Landesarbeitsgericht Köln, 22.01.2013, 11 Sa 783/12
Das unentschuldigte Fehlen eines Arbeitsnehmers ist grundsätzlich geeignet, Gegenstand einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber zu sein. Dies wird insbesondere in Ferienzeiten immer wieder relevant, wenn der Arbeitnehmer mangels Genehmigung des Arbeitgebers seinen Urlaub eigenmächtig antritt. Trotzdem werden in den meisten Fällen vorher entsprechende Abmahnungen erforderlich sein.
Fraglich ist, welche Maßstäbe in arbeitsrechtlicher Hinsicht bei einem Ausbildungsverhältnis anzulegen sind. Dahingehend besteht grundsätzlich der Konsens in der Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Kündigungsrelevanz vertragswidriger Verhaltensweisen eines Auszubildenden nicht von denselben Maßstäben ausgegangen werden kann, die bei Arbeitsverhältnissen erwachsener Arbeitnehmer angelegt werden.
Denn bei Auszubildenden handelt es sich nicht selten um ältere Jugendliche und Heranwachsende, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
Auch gehört es gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG gerade auch zu den Aufgaben des Ausbilders, den Auszubildenden charakterlich zu fördern.
14 Abs. 1 BBiG führt dazu aus:
Ausbildende haben
dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann,
selbst auszubilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen,
Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind,
Auszubildende zum Besuch der Berufsschule sowie zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden, und diese durchzusehen,
dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden.
In dem oben genannten Fall hatte sich das LAG Köln in der Berufungsinstanz damit zu beschäftigen, ob die fristlose Kündigung einer Auszubildenden gerechtfertigt war, weil diese unentschuldigt 2 Wochen in dem Betrieb ihres Ausbilders gefehlt hatte.
Einleitung und Sachverhalt
Die Klägerin war seit September 2008 als Auszubildende zur Goldschmiedin bei dem Beklagten beschäftigt. Im Mai 2011 wurde sie arbeitsunfähig krankgeschrieben, besuchte jedoch trotz ärztlichem Attest weiterhin die Berufsschule. Dies führte zu einer Abmahnung durch den Beklagten, der an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zweifelte. Als die Klägerin nach Ende der Krankschreibung weiterhin unentschuldigt fehlte, kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos. Die Klägerin bestand im Juli 2011 ihre Abschlussprüfung und klagte gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht, woraufhin der Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln einlegte.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass die fristlose Kündigung vom 30. Mai 2011 das Ausbildungsverhältnis nicht beendet habe. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG könne eine fristlose Kündigung nur bei einem wichtigen Grund erfolgen, der dem Ausbilder die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar mache. In die Entscheidung müsse dabei auch die bereits absolvierte Ausbildungszeit einbezogen werden. Das unentschuldigte Fehlen der Klägerin über einen längeren Zeitraum könnte zwar grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen, jedoch nicht ohne vorherige, wirksame Abmahnung.
Unwirksame Abmahnung und ärztliche Bescheinigung
Das LAG stellte fest, dass die Abmahnung vom 20. Mai 2011 unrechtmäßig war, da die Klägerin in der fraglichen Zeit vom 4. bis 13. Mai 2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Der Berufsschulbesuch der Klägerin basierte auf der ausdrücklichen Empfehlung ihres Arztes, der angesichts der bevorstehenden Abschlussprüfung trotz ihrer Erkrankung den Besuch der Schule befürwortete. Der Beklagte hatte diesen ärztlichen Rat nicht bestritten. Da eine Abmahnung nur dann ihre Warnfunktion erfüllen kann, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist, konnte sie hier nicht als Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung dienen.
Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeit
Die außerordentliche Kündigung scheiterte zudem an der fehlenden Verhältnismäßigkeit. Trotz des unentschuldigten Fehlens der Klägerin ab dem 14. Mai 2011, habe der Beklagte keine schwerwiegenden betrieblichen Belastungen durch das Fehlen der Klägerin nachweisen können. Zudem befand sich die Klägerin kurz vor ihrer Abschlussprüfung, was ihr Interesse an einer Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erheblich erhöhte. Das LAG entschied daher, dass das Fortbestandsinteresse der Klägerin das Beendigungsinteresse des Beklagten überwiege und die fristlose Kündigung unwirksam sei. Der Beklagte wurde zudem zur Zahlung der ausstehenden Ausbildungsvergütung und zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet.
Quelle: Landesarbeitsgericht Köln
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