1. Ausgangspunkt: Was ist eine Verpflichtungserklärung?
Wer jemanden aus dem Ausland nach Deutschland einlädt – sei es zu Besuch, zum Studium, zur Familienzusammenführung oder im Rahmen humanitärer Programme – stößt sehr schnell auf die „Verpflichtungserklärung“ nach § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
Mit dieser Erklärung verspricht eine Person (der Verpflichtungsgeber) gegenüber der Ausländerbehörde oder einer deutschen Auslandsvertretung, für den Lebensunterhalt des Ausländers aufzukommen. Diese Zusage ist keine bloße Förmelei: Sie führt zu einer weitreichenden, vollstreckbaren Haftung gegenüber Jobcenter, Sozialamt oder anderen Behörden.
Seit 2016 hat der Gesetzgeber die Haftungsdauer zeitlich begrenzt und gleichzeitig klargestellt, dass auch anerkannte Flüchtlinge und andere humanitäre Aufenthaltstitel die Haftung nicht automatisch entfallen lassen. Die Rechtsprechung – insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte – hat diese Grundlinien weiter ausgeformt.
2. Gesetzliche Grundlagen (Stand November 2025)
2.1 § 68 AufenthG – Haftung für Lebensunterhalt
Heute regelt § 68 Abs. 1 AufenthG:
-
Wer eine Verpflichtungserklärung abgibt,
-
hat für einen Zeitraum von fünf Jahren
-
sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten,
-
die für den Lebensunterhalt der eingeladenen Person aufgewendet werden,
-
einschließlich Kosten für Wohnraum sowie Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit,
-
-
auch wenn diese Leistungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen (z.B. AsylbLG, Bürgergeld).
-
Nicht zu erstatten sind Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen (z.B. reguläre Krankenversicherungsbeiträge).
Wichtig ist auch der zeitliche Anknüpfungspunkt: Die Fünfjahresfrist beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise (nicht etwa mit der Unterschrift oder der Erteilung des Visums).
Besonders praxisrelevant:
Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf dieser fünf Jahre nicht, wenn die eingeladene Person
-
einen Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (Abschnitt 5, Kapitel 2 AufenthG, z.B. § 23, § 25 AufenthG) erhält oder
-
als Flüchtling bzw. subsidiär Schutzberechtigter nach § 3 oder § 4 AsylG anerkannt wird.
Gerade für humanitäre Aufnahmeprogramme und Asylfälle ist das die Schlüsselnorm.
2.2 § 68a AufenthG – Übergangsvorschrift für Alt-Verpflichtungen
Für Verpflichtungserklärungen, die vor dem 6. August 2016 abgegeben wurden, enthält § 68a AufenthG eine Sonderregelung:
-
Es gilt ebenfalls das neue System der zeitlich begrenzten Haftung,
-
jedoch beträgt der Haftungszeitraum nur drei Jahre,
-
gerechnet ab der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise.
-
Ist diese Dreijahresfrist bis zum 6. August 2016 bereits abgelaufen gewesen, endete die Verpflichtung spätestens mit Ablauf des 31. August 2016.
Damit hat der Gesetzgeber die zuvor teils praktisch unbegrenzte Haftung in Alt-Fällen nachträglich gekappt.
3. Haftungsumfang: Welche Kosten sind umfasst?
Die Haftung aus § 68 AufenthG ist bewusst weit gefasst:
-
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
-
Bürgergeld / Leistungen nach dem SGB II
-
Hilfe zum Lebensunterhalt / Grundsicherung nach dem SGB XII
-
Kosten der Unterbringung (z.B. Unterkunft in Gemeinschaftsunterkünften, Miete, Heizung)
-
Kranken- und Pflegekosten, soweit es sich nicht um beitragsfinanzierte Leistungen handelt
-
ggf. weitere öffentliche Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts (z.B. bestimmte kommunale Hilfen)
Bereits 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass auch AsylbLG-Leistungen von der Erstattungspflicht umfasst sind, wenn der Ausländer während eines Asylverfahrens Leistungen bezieht.
Nicht umfasst sind dagegen typischerweise:
-
reguläre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Renten- oder Arbeitslosenversicherung,
-
rein verwaltungsinterne Kosten (Personalaufwand der Behörde), soweit diese nicht ausdrücklich auf die Verpflichtungserklärung gestützt erhoben werden.
4. Dauer der Haftung
4.1 Beginn der Fünfjahresfrist
Die fünf Jahre beginnen mit der Einreise, die erst durch die Verpflichtungserklärung ermöglicht wurde. Greift die Verpflichtungserklärung für ein nationales Visum oder ein Schengen-Visum, ist regelmäßig die erste Einreise mit diesem Visum maßgeblich.
4.2 Ende der Haftung
Die Haftung endet spätestens mit dem Ablauf der Fünfjahresfrist. Vorher kommt ein Ende der Haftung vor allem in Betracht, wenn
-
im konkreten Formular eine kürzere Dauer eindeutig vereinbart ist (z.B. „für 90 Tage“), oder
-
die Erklärung nach ihrem Inhalt erkennbar nur einen bestimmten Aufenthalt (z.B. einen einmaligen Besuch) erfassen sollte und dieser Aufenthalt beendet ist.
Wichtig: Für Verpflichtungserklärungen, die in der heute üblichen bundeseinheitlichen Form abgegeben werden, lautet der vorgedruckte Text häufig:
„vom Tag der voraussichtlichen Einreise … bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers / der o.g. Ausländerin oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“.
Die Rechtsprechung legt diese Formulierung aber nicht schematisch, sondern nach den Umständen des Einzelfalls aus (siehe unten, aktuelle Entscheidungen).
4.3 Alt-Fälle: Verpflichtungserklärungen vor dem 6.8.2016
Für ältere Verpflichtungserklärungen, insbesondere aus den Landesaufnahmeprogrammen für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, galt ursprünglich keine gesetzliche Höchstfrist.
Der Gesetzgeber hat mit § 68a AufenthG nachträglich klargestellt:
-
Haftung höchstens drei Jahre,
-
unabhängig davon, ob der Ausländer später als Flüchtling anerkannt wurde oder einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten hat.
Diese gesetzliche Kappung gilt auch dann, wenn die Inanspruchnahme erst Jahre später erfolgt(e).
4.4 Wiedereinreise und mehrere Aufenthalte:
VGH München, Beschluss vom 19.11.2024 – 10 B 23.483
Eine wichtige aktuelle Entscheidung betrifft die Frage, ob eine Verpflichtungserklärung auch spätere Aufenthalte derselben Person erfasst, wenn diese zwischendurch ausgereist ist.
Sachverhalt in Kurzform
-
Der Kläger gab 2018 eine Verpflichtungserklärung für seine Schwester ab.
-
Formular: Standardtext „vom Tag der voraussichtlichen Einreise … bis zur Beendigung des Aufenthalts … oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“.
-
Die Schwester erhielt ein Schengen-Visum mit mehrfacher Einreise und reiste zunächst für einen Besuch ein und wieder aus.
-
Etwa neun Monate später reiste sie erneut ein und stellte einen Asylantrag; sie erhielt Asylbewerberleistungen.
-
Das Jobcenter nahm den Kläger für diese Leistungen in Anspruch und meinte, die Verpflichtung gelte für alle Aufenthalte innerhalb der Fünfjahresfrist.
Entscheidung des VGH München
Der VGH München hat den Leistungsbescheid aufgehoben. Kernaussagen:
-
Maßgeblich ist der Zweck der Verpflichtungserklärung: Sie soll den konkreten, geplanten Aufenthalt, für den das Visum beantragt wurde, absichern.
-
Endet dieser Aufenthalt durch Ausreise und kehrt die eingeladene Person in ihr Herkunftsland zurück, ist die ursprünglich eingegangene Verpflichtung grundsätzlich erfüllt.
-
Bei Zweifeln ist daher regelmäßig davon auszugehen, dass sich die Verpflichtung auf einen Aufenthalt beschränkt – nicht auf jede beliebige spätere Einreise innerhalb von fünf Jahren.
-
Etwas anderes gilt nur, wenn die Behörde den Verpflichtungsgeber klar und unmissverständlich darauf hinweist, dass er sich für mehrere Einreisen und Aufenthalte verpflichten soll.
Damit betont das Gericht: Die Fünfjahresfrist beschreibt den äußersten Rahmen; ob innerhalb dieses Rahmens tatsächlich mehrere Aufenthalte erfasst sind, ist eine Frage der Auslegung der konkreten Verpflichtungserklärung.
5. Besuchsvisa versus humanitäre und Asylfälle
5.1 Besuchsvisa (Schengen- und nationale Besuchsaufenthalte)
Bei klassischen Besuchsvisa (Urlaub, Familienbesuch, Einladung von Freunden) gilt:
-
Die Verpflichtungserklärung dient primär dazu, den Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts für den beantragten Aufenthalt zu erbringen.
-
In der Praxis wird meist die bundeseinheitliche Formularerklärung verwendet; im Feld „Zweck des Aufenthalts“ steht dann etwa „Besuch“ oder „Familienbesuch“.
-
Gerichte interpretieren solche Erklärungen zunehmend eng am Besuchszweck:
-
Mehrere Entscheidungen (VG Mainz, VG Weimar, VG Sigmaringen, VGH Baden-Württemberg, VGH München) gehen davon aus, dass die Erklärung regelmäßig nicht automatisch alle späteren Einreisen erfasst, sondern typischerweise nur den konkret geplanten Besuch.
-
Für Einladende bedeutet das:
Je klarer der Aufenthaltszweck und die Dauer im Formular und (falls vorhanden) in ergänzenden Erklärungen beschrieben sind, desto besser lässt sich später eingrenzen, welche Zeiträume tatsächlich von der Haftung erfasst sind.
5.2 Humanitäre Aufenthalte und Asylfälle
Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn eine Verpflichtungserklärung zum Zweck einer humanitären Aufnahme oder im Umfeld eines Asylverfahrens abgegeben wird.
Typische Konstellationen:
-
Verpflichtungserklärungen im Rahmen von Landesaufnahmeprogrammen (z.B. für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge nach § 23 Abs. 1 AufenthG).
-
Verpflichtungserklärungen zur Ermöglichung der Einreise von Angehörigen, die später im Rahmen eines Asylverfahrens als Flüchtlinge anerkannt werden.
Hier sind zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zentral.
6. Bundesverwaltungsgericht, 13.02.2014, Az.: BVerwG 1 C 4.13
6.1 Kernaussagen des Urteils
Im Jahr 2014 hatte das Bundesverwaltungsgericht über die Situation zu entscheiden, dass eine Person mit Besuchsvisum eingereist, später Asylsuchende geworden und schließlich als Flüchtling anerkannt worden war. Die Verpflichtungsgeberin war verpflichtet worden, Asylbewerberleistungen zu erstatten, die während des Asylverfahrens gewährt worden waren.
Das Gericht hat entschieden:
-
Leistungen nach dem AsylbLG sind von der Verpflichtungserklärung erfasst.
-
Die Flüchtlingsanerkennung lässt den Erstattungsanspruch für davor gewährte Leistungen nicht rückwirkend entfallen.
-
Aus unionsrechtlicher Sicht bestehen gegen eine solche Inanspruchnahme keine grundsätzlichen Bedenken; insbesondere ist es zulässig, die Gewährung von Leistungen von der Bedürftigkeit abhängig zu machen und ggf. Dritte (Verpflichtungsgeber) in Anspruch zu nehmen.
Die damalige Rechtslage sah noch keine gesetzliche Fünfjahresfrist vor; die Haftung endete nach der Rechtsprechung im Grundsatz mit Ausreise oder dem Übergang auf einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck.
6.2 Heutige Bedeutung (2025)
Für die heutige Rechtslage ist das Urteil vor allem aus drei Gründen weiterhin bedeutsam:
-
Es bestätigt, dass gesetzlich zustehende Sozialleistungen (insb. AsylbLG, später Bürgergeld) von § 68 AufenthG umfasst sind.
-
Es stellt klar, dass die Flüchtlingsanerkennung als solche die Haftung nicht entfallen lässt – genau das hat der Gesetzgeber später in § 68 Abs. 1 Satz 4 kodifiziert.
-
Für Alt-Fälle (Verpflichtungserklärungen vor 6.8.2016) bildet die Entscheidung zusammen mit den späteren Gesetzesänderungen den Ausgangspunkt für viele Folgeentscheidungen der Oberverwaltungsgerichte.
7. Bundesverwaltungsgericht, 26.01.2017, Az.: BVerwG 1 C 10.16
Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2017 erneut über Verpflichtungserklärungen zu entscheiden, diesmal im typischen Kontext der Landesaufnahmeprogramme für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge.
7.1 Sachverhalt in Kürze
-
Ein Verpflichtungsgeber hatte sich 2014 verpflichtet, für den Lebensunterhalt seiner syrischen Angehörigen einzustehen, die auf Grundlage einer Landesaufnahmeanordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG aufgenommen wurden.
-
Die Angehörigen stellten später Asylanträge und wurden als Flüchtlinge anerkannt; sie erhielten anschließend Leistungen nach dem SGB II (heute: Bürgergeld).
-
Das Jobcenter nahm den Verpflichtungsgeber zur Erstattung dieser Leistungen in Anspruch.
7.2 Entscheidung und Bedeutung
Das Bundesverwaltungsgericht entschied:
-
„Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung ist nicht identisch mit dem einzelnen Aufenthaltstitel, sondern knüpft an den gesetzlichen Systematik der Aufenthaltszwecke an.
-
Humanitäre Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 2 AufenthG gehören beide zum Abschnitt 5 (völkerrechtliche, humanitäre und politische Gründe) des AufenthG; sie haben damit denselben übergeordneten Aufenthaltszweck.
-
Die Verpflichtungserklärung erlischt daher nicht durch den Wechsel von § 23 Abs. 1 zu § 25 Abs. 2 AufenthG; die Haftung dauert fort, solange der maßgebliche humanitäre Aufenthaltszweck besteht (heute: innerhalb der Fünfjahresfrist, bzw. drei Jahren bei Alt-Fällen nach § 68a AufenthG).
Damit wurde höchstrichterlich geklärt, dass gerade bei humanitären Aufnahmefällen ein Wechsel von „Aufnahmetitel“ zu „Flüchtlingsanerkennung“ die Haftung nicht automatisch beendet. Die Integrationsgesetz-Reform 2016 hat diese Linie gesetzlich verankert.
8. Aktuelle Rechtsprechung 2025: Auslegung und Grenzen der Verpflichtungserklärung
Neben den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts haben die Oberverwaltungsgerichte in den letzten Jahren zahlreiche Detailfragen zur Verpflichtungserklärung geklärt – sowohl bei Besuchsvisa als auch bei humanitären Konstellationen.
8.1 Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2025 – 11 S 134/22
In einer aktuellen Entscheidung hat der VGH Baden-Württemberg betont:
-
Die Verpflichtungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist nach den §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen.
-
Wird ein behördliches Formular verwendet und bleibt nach der Auslegung offen, ob die Verpflichtung auch die Zeit nach Abschluss eines Asylverfahrens (z.B. nach Anerkennung als Flüchtling) umfasst,
-
so gehen diese Unklarheiten zu Lasten der Behörde bzw. des Jobcenters, das sich die Formulargestaltung zurechnen lassen muss.
Mit anderen Worten:
Je komplizierter und missverständlich das Formular ist, desto eher besteht eine Chance, dass ein Gericht die Haftung enger auslegt.
8.2 Schriftform zwingend – Scans reichen nicht
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2022 – 11 S 148/22
Der VGH Baden-Württemberg hat außerdem entschieden:
-
Die in § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verlangte Schriftform richtet sich nach § 126 BGB.
-
Erforderlich ist grundsätzlich eine eigenhändige Originalunterschrift oder eine gleichwertige Form (z.B. notarielle Beglaubigung).
-
Geht der Behörde nur ein Scan bzw. Ausdruck einer unterschriebenen Verpflichtungserklärung zu, liegt kein wirksamer Zugang einer formgerechten Erklärung vor; die Verpflichtungserklärung ist dann nichtig, und es besteht keine Haftung aus § 68 AufenthG.
Für die Praxis bedeutet das:
Wer eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben soll, darf die Einhaltung der Formvorschriften kritisch prüfen lassen – insbesondere, wenn nur Kopien in der Behördenakte vorhanden sind.
8.3 Zweckwechsel und Ende der Haftung
VG Halle, Urteil vom 26.02.2021 – 1 A 281/18 HAL
Das VG Halle hat entschieden, dass die Haftung aus einer Verpflichtungserklärung enden kann, wenn der Aufenthaltszweck tatsächlich wechselt, z.B.:
-
von einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung
-
hin zu einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 2 AufenthG),
und die Verpflichtungserklärung nach ihrem Inhalt erkennbar nur den familiären Aufenthaltszweck absichern sollte.
Gerade für Konstellationen, in denen mehrere Aufenthaltstitel aufeinander folgen, lohnt daher ein genauer Blick ins Formular und in die begleitenden Unterlagen.
9. Anfechtung wegen Irrtums – in der Praxis selten erfolgreich
Theoretisch ist eine Verpflichtungserklärung als Willenserklärung nach den allgemeinen Regeln der §§ 119 ff. BGB anfechtbar, etwa bei einem erheblichen Irrtum über den Inhalt oder die Rechtsfolgen.
In der Praxis stehen einer erfolgreichen Anfechtung aber hohe Hürden entgegen:
-
Die Rechtsprechung geht regelmäßig davon aus, dass der Verpflichtungsgeber zumindest weiß, dass er für den Lebensunterhalt der eingeladenen Person einstehen soll – auch wenn ihm das volle finanzielle Risiko nicht bewusst ist.
-
Selbst erhebliche Fehleinschätzungen zur wahrscheinlichen Dauer eines Asylverfahrens oder zur Höhe der Leistungen sind meist kein „reiner Inhaltsirrtum“, sondern eher ein Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt.
-
Zudem stellt sich in vielen Fällen die Frage, ob eine verspätete Anfechtungserklärung noch fristgerecht ist.
Gerichte sind daher sehr zurückhaltend und verweisen Verpflichtungsgeber eher auf
-
eine enge Auslegung der Erklärung und
-
ggf. auf ermessensgeleitete Billigkeitsentscheidungen der Behörden (z.B. Stundung, Ratenzahlung, teilweise Niederschlagung der Forderung in besonderen Härtefällen).
10. Praktische Hinweise für Personen, die eine Verpflichtungserklärung abgeben möchten
Wer eine Verpflichtungserklärung abgibt – egal ob für ein Besuchsvisum oder im humanitären Kontext – sollte sich im Klaren sein:
-
Haftungsdauer:
-
Grundsatz: bis zu fünf Jahre ab Einreise.
-
Alt-Verpflichtungen vor dem 6.8.2016: max. drei Jahre (Übergangsrecht).
-
-
Haftungsumfang:
-
Es geht nicht nur um gelegentliche Überweisungen an den Gast, sondern um die Erstattung staatlicher Leistungen – häufig in erheblichen fünfstelligen Beträgen.
-
-
Asyl- und Flüchtlingsfälle:
-
Stellt der Eingeladene später einen Asylantrag und wird anerkannt, endet die Haftung nicht automatisch.
-
Gerade in diesen Konstellationen sind die Forderungen von Jobcentern und Sozialämtern häufig besonders hoch.
-
-
Formular genau lesen:
-
Zweck („Besuch“, „Familiennachzug“, „humanitäre Aufnahme“) und Dauer sollten sorgfältig geprüft werden.
-
Eigene Einschränkungen (z.B. „max. 90 Tage“) sollten – soweit die Behörde zustimmt – im Erklärungsteil klar festgehalten werden, nicht nur in informatorischen Bemerkungsfeldern.
-
-
Bonitätsprüfung:
-
Die Ausländerbehörde prüft in der Regel die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichtungsgebers.
-
Trotzdem kann die Belastung später angesichts lang dauernder Verfahren deutlich höher ausfallen als ursprünglich gedacht.
-
11. Fazit
Im Jahr 2025 ist die Haftung aus Verpflichtungserklärungen nach § 68 AufenthG rechtlich klarer konturiert als noch vor zehn Jahren – aber keineswegs harmlos:
-
Die Fünfjahresfrist (bzw. Dreijahresfrist in Alt-Fällen) setzt einen klaren Rahmen.
-
Gerade in humanitären und asylrechtlichen Konstellationen wirkt die Verpflichtungserklärung auch nach Flüchtlingsanerkennung fort.
-
Die aktuelle Rechtsprechung stärkt in manchen Punkten die Position der Verpflichtungsgeber (z.B. bei unklaren Formularen, mehrfachen Einreisen oder Formmängeln), nimmt ihnen aber nicht das grundsätzliche Risiko.
Wer eine Verpflichtungserklärung abgeben will – sei es für ein Besuchsvisum oder im Rahmen einer humanitären Aufnahme – sollte sich daher vorher ausführlich beraten lassen und genau prüfen, ob die mögliche finanzielle Belastung im Ernstfall tragbar ist.
Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Ausländerrecht.
