LAG Rheinland Pfalz, 22.08.2024, Az.: 5 SLa 66/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, verlangt von ihrem alten Arbeitgeber, einer Alterspflegeresidenz, ein Schmerzensgeld in Höhe von 15 Tausend Euro. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet wurde, hatte die Residenz versehentlich einen alten Werbeflyer weiterverwendet, auf dem der Name der Klägerin und ihre frühere berufliche Position sowie ihre dienstliche Telefonnummer angegeben waren. Jener Flyer wurde anschließend in einer Wochenzeitschrift abgedruckt, welche mit einer Auflage von 78 Tausend Exemplaren an zahlreiche Haushalte in der örtlichen Gemeinde verteilt wurde. Die Klägerin trug in dem von ihr angestrengten Verfahren vor dem Arbeitsgericht vor, sie sei von zahlreichen Personen angesprochen wobei sie das Gefühl hatte sich erklären und rechtfertigen zu müssen. Zudem fürchtete sie, dass ihr neuer Arbeitgeber den Eindruck gewinnen könnte, sie betreibe eine verbotene Konkurrenztätigkeit. Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht Koblenz der Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3000 Euro zugesprochen. Gegen das Urteil hat die Beklagte sodann Berufung eingelegt.
Die Entscheidung des LAG: Kein Anspruch wegen mangelndem Schaden.
Die Klägerin hatte ihren Anspruch zum einen auf die Unionsrechtliche Datenschutz-Grundverordnung gestützt (Art. 82 I DS-GVO) zum anderen auf §823 I BGB in Verbindung mit der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG. Jedoch stellte das Gericht entgegen der Ansicht der Klägerin fest, dass es zwar zu einer Verletzung jener Rechte gekommen war, die Klägerin aber gleichwohl keinen ersatzfähigen Schaden erlitten habe.
Die Begründung:
Zwingende Voraussetzung des Art. 82 I DS-GVO ist, dass wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung eine Person einen materiellen oder immateriellen Schaden erleidet. Vorliegend stellte die Veröffentlichung des Flyers mit den personenbezogenen Daten der Klägerin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zwar eine Verletzung der DS-GVO dar. Problematisch war jedoch die Frage, ob es auch zu einem Schaden der Klägerin gekommen ist. Der Schadensersatzanspruch hat besonders im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion, da so eine auf Art. 82 I DS-GVO gestützte Entschädigung in Geld ermöglicht werden soll. Nach der Rechtsprechung von EUGH und BAG sollte die Hürde zum ersatzfähigen Schaden nicht allzu hoch sein, es genüge bereits ein „Verlust der Kontrolle“ die durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursacht werden könne. Nichtsdestoweniger muss der Geschädigte nachweisen, dass ein immaterieller Schaden eingetreten ist. Die Anforderungen hieran dürfen allerdings nicht zu hoch ausfallen, um die materiellrechtlichen Vorgaben zur Weite des Schadensbegriffs nicht zu untergraben. Mitnichten konnte diese Voraussetzung nach dem Vortrag der Klägerin durch das Gericht bestätigt werden. Mit eindeutigster Wortwahl verpasste das Gericht der Klägerin einen Denkzettel und ihrer Klage eine Abweisung.
Die Klägerin musste objektiv nicht damit rechnen, dass sie ihren Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber verliert. Es handelte sich „ersichtlich“ um ein Versehen, dass sich mit einfachen Mitteln hätte sofort aufklären lassen können. Zudem heißt es im Urteil wörtlich „Soweit die Kl. vorträgt, sie sei im Freundes- und Bekanntenkreis sowie von einer Mitarbeiterin des neuen Arbeitgebers- insgesamt von elf Personen Anfang April 2023 auf ihre Namensnennung im Flyer angesprochen worden, vermag die Kammer die abstrakt behaupteten „persönlichen/psychologischen Beeinträchtigung“ nicht ansatzweise zu erkennen“. Ferner bestand nicht die Gefahr von weiteren unbekannten Personen angesprochen zu werden, da im Flyer weder Fotos noch eine private Adresse oder Telefonnummer angegeben war.
Fazit:
Ein Urteil, in dem das LAG Rheinland-Pfalz sehr eindeutig feststellt, welche Voraussetzungen es für notwendig hält, um einen Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Eine völlig daher gegriffene Behauptung vermag das Gericht hier offensichtlich nicht zu überzeugen. Merkenswert ist dabei besonders, dass selbst wenn es zu Rechtsgutverletzungen kommt, nicht gleich ein Schadensersatzanspruch begründet ist. Jemand der keinen nachweisbaren Schaden erleidet, kann auch nicht ohne weiteres eine Geldzahlung verlangen. Besonders, da in diesem Fall das Zivilrecht nach Vorstellung des (Europäischen) Gesetzgebers keine Abschreckung oder Bestrafungsfunktion erfüllen sollte, wie es zum Beispiel in Ländern wie den USA üblich ist. Nichtsdestotrotz sollte sich hier gemerkt werden, dass der EUGH die Grenze zum immateriellen Schaden nicht hoch ansetzt und somit der Bedeutung der persönlichen Daten einen hohen Stellenwert beimisst.