Arbeitsrecht: Schadensersatz wegen verspäteter Erteilung eines Arbeitszeugnisses
Rechtsanwalt Tieben

Rechtsanwalt Helmer Tieben
Beratung unter:
Tel.: 0221 - 80187670

Arbeitsrecht
Veröffentlicht:
Aktualisiert am:
von: Helmer Tieben

Bundesarbeitsgericht, 12.02.2013, Az.: 3 AZR 121/11

Jeder Arbeitnehmer und Auszubildene hat gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Rechtliche Grundlage des Anspruches auf Erteilung des Arbeitszeugnisses ist § 630 BGB, § 109 GewO bzw. bei Ausbildungsverhältnissen § 16 BBiG.

Darüber hinaus kann sich die Pflicht auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses aus dem im Einzelfall abgeschlossenen Arbeitsvertrag bzw. dem anzuwendenden Tarifvertrag ergeben.

In dem oben genannten Fall hatte des Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob der klagende Arbeitnehmer von dem beklagten Arbeitgeber Schadensersatz wegen verspäteter Erteilung eines Zeugnisses verlangen konnte.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Arbeitnehmer bewirbt sich nach einer Qualifizierungsmaßnahme als Disponent

Der Kläger war bei der Beklagten für etwa 9 Monate im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme tätig, deren Ziel die Qualifizierung des Klägers zum Eisenbahnfahrzeugführer war.

Nach der Beendigung der Qualifizierungsmaßnahme hatte sich der Kläger bei der Firma H um die Stelle eines Disponenten beworben.

Dieses Unternehmen teilte dem Kläger mit einem Schreiben vom 14. Januar 2009 unter Anderem mit:

Sie haben im letzten Telefonat davon gesprochen, dass Sie uns Ihr fehlendes Zeugnis aus der Tätigkeit bei der D AG nachreichen werden.

Dies ist bis zum heutigen Tag leider nicht geschehen.

Gerne würden wir Sie und Ihre Erfahrungen bei uns im Unternehmen integriert wissen. Haben Sie jedoch bitte Verständnis dafür, dass wir Sie auf Grund dieser Lücke im Lebenslauf, welche für unseren Unternehmensbereich von außerordentlichem Interesse ist, nicht bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle als Disponent einstellen können.

Mit einer E-Mail vom 24. Februar 2009 hatte der Kläger daraufhin die Beklagte um Zusendung des fehlenden Zeugnisses gebeten, welches dem Kläger erst am 23.04.2009 erteilt wurde.

Unternehmen sagt wegen fehlendem Arbeitszeugnis ab, Arbeitnehmer verlangt von altem Unternehmen Schadensersatz

Aufgrund der verspäteten Erteilung des Arbeitszeugnisses verlangte der Kläger daraufhin Schadensersatz für entgangenes Arbeitsgehalt i. H. v. EUR 16.780 sowie Schadensersatz i. H. v. EUR 1.381 für entstandene Kosten für weitere Bewerbungen und Stellenanzeigen.

Das zunächst angerufene Arbeitsgericht hatte der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben und sie auf den Einspruch der Beklagten später abgewiesen.

Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht weisen Klage ab

Das Landesarbeitsgericht wiederum hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebte der Kläger daraufhin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteils.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht folgte den Ansichten der Vorinstanzen und urteilte nun, dass die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen hatten.

Auch das Bundesarbeitsgericht sieht keinen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers

Der Kläger habe keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB.

Im Zeitpunkt der Ablehnung der Bewerbung des Klägers durch die Fa. H sei die Beklagte mit der Erteilung eines Zeugnisses über die Qualifizierungsmaßnahme nicht im Verzug gewesen.

Nach § 630 BGB könne bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses der Dienstverpflichtete von dem Dienstgeber zwar ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Auf Verlangen sei dieses Zeugnis auf die Leistung und Führung im Dienst zu erstrecken.

Der Gläubiger habe daher ein Wahlrecht zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis. Bei dem Zeugnisanspruch nach § 630 BGB handele es sich damit aber um einen sog. verhaltenen Anspruch, der zwar spätestens mit der Beendigung des Dienstverhältnisses entstünde , der in seiner Erfüllbarkeit aber davon abhängig sei, dass der Gläubiger sein Wahlrecht bereits ausgeübt habe.

Arbeitnehmer hat sein Wahlrecht nicht ausgeübt, daher kein Anrecht auf Schadensersatz

Der Dienstgeber gerate mit seiner Pflicht zur Erteilung eines Zeugnisses nach § 630 BGB aber erst in Verzug i. S. d. § 286 Abs. 1 BGB, wenn der Dienstverpflichtete sein Wahlrecht ausgeübt und – bei Nichterteilung des Zeugnisses – dessen Erteilung gegenüber dem Schuldner i. S. v. § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB angemahnt habe. Dies habe der Kläger zum Zeitpunkt der Bewerbung bei dem neuen Arbeitgeber noch nicht getan.

Quelle: Bundesarbeitsgericht

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de

Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Arbeitsrecht

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, wurden wir uns freuen, wenn Sie den Beitrag verlinken oder in einem sozialen Netzwerk teilen.

No Comments Yet.

Leave a comment