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Ausländerrecht: Anspruch eines straffälligen Ausländers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null

Bundesverwaltungsgericht, 06.03.2014, Az.: BVerwG 1 C 2.13

Seit Inkrafttreten der Änderung des § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22.11.2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 genannte Wirkungen (Einreise- und Aufenthaltsverbot, Titelerteilungssperre) befristet.

Bei der Festlegung der Länge der Ausweisung wiederum hat die Ausländerbehörde verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In einem ersten Schritt muss das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck berücksichtigt werden.

Weiterhin muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dabei kommen auch die persönlichen Verhältnisse des Ausländers, wie zum Beispiel dessen familiäre Strukturen zum Tragen.

So ist zum Beispiel das (eigene) Recht eines minderjährigen Kindes auf Umgang mit seinem Vater als Ausfluss des Art. 6 GG bei einer Ermessensentscheidung über die Dauer der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung zwingend zu berücksichtigen.

In dem oben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgericht hatte dieses nun darüber zu entscheiden, ob bei einem straffällig gewordenen Ausländer, welcher wegen seiner Asylberechtigung trotz Abschiebung niemals aus Deutschland ausgereist war, die Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet werden mussten.

Einleitung: Kläger aus Sri Lanka hatte Straftaten gemacht – Abschiebung

Der Kläger, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, reiste 1994 nach Deutschland ein und wurde 1996 als Asylberechtigter anerkannt. 2000 wurde er wegen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Daraufhin wies das Land Baden-Württemberg den Kläger 2001 aus Deutschland aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen. Als Begründung führte das Land an, dass die Ausweisung aufgrund schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sei, insbesondere um eine Wiederholung der Straftaten zu verhindern und andere Ausländer abzuschrecken.

Widerruf des Asylstatus und erneute Anerkennung als Flüchtling

Zwar kam es zunächst aufgrund des Asylstatus des Klägers nicht zu einer Abschiebung, doch wurde dieser Schutzstatus 2004 widerrufen. Auf einen Folgeantrag hin wurde dem Kläger jedoch 2010 erneut die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Seit seiner Haftentlassung lebte der Kläger mit seiner Lebensgefährtin und seinen drei minderjährigen Kindern in Deutschland. Zunächst auf der Grundlage von Duldungen, später ab Juli 2011 mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG.

Antrag auf Befristung und Klage

Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null. Der Beklagte setzte im Dezember 2010 eine Frist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt der Ausreise fest. Daraufhin erhob der Kläger Klage, um eine sofortige Befristung zu erreichen. Das Verwaltungsgericht gab dem Kläger recht und verpflichtete den Beklagten, die Wirkung der Ausweisung auf den 16. März 2011 zu befristen, da bis dahin zehn Jahre seit der Zustellung der Ausweisungsverfügung vergangen waren.

Berufungs- und Revisionsverfahren

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Er begründete dies damit, dass keine spezial- oder generalpräventiven Gründe mehr vorlägen, um die Sperrwirkung der Ausweisung aufrechtzuerhalten. Der Kläger sei seit mehr als zwölf Jahren strafrechtlich nicht mehr aufgefallen und stelle daher keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dar. Auch eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer sei nicht mehr gegeben. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein, da er der Auffassung war, dass die Frist für die Einreise- und Aufenthaltssperre erst mit der Ausreise des Klägers beginnen könne.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision des Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Es stellte fest, dass der Kläger ein Rechtsschutzinteresse an der Befristung der Ausweisungswirkung auf Null habe. Die Rechtsgrundlage hierfür finde sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach die Wirkungen der Ausweisung auf Antrag zu befristen seien. Das Gericht betonte, dass die Entscheidung über die Länge der Frist eine rechtlich gebundene Entscheidung sei, die nicht im Ermessen der Ausländerbehörde stehe. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der langen Zeit seit der Verurteilung und der familiären Bindungen des Klägers, sei eine Befristung auf Null ohne vorherige Ausreise gerechtfertigt.

Fazit: Bedeutung der Entscheidung – Befristung der Ausweisung erforderlich

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betont, dass Ausländer, die sich über einen langen Zeitraum nach einer Straftat unauffällig verhalten und feste familiäre Bindungen in Deutschland haben, einen Anspruch auf Befristung der Ausweisungswirkung haben. Das Gericht stellt klar, dass in solchen Fällen die Ausreise des Betroffenen nicht erforderlich ist, um die Frist für die Ausweisungswirkung in Gang zu setzen. Dies stärkt den Schutz der Rechte von Ausländern, die nach einer strafrechtlichen Verurteilung ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten und sich erfolgreich reintegriert haben.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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