Die Bundesrepublik Deutschland hat mit zahlreichen Staaten Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsverträge abgeschlossen. Ziel dieser völkerrechtlichen Verträge, die Wohlwollens- und Meistbegünstigungsklauseln enthalten, ist insbesondere die Begünstigung der Staatsangehörigen eines der vertragsschließenden Staaten gegenüber anderen Ausländern.
Enthalten völkerrechtliche Verträge Privilegierungen für die Einreise?
Insbesondere die Frage, ob die bestehenden Verträge ausländerrechtliche Privilegierungen hinsichtlich der Einreise oder der Abschiebung von Staatsangehörigen der jeweiligen Vertragsparteien begründen, ist immer wieder Gegenstand von Gerichtsentscheidungen.
In seinem Beschluss vom 24.03.1998 (13 Tz 1048/98) entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) zum Beispiel, dass Art. II Nr. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (FHSV D-USA) keinen über die Regelungen des Ausländergesetzes hinausgehenden Ausweisungsschutz gewähre. Entgegen der Ansicht des Antragstellers könne der FHSV D-USA der Ausweisung daher nicht entgegengehalten werden.
VG Wiesbaden sah aufschiebende Wirkung einer Klage auch bei US-Bürgern als gegeben an
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden urteilte in seinem Beschluss vom 23.03.1998 (4 G 1137/97), dass die „Meistbegünstigungsklausel“ des Art. 3 Abs. 3 S. 3 FHSV D-USA die Vollziehbarkeit des § 72 Abs. 1 AuslG („Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung haben keine aufschiebende Wirkung“) sperre. Denn nach Art. 3 Abs. 3 S. 3 FHSV D-USA dürften Staatsangehörige eines Vertragsteils nicht weniger günstig behandelt werden, als es Staatsangehörigen eines dritten Landes zustehe. Als vergleichbare Staatsangehörige eines dritten Landes wären insofern EU-Bürger zu betrachten, auf die sowohl nach § 12 Abs. 9 AufenthG/EWG als auch nach § 4 Abs. 2 FreizügVO/EG der § 72 Abs. 1 AuslG keine Anwendung fände.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof hält Vorrangprüfung auch bei US-Bürgern für notwendig
Eine weitere interessante Gerichtsentscheidung in diesem Zusammenhang ist der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.10.2009 (9 A 2134/08). Der Kläger in diesem Verfahren war amerikanischer Staatsbürger und bereits Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit nach § 18 AufenthG. Da er seinen Arbeitsplatz wechseln wollte, begehrte er eine erneute Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund der fehlenden Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit versagt wurde, da für die beabsichtigte Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden (§ 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AufenthG).
Der Kläger war hingegen der Ansicht, dass er als amerikanischer Staatsbürger grundsätzlich dem Schutz des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (FHSV D-USA) unterfalle. Sowohl nach dem im FHSV D-USA enthaltenen Meistbegünstigungsprinzip als auch dem Prinzip der Inländerbehandlung sei die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu Unrecht versagt worden.
Dem folgte der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht: Der Kläger sei als amerikanischer Staatsbürger in Ansehung der Vereinbarungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika mit dem FHSV D-USA getroffen worden seien, nicht von dem Zustimmungsvorbehalt des § 39 AufenthG freigestellt.
Die Gewährleistung einer aufenthaltsrechtlichen Besserstellung bzw. Privilegierung amerikanischer Staatsangehöriger gegenüber sonstigen nicht bevorrechtigten Drittstaatsangehörigen sei aus den Rechten, die die Vertragsstaaten ihren Staatsangehörigen mit dem FHSV wechselseitig zugestanden haben, nicht abzuleiten.
Völkerrechtlicher Vertrag sieht keine Besserstellung vor
Das Verwaltungsgericht habe im angegriffenen Urteil zu Recht den in Art. II Abs. 1 FHSV niedergelegten Grundsatz herausgestellt, wonach die Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsteils das Gebiet des anderen Vertragsteils (nur) „nach Maßgabe der Gesetze über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern“ betreten, darin frei reisen und an Orten ihrer Wahl wohnen dürfen.
Damit hätten die Vertragsparteien den Staatsangehörigen des Vertragspartners zwar einerseits einen Anspruch darauf eingeräumt, dass über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Recht entschieden wird. Die vertragsschließenden Staaten hätten sich hiermit jedoch zugleich die Anwendbarkeit ihres jeweils geltenden nationalen Aufenthaltsrechts vorbehalten. Dieser Vorbehalt gelte uneingeschränkt für sämtliche Bestimmungen, die die Einreise und den Aufenthalt von ausländischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet regeln, und damit für das formelle und materielle Aufenthaltsrecht in seiner Gesamtheit.
Der oben genannten Vertragsbestimmung und auch dem Vertrag im Übrigen sei nichts dafür zu entnehmen, dass das nationale Aufenthaltsrecht für die Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaates nach dem Willen der Vertragspartner ungeachtet dieses Vorbehalts ganz oder teilweise abgeändert werden sollte (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Oktober 2006 – 13 S 1943/06).
Entsprechende Hinweise fänden sich auch nicht in dem zum FHSV begleitend ergangenen Zusatzprotokoll.
Beispiele bestehender völkerrechtlicher Vereinbarungen:
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- Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Dominikanischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland
- Handelsabkommen zwischen Deutschland und Indonesien vom 22.04.1953
- Niederlassungsabkommen zwischen Deutschland und Iran vom 17.02.1929
- Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Deutschland und Japan vom 20.07.1927
- Übereinkunft über Einwanderungs- und Visafragen zwischen Deutschland und den Philippinen vom 03.03.1964
- Protokoll über den Handel betreffende allgemeine Fragen zwischen Deutschland und Sri Lanka vom 22.11.1972
- Niederlassungsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz vom 13.11.1909 sowie die Niederschrift vom 19.12.1953
- Niederlassungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei vom 12.01.1927
- Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten vom 29.10.1954
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