Mietrecht: Schadensersatzanspruch des Mieters gegen den Vermieter wegen Entsorgung eines Gegenstandes (Fahrrad) des Mieters - MTH Rechtsanwälte Köln
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

AG Berlin-Mitte, Urteil vom 07.02.2022, Az.:20 C 206/21

In mietrechtlichen Angelegenheiten kann der Mieter nicht nur das Recht auf Mietminderung bei Mietmängeln haben, sondern in bestimmten Fällen auch Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall wenn der Vermieter Eigenbedarf vortäuscht, der Vermieter seinen Prüf- und Inspektionspflichten nicht nachkommt oder einfach Gegenstände des Mieters entsorgt. In dem hier besprochenen Fall hatte der Vermieter durch eine Fremdfirma, die wiederum von der Hausverwaltung des Vermieters beauftragt worden war, ein hochwertiges Fahrrad des Mieters entsorgen lassen.

Welche Pflichten haben Mieter und Vermieter?

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Der Beklagte war Vermieter und der Kläger der Mieter. Der Beklagte hatte dem Mieter eine im Vorderhaus gelegene Wohnung in Berlin vermietet. Zu Beginn des Jahres 2018 kündigte die von dem Beklagten beauftragte Hausverwaltung an, dass am 1. März 2018 unbeschriftete Räder, die im Hof des Hauses abgestellt waren, entfernt werden sollten.

Drittfirma entsorgt Fahrrad, Mieter stellt Strafanzeige

Mit E-Mail vom 21.03.2018 beauftragte die Hausverwaltung eine Drittfirma mit der Entsorgung der Fahrräder, welche diese dann entsorgte. Am 30.03.2018 erstattete der Kläger Strafanzeige, weil sein Fahrrad aus dem Hof gestohlen worden sei. Mit Schreiben vom 06.04.2018 forderte der Kläger den Beklagten wegen der Entfernung seines Fahrrades im Hinterhof zur Zahlung von 1.016,00 Euro bis zum 30. April 2018 erfolglos auf.

Der Kläger behauptet, dass er ca. 3 Wochen nach dem 01.03.2018 die Beschriftung von seinem Fahrrad entfernt habe, dass er im Sommer 2016 für 1.060,00 Euro erworben habe, was er durch die Rechnung nebst Zahlbeleg belegte. Am 29.03.2018 sei dann sein im Hof abgestelltes und abgeschlossenes Fahrrad ebenso wie diverse andere Fahrräder ohne Vorwarnung von der von Beklagtenseite beauftragten Firma entfernt worden. Dafür gebe es Augenzeugen. Gleichzeitig mit seinem Fahrrad sei dessen Zubehör (Faltschloss, Shimano-Klickpedale, iPhone-Halterung, Lenkertaschenhalterung, Flaschenhalterung, ergotec-Griffe, Federklappe) entwendet worden. Für dieses Zubehör habe er ca. 210,00 Euro bezahlt. Unter Berücksichtigung eines Abzuges „neu für alt“ von 20 % sei ihm der Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden.

Mieter macht zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch geltend

Der Beklagte wiederum bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger Eigentümer des Fahrrades sei und dass am 29.03.2018 dieses Fahrrad von der beauftragten Firma des Beklagten entfernt worden sei. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger das Rad im März 2018 noch immer genutzt und im Hof abgestellt gehabt habe. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass das Fahrrad inklusive Zubehör einen Gesamtwert von 1.270,00 Euro als Anschaffungspreis habe.

Der Beklagte behauptet, weder er noch seiner Hausverwaltung hätten zum fraglichen Zeitpunkt Fahrräder entsorgt, sondern die Firma. Weil es sich angeblich um ein sehr hochwertiges Fahrrad handele, erscheine dessen Entsorgung durch zuletzt genannte Firma nicht plausibel. Es sei leider nichts ungewöhnliches, dass im fraglichen Anwesen Fahrräder von jedem fremden Dritten gestohlen worden seien.

Urteil des Amtsgerichts Berlin Mitte

Das Amtsgericht Berlin Mitte urteilte nun, dass dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung mietvertraglicher Schutzpflichten gemäß §§ 282, 241 Absatz 2 BGB bzw. verbotene Eigenmacht gemäß §§ 823, 831 BGB in Verbindung mit § 858 Absatz 1 BGB bzw. wegen schuldhafter Verletzung des Eigentums des Klägers gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB zustehe.

Amtsgericht Berlin Mitte sieht Schadensersatzpflicht des Vermieters

Der Kläger sei aktivlegitimiert. Die gesetzliche Vermutung aus § 1006 BGB greife zu Gunsten des Klägers ein, weil er mit dem Abstellen seines Fahrrades in dem Hof des streitgegenständlichen Gebäudes seinen Besitz nicht aufgebe. Zudem habe er mittels der eingereichten Rechnung nebst Zahlbeleg vom 15. Juli 2016 seinen Erwerb belegt (§ 416 ZPO), so dass das Bestreiten der Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 138 ZPO nicht entscheidungserheblich sei.

Der Beklagte sei dem Grunde nach schadensersatzpflichtig, weil durch von ihm veranlasste Handlungen das Fahrrad des Klägers abhandengekommen sei. Unstreitig habe die Beklagtenseite in der Klageerwiderung gestellt, dass die Firma zum fraglichen Zeitpunkt Fahrräder entsorgt habe. Der Beklagte müsse sich sowohl das Verhalten der Hausverwaltung als auch der Entsorgungsfirma im Rahmen der §§ 164, 278, 831 BGB zurechnen lassen.

Vermieter muss sich die Handlungen der Drittfirma zurechnen lassen

Demgemäß müsse sich der Beklagte zurechnen lassen, dass die für ihn tätige Hausverwaltung trotz Kenntnis davon, dass der per Aushang angekündigte Termin am 01.03.2018 ungenutzt verstrichen worden war und diese die beauftragte Entsorgungsfirma mit E-Mail vom 21.03.2018 zur Nachholung aufforderte, darüber die betroffenen Mieter im Hause nicht informiert habe. Mietvertraglich sei die Vermieterseite gehalten gewesen, mittels vergleichbaren Aushangs wie für den 01.03.2018 bzw. durch Einzelanschreiben den Mietern mitzuteilen, dass die zunächst für den 01.03.2018 angekündigte Entsorgung unbeschrifteter Fahrräder nachgeholt werde, so dass die Mieter hätten Vorkehrungen treffen können. Das habe die Hausverwaltung in schuldhafter Weise unterlassen, was sich der Beklagte entgegenhalten lassen müsse. Dass der Beklagte seine Überwachungs- und Kontrollpflichten gegenüber der Hausverwaltung wahrgenommen hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass er nicht entlastet sei und schuldhafte Nebenpflichtverletzung der mietvertraglichen Rücksicht-, Schutz- und Informationspflichten der Vermieterseite gegeben sei.

Mit der eigenmächtigen Inbesitznahme von Hausrat des Mieters, wozu auch das von ihm im Hof abgestelltes Fahrrad gehöre, sei der Vermieter dem Mieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Den Vermieter treffe mit seiner Inbesitznahme von Hausrat des Mieters zugleich eine Obhutspflicht, welche einer Entsorgung grundsätzlich entgegenstünde (BGH, Urteil vom 27. April 1971 – VI ZR 191/69). Den Vermieter treffe für die eigenmächtig in Besitz genommenen Gegenstände eine Obhutspflicht im Sinne des § 241 Absatz 2 BGB. Diese habe nicht nur zur Folge, dass der Vermieter die nachweislich in Obhut genommenen Gegenstände vollständig und in einem gegenüber dem Zustand bei Inobhutnahme nicht verschlechterten Zustand wieder herausgeben müsse. Im Falle einer Unmöglichkeit der Herausgabe habe er sich – wie § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB zeige – zu entlasten, so das ihn und nicht den Mieter insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 – III ZR 126/88 -).

Schadensersatzanspruch bestehe sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach

Der somit dem Grunde nach gegebene Anspruch auf Schadensersatz sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Gericht sei gehalten, nach pflichtgemäßen Ermessen zu beurteilen, ob nach § 287 ZPO die Schätzung des Schadens möglich sei und dafür reiche der Vortrag des Klägers als Schätzgrundlage aus. Mittels der eingereichten Rechnungen für das Fahrrad und dessen Zubehör stelle der Kläger dar und belege, dass er zu deren Erwerb insgesamt Kosten von 1.260,00 Euro aufgewandt habe. Dem trete der Beklagte ohne konkreten Gegenvortrag zu damals anderen Ankaufspreisen für die konkret bezeichneten Gegenstände nicht entscheidungserheblich entgegen. Ebenso verhalte es sich für den von der Klägerseite in Ansatz gebrachten Abschlag von 20 % als Abzug „neu für alt„, denn der Beklagtenseite sei ein substantiiertes Bestreiten durch Gegenvortrag eines anderen Zeitwertes am 29. März 2018 möglich und zumutbar gewesen. Im Rahmen des § 287 ZPO ergebe die gebotene Schätzung auf Grundlage der von dem Kläger vorgetragenen und belegten Anschaffungspreises deshalb, dass der geltend gemachte Schadensersatz in Höhe der Klageforderung auch der Höhe als kausaler Schaden zu ersetzen ist, § 249 BGB.

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Ein Kommentar

  • Hallo,
    danke für den Artikel.
    Gibt es ein Musteranschreiben auf Schadensersatz in so einem Fall, mit dem ich mich erst einmal ohne Anwalt an den Eigentümer/Vermieter wenden kann?

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