippte das erstinstanzliche Urteil und stellte fest: Die Kündigung während der Probezeit war treuwidrig und daher unwirksam.

Das Gericht hob hervor: Wer seinem Mitarbeiter am Ende der Probezeit klar signalisiert, dass er „natürlich“ übernommen wird, schafft Vertrauen. Besonders relevant: Die Aussage kam nicht von irgendwem, sondern vom Abteilungsdirektor, der mit Personalvollmacht ausgestattet war und zuvor auch den Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Für den Kläger bestand kein Anlass mehr, mit einer Kündigung zu rechnen oder sich nach anderen Jobs umzuschauen.

Die Arbeitgeberseite konnte auch nicht überzeugend darlegen, dass zwischen dem Übernahmeversprechen und der Kündigung neue, gravierende Gründe aufgetaucht wären. Das Gericht wertete das Verhalten der Arbeitgeber daher als widersprüchlich und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Die Begründung: Vertrauen ist mehr als nur ein „nettes Gespräch“

Das Landesarbeitsgericht machte deutlich: Auch während der Probezeit gibt es Grenzen für den Kündigungsspielraum der Arbeitgeber. Ein Übernahmeversprechen, ausgesprochen vom personalverantwortlichen Vorgesetzten und kurz vor Ablauf der Probezeit, schafft einen Vertrauensschutz. Wird kurz darauf trotzdem gekündigt, ohne dass neue, schwerwiegende Gründe vorliegen, kann das rechtsmissbräuchlich sein.

Das Gericht argumentierte klar:

  • Vertrauensschutz: Der Arbeitnehmer durfte darauf vertrauen, dass keine Kündigung mehr erfolgt, nachdem ihm der entscheidungsbefugte Vorgesetzte die Übernahme zugesichert hatte.

  • Kein Raum für plötzliche Kehrtwenden: Die Arbeitgeberseite hätte erklären müssen, was sich seit dem Übernahmeversprechen so gravierend geändert hat, dass eine Kündigung gerechtfertigt wäre.

  • Nicht jedes widersprüchliche Verhalten ist verboten – aber dort, wo gezielt Vertrauen geschaffen und dann enttäuscht wird, zieht das Recht eine Grenze.

Was bedeutet das für Sie? Praktische Konsequenzen & Tipps

Für Arbeitnehmer:

  • Lassen Sie sich Aussagen zu Ihrer Probezeit und Übernahme möglichst bestätigen – schriftlich, per E-Mail oder mit Zeugen.

  • Reagiert Ihr Arbeitgeber nach einem Übernahmeversprechen mit einer Kündigung, sollten Sie diese unbedingt juristisch prüfen lassen. Das Urteil zeigt: Auch während der Probezeit gibt es Schutz vor unfairer Kündigung.

Für Arbeitgeber und HR-Abteilungen:

  • Seien Sie vorsichtig mit mündlichen Zusagen oder klaren Signalen zur Übernahme während der Probezeit – besonders, wenn diese von Personalentscheidern oder Prokuristen kommen.

  • Möchten Sie sich noch einen gewissen Prüfungsraum offenhalten, kommunizieren Sie das deutlich und vermeiden Sie vorschnelle Versprechen.

  • Entscheiden Sie sich nach einer Übernahmezusage doch für eine Kündigung, sollten Sie diese sehr gut begründen können – und dokumentieren, dass tatsächlich neue, gravierende Umstände aufgetreten sind.

Für Betriebsräte:

  • Prüfen Sie Anhörungen zu Probezeitkündigungen besonders sorgfältig, wenn vorab Übernahmeversprechen im Raum standen. Sie können dies thematisieren und vom Arbeitgeber klare Erläuterungen einfordern.

Fazit: Probezeit ist kein Freifahrtschein für Beliebigkeit

Dieses Urteil erinnert daran: Auch in der Probezeit sind Arbeitnehmer nicht schutzlos. Vertrauen, das durch verbindliche Aussagen geschaffen wird, hat rechtliches Gewicht – insbesondere, wenn es um die berufliche Existenz geht. Arbeitgeber sind gut beraten, Versprechen mit Bedacht zu geben und sauber zu dokumentieren, warum sie ggf. doch noch von einer Übernahme absehen.

Am Ende zählt nicht nur, was im Vertrag steht, sondern auch, wie sich die Beteiligten tatsächlich verhalten. Für beide Seiten gilt: Klare Kommunikation, Transparenz und Dokumentation zahlen sich aus – im Zweifel auch vor Gericht.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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