Arbeitsrecht: Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers – Firmenparkplatz – Großmüllbehälter
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Arbeitsrecht
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von: Helmer Tieben

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11.09.2017, Az.: 9 Sa 42/17

Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des, durch eine Pflichtverletzung des Schuldners, entstanden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. § 280 BGB betrifft Pflichten aus jeder Art von Schuldverhältnissen, also vertragliche, gesetzliche und auch solche aus vorvertraglichen Kontakten, sowie aus einer laufenden „Geschäftsverbindung“ (§ 311 II BGB). Ebenso sind die Anspruchsgrundlagen, die auf Schadensersatz gerichtet sind (§§ 280-283 BGB) auf das durch einen Rücktritt zustande gekommene Rückgewährschuldverhältnis entsprechend anwendbar (§ 346 IV BGB).

Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die aus dem Schuldverhältnis folgenden Pflichten nicht oder nur unzureichend erfüllt werden. Hierbei ist der Umfang der Verpflichtung anhand des jeweiligen Schuldverhältnisses zu ermitteln. Ersetzbar sind in diesem Wege alle materiellen und immateriellen Schäden (§§ 249 ff. BGB). Somit gilt § 280 BGB auch bei arbeitsrechtlichen Verträgen.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Beklagte hatte Großmüllbehälter an einem Parkplatz stehen

Die Beklagte ist eine Gemeinde, die einen Betriebshof zur Pflege der gemeindlichen Straßen und Grünanlagen unterhält. Vor dem Tor des Betriebsgeländes befinden sich Parkplätze für Besucher und Mitarbeiter. Unmittelbar seitlich hinter dem Tor sind zwei Großmüllbehälter mit 1000 l Fassungsvermögen aufgestellt zur Entsorgung der auf dem Betriebsgelände anfallenden Abfälle. Zur Sicherung dieser Großmüllbehälter besitzen diese Feststellbremsen um ein Wegrollen zu verhindern. Weitere Sicherungseinrichtungen bestehen nicht.

Die beiden Müllbehälter werden monatlich geleert. Nach der letzten Leerung der Müllbehälter hat ein Mitarbeiter der Beklagten die Behälter an ihren Platz zurück geschoben und die Bremsen der Behälter angezogen. Eine weitere Überprüfung der Bremsen vor dem schädigenden Ereignis erfolgte nicht.

Bei einem Sturm lösten sich die Müllbehälter und beschädigten zwei Mitarbeiterfahrzeuge

Am 05.05.2015 bewegte sich das Sturmtief „Zoran“ über die Gemeinde, für das auch eine Unwetterwarnung ausgegeben wurde. Durch den Sturm wurden beide Müllbehälter durch das Tor aus dem Betriebsgelände hinaus bewegt. Dabei beschädigte einer der Müllbehälter zwei Fahrzeuge auf dem Mitarbeiterparkplatz.

Klägerin ist der Versicherer eines der Mitarbeiter, dessen Fahrzeug von den Müllbehältern beschädigt wurde. Der Mitarbeiter stellte sein Fahrzeug in erster Position vor dem Tor des Betriebsgeländes ab und begab sich auf einen Einsatz außerhalb des Betriebsgeländes. Er kehrte erst um 16:00 Uhr zurück und stellte sodann den Schaden an seinem Fahrzeug fest.

Danach wurde die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen

Nachdem die Klage vor dem Arbeitsgericht Wesel (ArbG Wesel 5. Kammer, 16. Dezember 2016, Az: 5 Ca 1194/16) abgewiesen wurde, hat die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Berufung eingelegt.

Unstreitig ist für beide Parteien, dass sich die beiden Müllcontainer, die sich auf dem Betriebshof befanden, durch den Sturm der ersten Kategorie (Wert 9 auf der Beaufort-Skala), aus ihrer Parkposition in Bewegung setzten und auf ihrem Weg Richtung Straße diverse Fahrzeuge beschädigten, auch das des Mitarbeiters.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Container ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

Gericht urteilte, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt habe

Das Berufungsgericht hat durch sein Urteil festgestellt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt habe. Denn sofern ein Arbeitgeber einen Firmenparkplatz zur Verfügung stelle, habe er für dessen Verkehrssicherheit zu sorgen. Er habe drohende Gefahren von abgestellten Fahrzeugen in zumutbaren Maß zu verhindern. Besondere Umstände begründen darüber hinaus eine gesteigerte Fürsorgepflicht.

Die Klägerin habe einen Anspruch aus §§ 280, 611 BGB, § 86 VVG. Verletzt ein Schuldner (hier: Beklagte) eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis (hier: Arbeitsvertrag), kann der Gläubiger (hier: Klägerin) den Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt hingegen nicht, wenn der Schuldner die Verletzung nicht zu vertreten hat, § 280 Abs. 1 BGB. Im Rahmen des § 280 Abs. 1 BGB begründet die vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch, der sich auf alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des Schädigenden Ereignisses erstreckt. Problematisch ist vorliegend die schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 276 BGB.

Der Arbeitnehmer sei verpflichtet, einem dem Betrieb oder seinem Arbeitgeber drohenden Schaden für dessen Rechtsgüter, einschließlich seines Vermögens, zu verhindern.

Arbeitgeber habe eine Fürsorgepflicht für Leib und Leben und das Eigentum des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber habe umgekehrt aufgrund seiner Fürsorgepflicht das berechtigterweise in dem Betrieb eingebrachte Arbeitnehmereigentum in gewissen Umfang vor Verlust und Beschädigungen zu schützen. So habe die Beklagte auf einem durch sie zur Verfügung gestellten Parkplatz die Verkehrssicherungspflicht.

Das auf einem zum Betriebshof gehörenden Gelände abgestellte Fahrzeug ist unstreitig durch einen der beiden Müllcontainer der Beklagten beschädigt worden, die sich auf dem Betriebshof befanden. Ursache für die Beschädigung ist, dass sich beide Großmüllbehälter durch den Sturm fortbewegten. Dabei beschädigten die Großmüllbehälter auf ihrem Weg noch zwei weitere Fahrzeuge. Einer der Behälter kam sogar erst auf der Straße zum Stehen. Im Ergebnis steht damit objektiv fest, dass sich die beiden auf dem Gelände abgestellten Großmüllbehälter durch den Sturm aus ihrer Parkposition in Bewegung setzten und auf ihrem Weg Richtung Straße diverse Fahrzeuge beschädigten, auch das des Mitarbeiters T.

Die Müllbehälter seien höchstwahrscheinlich falsch gesichert gewesen

Aus Sicht des LAG Düsseldorf reiche im vorliegenden Fall der Anscheinsbeweis aus, dass die Müllbehälter nur unzureichend gesichert worden seien. Denn auch bei einem Sturm dürfe von den abgestellten Müllbehältern keine Gefahr für Dritte ausgehen. Es lägen auch keine unvorhersehbaren Ereignisse wie eine unvorhersehbar starke Windböe vor. Nach Vortrag der Beklagten könne nicht von einer derart außergewöhnlichen Situation ausgegangen werden, dem auch ordnungsgemäß gesicherte Behälter nicht standhalten könnten. Es sei dafür auch nicht ausreichend, allgemein auf einen Sturm zu verweisen und ohne jede Substanz pauschal zu behaupten, der Container müsse von einer Windböe erfasst worden sein, weil die Rollbremsen des Containers gut zwei Wochen vor dem Sturm durch einen Mitarbeiter nach der Leerung angezogen worden seien (vgl. dazu nur OLG Hamm v. 14.07.2010 – 13 U 145/09, juris; LG Bielefeld v. 23.10.2014 – 2 O 44/14, juris; LG Köln v. 14.10.2008 – 11 S 421/07, juris; AG Hamburg-St. Georg v. 28.04.2016 – 913 C 322/214, juris).

Die Beklagte habe bezüglich ihrer Verkehrssicherheitspflicht schuldhaft gehandelt, indem sie vor dem angekündigten Sturm keinerlei Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der sich auf ihrem Grundstück befindlichen Großmüllbehälter traf. Es sei nicht ausreichend darauf zu vertrauen, dass der Mitarbeiter nach der letzten Leerung der Behälter die Bremsen ordnungsgemäß angezogen habe. Diese könnten sich im Verlauf der zwei Wochen vor dem Sturm gelöst haben und somit keine adäquate Sicherung der Behälter gegen Wegrollen gewährleisten.

Wegen des Sturms hätten zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen werden müssen

Die Beklagte hätte aufgrund des angekündigten Sturms zusätzliche Sicherungsmaßnahmen der Großmüllbehälter vornehmen müssen. Hierzu wäre als einfachste Maßnahme das Schließen des Tors des Betriebsgeländes geeignet gewesen. Andere Maßnahmen könnten die Wahl eines anderen Stellplatzes, die Ankettung oder der Bau einer Einfriedung beinhalten. Einzig darauf zu vertrauen, dass DIN EN 840 konforme Müllbehälter mit ihren Feststellbremsen einem Sturm erster Kategorie standhalten können, reiche nicht aus.

Durch das Unterlassen der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen habe die Beklagte zurechenbar auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt schuldhaft verletzt. Es sei ihr bekannt gewesen, dass ein Sturm drohte. Gleichwohl sei sie hinsichtlich konkreter Sicherungsmaßnahmen untätig geblieben, so dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit gerechtfertigt sei.

Dies rechtfertige einen Anspruch der Klägerin aus §§ 280, 611 BGB, § 86 VVG.

Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf

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