Landesarbeitsgericht Hessen, 17.02.2014, Az.: 16 Sa 1299/13
Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Dafür muss zunächst geprüft werden, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile -jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist- zumutbar ist oder nicht.
In dem oben genannten Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen war einem Arbeitnehmer deswegen gekündigt worden, weil dieser Arbeitszeitbetrug begangen hatte.
Hintergrund des Falls: Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug
In diesem Fall klagte ein langjähriger Mitarbeiter einer Großmetzgerei gegen seine fristlose Kündigung. Der Kläger war seit über 26 Jahren im Betrieb beschäftigt und erhielt ein Bruttogehalt von etwa 2.450 bis 2.700 Euro. Grund für die Kündigung war der Vorwurf, der Kläger habe mehrfach gegen die betrieblichen Zeiterfassungsregeln verstoßen, indem er den Produktionsbereich betrat und verließ, ohne ordnungsgemäß zu „stempeln“. Der Kläger verteidigte sich damit, dass betriebliche Gründe oder technische Defekte für das Verhalten verantwortlich gewesen seien.
Arbeitsgericht: Beweisaufnahme und Urteil
Das Arbeitsgericht wies die Klage nach einer umfassenden Beweisaufnahme ab. Zeugen bestätigten, dass der Kläger an mehreren Tagen die Zeiterfassung umgangen habe. Dabei habe er bewusst seine Hand zwischen den Zeiterfassungs-Chip und das Lesegerät gehalten, um eine Registrierung zu verhindern. Der Produktionsleiter hatte dies anhand von Videoaufzeichnungen überprüft. Das Gericht stellte fest, dass es sich um vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug handelte, was einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt.
Berufung beim Landesarbeitsgericht: Bestätigung des Urteils
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es stellte klar, dass der vorsätzliche Verstoß gegen die Pflicht zur korrekten Arbeitszeiterfassung grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Der Missbrauch der Zeiterfassung – in diesem Fall durch bewusste Manipulation des Chips – verletzte die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB erheblich. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers, selbst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, sei dem Arbeitgeber aufgrund des massiven Vertrauensverlusts nicht zumutbar gewesen.
Abwägung und Ergebnis: Vertrauensbruch überwiegt
Das Gericht berücksichtigte zwar die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers sowie seine familiären Verpflichtungen, kam jedoch zu dem Schluss, dass diese Aspekte die Schwere des Pflichtverstoßes und den daraus resultierenden Vertrauensverlust nicht aufwiegen konnten. Da der Kläger wissentlich mehrfach die Zeiterfassung umging, wurde eine Abmahnung als nicht ausreichend erachtet. Angesichts des festgestellten Arbeitszeitbetrugs und des Vertrauensbruchs entschied das LAG, dass die fristlose Kündigung wirksam war. Die Berufung des Klägers wurde daher abgewiesen.
Schlussfolgerung: Dieses Urteil betont, dass Arbeitszeitbetrug durch Manipulation der Zeiterfassung einen gravierenden Verstoß gegen die Pflichten des Arbeitnehmers darstellt und in der Regel eine fristlose Kündigung rechtfertigt – insbesondere, wenn das Vertrauen des Arbeitgebers unwiderruflich zerstört ist.
Quelle: Landesarbeitsgericht Hessen
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