Bundesverwaltungsgericht, 13.02.2014, Az.: BVerwG 1 C 4.13
Die Rechtsfolgen der Erteilung einer Verpflichtungserklärung sind in § 68 AufenthG normiert. Gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden.
Dies gilt auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen.
Wie sich schon aus diesem Wortlaut des Gesetzes ergibt, ist die Haftung des Erklärenden somit sehr weit gehend und man sollte sich grundsätzlich sehr genau überlegen, ob man eine so weitgehende Verpflichtung eingehen sollte.
Eine nachträgliche Anfechtung einer Verpflichtungserklärung wegen Willensmängeln ist zwar in entsprechender Anwendung der §§ 119 ff BGB grundsätzlich möglich, wird in den meisten Fällen allerdings problematisch sein.
In dem oben genannten Fall des Bundesverwaltungsgerichts hatte dieses darüber zu entscheiden, ob die Verpflichtung des Erklärenden zur Erstattung von Sozialleistungen deswegen entfallen war, weil die betroffene Ausländerin später als Flüchtling anerkannt worden war.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Die Klägerin hatte für marokkanische Staatsangehörige eine Verpflichtungserklärung abgegeben.
Der Kläger hatte sich im Juni 2008 gegenüber der Beklagten gemäß § 68 AufenthG schriftlich verpflichtet, im Falle der Erteilung eines Besuchsvisums alle Kosten des Lebensunterhalts seiner Schwägerin Frau B., einer marokkanischen Staatsangehörigen, bis zu deren Ausreise oder der Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu tragen.
Frau B. erhielt daraufhin ein Besuchsvisum und reiste im Juli 2008 in das Bundesgebiet ein. Sie stellte im Oktober 2008 einen Asylantrag und bezog zwischen März und August 2010 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Sie reiste mit Schengenvisum ein und wurde später als Flüchtling anerkannt.
Im Januar 2011 wurde ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Die Beklagte forderte den Kläger durch Leistungsbescheid zur Erstattung der an Frau B. vor ihrer Flüchtlingsanerkennung gewährten Leistungen in Höhe von knapp 1.300 Euro auf.
Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht gab der Klage gegen den Leistungsbescheid statt, das nachfolgend angerufene Oberverwaltungsgericht wies die Klage jedoch ab.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht sah die Verpflichtungserklärung weiterhin als wirksam an.
Das Bundesverwaltungsgericht folgte der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts und bestätigte, dass der Erstattungsanspruch durch die spätere Flüchtlingsanerkennung nicht rückwirkend erloschen sei.
Auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts endet die Haftung aus der Verpflichtungserklärung erst mit der Ausreise des Ausländers oder der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.
Demzufolge umfasst die Erstattung von Sozialleistungen, die der Ausländer während eines Asylverfahrens bezogen hat, auch den Fall eines erfolgreichen Asylantrags.
Zwar wird zugunsten eines anerkannten Flüchtlings der Zeitraum seines Asylverfahrens gemäß § 55 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes als Zeit eines berechtigten Aufenthalts für den Erwerb von Rechten (z.B. bei der Einbürgerung) angerechnet.
Diese Regelung zur Erleichterung der Integration des anerkannten Flüchtlings führt jedoch nicht zu einer rückwirkenden Erteilung eines Aufenthaltstitels und wirkt sich auch nicht zugunsten eines Dritten aus, der mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung die Haftung für die Lebensunterhaltskosten des Ausländers übernommen hat.
Unionsrecht steht dem Erstattungsanspruch nicht entgegen.
Denn Art. 13 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Gewährung sozialer Leistungen an Asylbewerber von deren Bedürftigkeit abhängig zu machen und gegebenenfalls eine Erstattung von ihnen zu verlangen.
Die Richtlinie zielt allein auf die soziale Sicherung von Asylbewerbern ab; sie steht daher der Inanspruchnahme eines Dritten aus einer von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung nicht entgegen.
Auch die nach der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) deklaratorische Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wirkt aufenthaltsrechtlich nicht zurück und lässt zudem die Haftung des Garantiegebers unberührt.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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