Mietrecht: Reicht die Bezeichnung des Vermieters als notorischer Lügner für die fristlose oder die fristgemäße Kündigung?
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Amtsgericht Breisbach, 21.10.2022, Az.: 1 C 7/22

Beleidigungen und üble Nachrede gegen den Vermieter durch den Mieter sind nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn diese einen gewissen Schweregrad erreichen und die Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis führt, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Wie ist es aber, wenn der Vermieter von dem Mieter als „notorischer Lügner“ bezeichnet wird? Dies hatte das Amtsgericht Breisbach nun zu entscheiden.

Welche Rechte bei Störung des Hausfriedens

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Die Kläger waren Vermieter einer Wohnung und haben die Mieter einer Wohnung auf Räumung und Herausgabe verklagt. Angemietet war die Wohnung von der Beklagten zu 1., der Beklagte zu 2. verfügte über einen Schlüssel zur Wohnung und lagerte dort Kleidung.

Mietverhältnis war von Beginn an belastet

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien war seit Beginn belastet, bereits ganz am Anfang des Mietverhältnisses hatte die Beklagte zu 1 gegenüber den Klägern Mängel der Wohnung moniert und das Mietverhältnis fristlos und fristgemäß zum 31.12.2021 gekündigt.

Im November 2021 trafen sich die Parteien und einigten sich auf eine Fortsetzung des gekündigten Mietverhältnisses. Darüber hinaus wollten sich die Vermieter um die Beseitigung der Mängel kümmern.

Mit Schreiben vom 13.12.2021 reagierte die Beklagte zu 1 (die Mieterin) auf ein Einschreiben der Klägers vom 07.12.2021, mit dem wohl diverse Verhaltensweisen der Beklagten gerügt wurden, wie folgt:

Nach Vorwürfen durch den Vermieter schreibt die Mieterin gepfefferten Brief

Punkt 3,…Sie sollte lieber Ihren zurückgelassenen Hausrat in den Gemeinschaftsräumen mitnehmen als Ihre ordentliche Mieterin mit falschen Anschuldigungen zu schikanieren.

Punkt 4, wo ich meine Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsrum abstelle, geht Sie nichts an. Auch welche Fahrzeuge ich wann benütze, hat Sie in keinster Weise zu interessieren. Aber auch bei diesem Punkt haben Sie wieder Ihrer blühende Fantasie freien Lauf gelassen. Ich besitze keine 5 Autos, dies wissen Sie doch genau, warum schreiben Sie solche Unwahrheiten?

Ich habe das Gefühl, bei Ihnen stimmt einiges, zumindest was die Wahrheitswahrnehmung angeht nicht.

Vermieter wurde als notorischer Lügner bezeichnet

Die Lüge gehört anscheinend zu Ihrem täglichen Brot.

Ihr PS, mit der Gemeinde Ihringen habe ich gesprochen, diese hat mir versichert, dass es nicht zu den Gepflogenheiten der Gemeinde Ihringen gehört, sich über die Größe, der Nutzung und der Anzahl von Personen von privatem Wohnraum auszulassen oder nachzufragen. Wieder ein Produkt Ihrer verlogenen Fantasie?

Meiner Forderung, die zurückgehaltenen Schlüssel und Tordrücker heraus zu geben, sind Sie bis Heute (13.12.2021) nicht nachgekommen. Auf die Beseitigung der erheblichen Mängel in der Wohnung haben Sie nicht reagiert oder mich mit Lügen vertröstet. Das Maas ist jetzt überschritten„.

Aufgrund dieses Schreiben kündigten die Kläger mit Hilfe ihres Rechtsanwaltes das Mietverhältnis fristlos hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022 zu kündigen. Die fristlose Kündigung wurde darauf gestützt, dass die Kläger durch das Schreiben der Beklagten massiv beleidigt und als notorische Lügner dargestellt worden seien.

Nachdem die Beklagten die Wohnung nicht räumten, reichten die Kläger Räumungsklage beim Amtsgericht Breisbach ein.

Entscheidung des Amtsgerichts Breisbach

Das Amtsgericht Breisbach urteilte nun, dass die Kläger gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach §§ 546, 985 BGB haben. Das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1. sei weder durch die Eigen- noch durch die Vermieterkündigung beendet worden.

Amtsgericht sah die Äußerungen der Mieterin als niedrigschwellig an

Die Eigenkündigung der Mieter habe das Mietverhältnis nicht beendet, weil sich die Parteien danach einvernehmlich auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geeinigt hätten. Den Klägern stünde aber auch kein Räumungsanspruch aufgrund der Vermieterkündigung vom 21.12.2021 zu.

In dem Schreiben vom 13.12.2021 sei kein wichtiger Grund zu erkennen, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liege ein wichtiger Grund, der zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses berechtigt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne.

Beleidigungen würden grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen, der jedoch der Abwägung des Abs. 1 S. 2 bedürfe und je nach tatrichterlicher Einschätzung die Unzumutbarkeitsgrenze überschreiten müsse (BeckOK MietR/K. Schach, 29. Ed. 1.11.2021, BGB § 543 Rn. 11). Die Beklagte zu 1 habe die Kläger mit der Ausführung „die Lüge gehört augenscheinlich zu Ihrem täglichen Brot“ der notorischen Lüge bezichtigt.

Die Beleidigung sei keine erhebliche Pflichtverletzung

Auch wenn die Bezichtigung ein notorischer Lügner zu sein, durchaus beleidigenden Charakter habe, gehe das Gericht derzeit noch nicht von einer erheblichen Pflichtverletzung der Beklagten aus. Bei dem von den Klägern beanstandeten Verhalten der Beklagten zu 1 handele es sich um den ersten Vorgang, anlässlich dessen die Beklagten zu 1 den Klägern, wenn auch wiederholt in demselben Brief die moralische Integrität abgesprochen habe. Dass auch danach ähnliche Äußerungen erfolgt seien, sei nicht vorgetragen, es habe sich also auch um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Bei der Beurteilung der Frage, ob die einmalige Pflichtverletzung so erheblich sei, dass sie zu einer fristlosen Kündigung berechtige, seien auch die Umstände zu berücksichtigen, die zu den Äußerungen geführt hätten. Bei dem Anschreiben der Beklagten zu 1 handele es sich offensichtlich um eine Reaktion auf ein Schreiben der Kläger, das dem Gericht nicht vorliege und in dem die Beklagten zu 1 offensichtlich entweder abgemahnt worden oder in dem ihr mietvertragliche Pflichtverletzungen vorgehalten worden sein.

Die Beklagte zu 1 streite die Vorwürfe offensichtlich ab und widerspriche einigen Tatsachenbehauptungen der Kläger. In diesem Kontext erhebe sie dann auch den Vorwurf der Lüge. Auch wenn mit dem Vorwurf der Lüge einhergehe, dass der so Bezeichnete wider besserer Erkenntnis falsche Tatsachen behauptet, stellt es aus Sicht des Gerichtes noch keine erhebliche Pflichtverletzung dar, die zur Vertragskündigung berechtige, wenn ein solcher Vorwurf erstmalig im Rahmen einer auch schriftlichen Auseinandersetzung mit für das Gericht nicht auf ihre Berechtigung hin zu überprüfende Vorhaltungen der Vermieterseite erfolgt sei.

Danach stünde den Klägern kein Recht zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Abs. 1 BGB zu.

Auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses sei nicht berechtigt gewesen. Nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB könne der Vermieter ein Mietverhältnis nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses habe. Ein solches Interesse liege insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies sei nach den obigen Ausführungen nicht der Fall gewesen.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie macht es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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