Mietrecht: Kündigung im Räumungsrechtsstreit per Schriftsatz über beA unwirksam wegen mangelnder Schriftform - MTH Rechtsanwälte Köln
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 25.02.2022, Az.: 48 C 304/21

Unstreitig kann in einem laufenden mietrechtlichen Rechtstreit auch eine Kündigung erklärt werden. Die Kündigung genügt dann der Schriftform nach § 568 Abs. 1 BGB, wenn dem Kündigungsadressaten (Mieter) bzw. seinem Anwalt eine vom Anwalt der Vermieters selbst beglaubigte Abschrift des die Kündigung beinhaltenden Schriftsatzes zugeht.

Wie ist es aber wenn die Schriftsätze durch den Anwalt des Vermieters per beA an das Gericht versendet werden und das Gericht diese dann an den Gegner weiter leitet. Seit dem 01.01.2022 besteht die aktive Nutzungspflicht des besonderen Anwaltspostfachs (beA)

In dem hier besprochenen Fall hat das Amtsgericht Hamburg entschieden, dass die Kündigung in einem per beA an das Gericht versendeten und an den Mieter weitergeleiteten Schriftsatz nicht der Schriftform nach § 568 Abs.1 BGB genüge.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Klägerin in war die Vermieterin, Beklagte die Mieterin Die Klägerin hatte der Beklagten eine Wohnung mit Vertrag vom 6.1.2016 vermietet. Die zuletzt geschuldete Nettokaltmiete betrug Euro 540,00 monatlich. Obwohl die Miete nach dem Mietvertrag pünktlich bis zum 3. Werktag zu entrichten war, zahlte die Beklagte immer wieder unpünktlich.

Vermieterin mahnt wegen unpünktlicher Mietzahlung ab und kündigt dann erst außergerichtlich

Mit Schreiben vom 2.4.2021 mahnte die Klägerin die Beklagte daher wegen Zahlungsverzugs und verspäteter Mietzahlungen ab und drohte die Kündigung des Mietverhältnisses an. In der Folgezeit gingen die Mietzahlungen der Beklagten bei der Klägerin erneut unpünktlich ein Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.11.2021 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß kündigen und forderte die Beklagte zur Herausgabe der Wohnung auf. Die Kündigung wurde mit dem Zahlungsverhalten der Beklagten trotz Erhalt der Abmahnung, insbesondere mit der bis dahin nicht gezahlten Oktobermiete begründet.

In den Schriftsätzen lässt die Vermieterin ihren Anwalt dann noch per beA kündigen

Mit der Klageschrift vom 22.11.2021 sowie im Schriftsatz vom 27.1.2022 ließ die Klägerin erneut Kündigungen des Mietverhältnisses aussprechen. Die Klageschrift und der Schriftsatz wurden bei Gericht per beA eingereicht und der Beklagten per Post zugestellt.

Die Klägerin beantragte daraufhin die Räumung der Beklagten aus der Mietswohnung.

Urteil des Amtsgerichts Hamburg:

Das Amtsgericht Hamburg urteilte nun dass der Räumungsanspruch nach §§ 546 Abs. 1, 985, 986 BGB nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei durch die mit Schreiben vom 9.11.2021 ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden. Ein nach § 543 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund liege hinsichtlich des Zahlungsverhaltens der Beklagten nicht vor.

Amtsgericht Hamburg sieht in dem Zahlungsverhalten der Mieterin keinen ausreichenden Grund für die fristlose Kündigung

Zwar könne eine fortdauernde Zahlungsunpünktlichkeit als Ausdruck mangelnder Zahlungswilligkeit und -fähigkeit geeignet sein, die vertragliche Vertrauensgrundlage schwer zu erschüttern (BGH, Urteil vom 14.9.2011 – VIII ZR 301/10). Erforderlich sei, dass die Zahlungsunpünktlichkeit einen längeren Zeitraum umfasse, mögen die unpünktlichen Mietzahlungen auch teilweise vor und teilweise nach der gemäß § 543 Abs. 3 BGB erforderlichen Abmahnung liegen (LG Berlin, Urteil vom 28.1.2014 – 29 O 323/13). Das Zahlungsverhalten des Mieters müsse in einer Weise vertragswidrig sein, welche dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar mache.

Die rechtliche Bewertung erfordere eine Gesamtabwägung, welche unter anderem die Anzahl der Verspätungen, die betroffenen Zeiträume, die zwischen den Verspätungen liegenden Zeiträume, die Höhe der (kumulierten) verspäteten Beträge, eine dem Mieter bekannte besondere Angewiesenheit der Vermieterpartei auf pünktliche Zahlungseingänge und den bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses berücksichtige. Dabei komme wegen der Warnfunktion der Abmahnung dem Verhalten des Mieters nach deren Erhalt hervorgehobene Bedeutung zu. Bei der Abwägung zu berücksichtigen sei ebenfalls das von Art. 14 GG geschützte Recht des Mieters, seinen Lebensmittelpunkt und schutzwürdigen Rückzugsraum nicht zu verlieren.

Nach diesem Maßstab trage das Zahlungsverhalten der Beklagten die Annahme eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes nicht.

Die Mieterin habe nach der Abmahnung gezeigt, dass die die Abmahnung respektiert

Das Zahlungsverhalten der Beklagten vor Ausspruch der Abmahnung sei allerdings über einen längeren Zeitraum, namentlich von ca. 11 Monaten, von regelmäßiger und anhaltender Unpünktlichkeit gekennzeichnet gewesen. Ab Mai 2020 sei praktisch keine Mietzahlung pünktlich eingegangen.

Jedoch sei auch festzustellen, dass die Zahlungen zumeist in zeitlichem Zusammenhang mit deren Fälligkeit nachgeholt worden seien. Nur vereinzelt seien Zahlungen über Monate ausgeblieben. Letztlich seien aber sämtliche Beträge stets restlos beglichen worden.

Entscheidend gegen die Annahme eines wichtigen Grundes spreche überdies, dass nach der Abmahnung vom 2.4.2021, von deren Eintreffen bei der Beklagten entsprechend § 270 S. 2 ZPO am 6.4.2021 auszugehen sei, die Beklagte eine sofortige Besserung ihres Zahlungsverhaltens für geraume Zeit erkennen habe lassen.

Bei gebotener Gesamtwürdigung lasse das Zahlungsverhalten erkennen, dass die Beklagte die mit der Abmahnung geltend gemachten Belange der Klägerin ernst genommen habe sowie willens und fähig gewesen sei, ihr künftiges Verhalten der vertraglichen Absprache gemäß auszurichten. In diesem Lichte erscheine die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerin trotz erheblicher Verzögerung der Oktobermiete zumutbar.

Vorstehende Erwägungen würden unabhängig von der Frage gelten, ob die Rechtzeitigkeitsklausel des Mietvertrags gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstoße, weil sie das Risiko einer durch Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorgangs entgegen der gesetzlichen Regelung des § 556b Abs. 1 BGB dem Mieter auferlege (BGH, Urteil vom 5.10.2016 – VIII ZR 222/15

Die per Schriftsatz über das beA an das Gericht versendeten Kündigungen würden der Schriftform nicht genügen.

Auch die mit der Klageschrift und dem weiteren Schriftsatz ausgesprochenen Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht beendet.

Denn diese hätten weder der nach § 568 Abs. 1 BGB einzuhaltenden Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) noch der gemäß § 126 Abs. 3 BGB ersatzweise zulässigen elektronischen Form (§ 126a Abs. 1 BGB) genügt.

Nach letztgenannter Vorschrift müsse dann, wenn die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden soll, der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Darüber hinaus sei notwendig, dass das signierte elektronische Dokument mit der Signatur in den Empfangsbereich des Adressaten gelange. Dies folge aus den in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB verankerten allgemeinen Grundsätzen zum Wirksamwerden von Willenserklärungen durch Zugang. Solle eine formbedürftige Willenserklärung durch Zugang wirksam werden, so muss sie dem Adressaten in der entsprechenden Form tatsächlich zugehen. Es sei allgemein anerkannt, dass bei einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen – wie einer Kündigung – die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB nur dann eingehalten sei, wenn die den Anforderungen dieser Formvorschrift entsprechende Erklärung im Original dem Adressaten tatsächlich zugehe. Der Zugang einer Kopie reiche auch dann nicht aus, wenn eine der Formvorschrift entsprechende Erklärung tatsächlich existiere.

Keine anderen Grundsätze würden für die Einhaltung der elektronischen Form nach § 126a Abs. 1 BGB, da diese eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form lediglich ersetze, mithin an deren Stelle trete, ohne die im Übrigen anwendbaren Grundsätze zu berühren, welche für schriftliche Erklärungen gelten. Substituiert werde bei einer elektronischen Erklärung lediglich die sonst erforderliche eigenhändige Namensunterschrift bzw. das notariell beglaubigte Handzeichen, weil diese mangels gegenständlicher Verkörperung einer elektronischen Erklärung faktisch nicht damit unterzeichnet werden könne. Dementsprechend sei es zur Wahrung der elektronischen Form erforderlich, dass die mit gültiger Signatur versehene elektronische Erklärung mit dieser Signatur an den Adressaten abgesandt werde und diesem zugehe.

Wegen der Weiterleitung durch das Gericht an den Empfänger sei die Schriftform nicht eingehalten

Bei Einreichung eines mit gültiger Signatur des Absenders versehenen Schriftsatzes bei Gericht und Übermittlung dieses Schriftsatzes durch das Gericht an einen dritten Empfänger werde die elektronische Form im Verhältnis zwischen Absender und Empfänger nicht eingehalten. Denn die Legitimationswirkung der Absendersignatur bestünde nur gegenüber dem Gericht. Der vom Gericht per Postzustellung übersandte Ausdruck genüge weder der Schriftform noch der elektronischen Form.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie macht es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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