Räumungsklage abgewiesen: Wann reicht ein Streit für die fristlose Kündigung des Mieters nicht aus?

Amtsgerichts Paderborn, 50b C 91/24, 24.10.2024

Ein aktueller Fall vor dem Amtsgericht Paderborn zeigt, wie hoch die Anforderungen für eine fristlose Kündigung im Mietrecht sind – und warum auch ernsthafte Konflikte nicht immer das Mietverhältnis beenden.

Was ist passiert? – Die Hintergründe des Falls

Im Mittelpunkt steht ein jahrelanges Mietverhältnis: Die Vermieter wollten ihre Mieterin nach über 20 Jahren aus der Wohnung haben – und zwar fristlos. Auslöser war ein Streit, bei dem die Vermieterin behauptete, von der Mieterin tätlich angegriffen worden zu sein, als sie einen Bauschaden inspizieren wollte. Die Folge laut Vermieterin: Schock, Hämatome, Arztbesuch. Dazu kam, dass die Mieterin ihrerseits Klagen wegen angeblich fehlendem Wasserdruck und Dachbodennutzung gegen die Vermieter erhoben hatte.

Die Vermieter kündigten fristlos, hilfsweise ordentlich. Doch die Mieterin bestritt jede Tätlichkeit – es habe lediglich ein Handgemenge um das Klebeband gegeben, aber keinen körperlichen Angriff. Zeugen für den eigentlichen Vorfall gab es nicht.

Das Urteil: Keine Räumung, kein Anspruch auf Herausgabe

Das Amtsgericht Paderborn hat die Klage abgewiesen. Die Mieterin darf bleiben, die Vermieter tragen die Kosten. Das Gericht stellte klar: Weder die außerordentliche (fristlose) noch die ordentliche Kündigung greift. Das Mietverhältnis besteht fort.

Warum hat das Gericht so entschieden? – Die Begründung im Klartext

Das zentrale Problem: Es konnte nicht bewiesen werden, dass die behauptete Körperverletzung tatsächlich stattgefunden hat. Beide Seiten schilderten den Vorfall unterschiedlich, Zeugen gab es nicht, und selbst das ärztliche Attest konnte nicht sicher auf den Streit zurückgeführt werden – es wurde erst fünf Tage nach dem angeblichen Angriff erstellt. Die Richterin folgte hier der strengen Beweislast im Mietrecht: Nicht die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit zählt, sondern die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung. Diese Überzeugung konnte das Gericht nicht gewinnen.

Auch die Tatsache, dass die Mieterin parallel andere Klageverfahren gegen die Vermieter angestrengt hat, reichte nicht aus. Das Gericht stellte klar: Gerichtsverfahren, auch wenn sie zahlreich sind, sind grundsätzlich kein Kündigungsgrund – solange sie nicht offensichtlich missbräuchlich sind oder jede Kommunikation zwischen den Parteien unmöglich geworden ist.

Was bedeutet das für Vermieter und Mieter? Praxistipps aus dem Urteil

Für Vermieter:

  • Beweislast ernst nehmen: Wer fristlos kündigen will, braucht handfeste Beweise für das Fehlverhalten des Mieters. Reine Behauptungen reichen vor Gericht nicht aus – vor allem bei schwerwiegenden Vorwürfen wie Körperverletzung. Dokumentieren Sie Vorfälle so detailliert wie möglich. Zeugen oder sofortige Anzeigen können entscheidend sein.

  • Klagen sind kein Kündigungsgrund: Dass ein Mieter seine Rechte gerichtlich durchsetzt, mag anstrengend sein, ist aber nicht automatisch vertragswidrig. Nur ein extremes Ausufern und völlige Kommunikationsverweigerung könnten im Ausnahmefall einen Kündigungsgrund darstellen.

  • Achtung bei ärztlichen Attesten: Atteste, die erst Tage später ausgestellt werden, überzeugen Gerichte oft nicht – zumindest nicht, wenn sie den Zusammenhang mit dem angeblichen Vorfall nicht eindeutig belegen.

Für Mieter:

  • Ruhe bewahren: Auch wenn das Verhältnis angespannt ist, schützt das Recht vor willkürlichen Kündigungen. Wer Vorwürfe klar und nachvollziehbar bestreitet, hat vor Gericht gute Karten.

  • Selbst Klagen ist erlaubt: Wer Mängel oder Rechte einklagt, muss nicht fürchten, dass das allein schon zur Kündigung führt. Hier zählt, wie man sich insgesamt verhält.

Für beide Seiten:

  • Kommunikation statt Konfrontation: Wenn aus jedem Problem sofort ein Gerichtsverfahren wird, leidet das Verhältnis und irgendwann vielleicht auch das eigene Nervenkostüm – aber für eine Kündigung reicht das allein meist nicht.

Fazit

Das Urteil des Amtsgerichts Paderborn ist ein gutes Beispiel dafür, wie genau Gerichte hinschauen, wenn es um den Bestand von Mietverhältnissen geht. Auch wenn das persönliche Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zerrüttet ist und ernste Vorwürfe im Raum stehen, bleibt die Schwelle für eine fristlose Kündigung hoch. Entscheidend ist die Beweisbarkeit – und die war hier nicht gegeben.

Wer als Vermieter oder Mieter in einem angespannten Verhältnis steckt, sollte sich bewusst sein: Am Ende zählt, was bewiesen werden kann – und nicht, was man glaubt, erlebt zu haben.

Quelle: Amtsgericht Paderborn

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie macht es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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