Verwertungskündigung: Keine Annahme eines erheblichen Nachteils gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB bei lediglich geringen Verlust des Vermieters
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Landgericht Heidelberg, 14.11.2017, Az.: 5 S 59/16

Nach § 573 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis ordentlich kündigen, sofern er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt unter anderem dann vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. Hierbei ist zu beachten, dass ein erheblicher Nachteil nicht immer unmittelbar wirtschaftlicher Natur sein muss. Auch die fehlende Möglichkeit, den Wohnraum modernen Wohnverhältnissen anzupassen, mit der Folge, dass spätere Vermietungen verhindert werden, kann erhebliche Nachteile darstellen.

Die zu erleidenden Nachteile muss der Vermieter spätestens im Prozess unter Aufzeigung seiner finanziellen Verhältnisse darlegen.

Ist die ordentliche Kündigung rechtmäßig, so kann der Vermieter nach §§ 546, 985 BGB die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen.

Im nachstehenden Urteil geht es um die Frage, ob eine reine nachvollziehbare und vernünftige wirtschaftliche Umbauerwägung des Vermieters unter Zugrundelegung des größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteils des Vermieters das Bestandsinteresse des Mieters überwiegen lässt.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Klägerin kaufte im Jahr 2011 das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in Heidelberg und wurde am 20.06.2012 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Beklagte bewohnt im Obergeschoss des Mehrfamilienhauses seit dem 01.11.1999 eine Wohnung und bezahlt hierfür 483,75 EUR einschließlich Betriebskosten. Im Obergeschoss befindet sich darüber hinaus noch ein nicht mitvermieteter Abstellraum und über diesem Geschoss ein nicht ausgebauter Dachspitz mit ungedämmten Dach.

Vermieterin kündigt Wohnung wegen Kosten für die Sanierung und Umbau

Im Anschluss an eine erforderlich gewordene Reparatur des Daches, ließ die Klägerin Pläne für eine Maisonette-Wohnung von 114,66 m² anfertigen. Für diese sollte die bisherige Aufteilung von Wohnung, Abstellraum und Spitzboden wegfallen. Hierfür kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2014 das Mietverhältnis mit der Beklagten und begründete dies mit den Kosten für die Sanierung und den Umbau. Am 18.09.2014 wurde für den Umbau die dem Denkmalschutz entsprechende Zustimmung erteilt und am 22.10.2014 die Baugenehmigung, wobei beide Bescheide Auflagen enthielten.

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Beklagte zu verurteilen die streitgegenständliche Wohnung zu räumen und herauszugeben. Hierfür trägt sie vor, dass bei Beibehaltung des bisherigen Grundrisses eine umfassende Erneuerung des Daches und der Umbau des Spitzbodens zu einer Wohnung mindestens 87.526,46 EUR kosten würden, wobei sich bei diesem Plan kein Nutzen für sie ergebe. Der Umbau zur Maisonette-Wohnung koste zwar 276.710,70 EUR, wurde sich dann aber durch die zu erwartende Kaltmiete von 1.720,00 EUR schnell amortisieren.

Mieterin widerspricht Kündigung und sieht Verwertungsabsicht als vorgeschoben an

Die Beklagte erwiderte hierauf, dass die Verwertungsabsicht lediglich vorgeschoben und das Bauvorhaben nicht zu realisieren sei. Im Weiteren habe das Kündigungsschreiben keine hinreichende Begründung enthalten.

Das Amtsgericht hat daher Beweis erhoben, woraufhin die Beklagte antragsgemäß verurteilt wurde. Hierbei geht das Amtsgericht davon aus, dass die Klägerin den Umbau ernstlich vorhabe und die behördlichen Auflagen mit der Planung konform liefen. Die Verwertung sei daher nach Ansicht des Amtsgerichts angemessen und die Kündigung verfolge auch nicht nur den Zweck einer Mieterhöhung. Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses würden der Klägerin erhebliche Nachteile entstehen.

Gegen das stattgebende Räumungsurteil reicht die Mieterin Berufung ein

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden Berufung. Durch die Berufungsbegründung macht sie verschiedene Verfahrensfehler geltend. Zum Sachverhalt trägt sie vor, dass die Kündigung nicht ausreichend begründet gewesen sei. Im Weiteren liege keine ernstliche Verwertungsabsicht vor. Insbesondere im Hinblick auf die fehlende Baufreigabe. Die Maisonette-Wohnung stelle eine nicht angemessene „Luxusmodernisierung“ dar.

Berufungsurteil des Landgerichts Heidelberg

Das Landgericht Heidelberg urteilte nun, dass die Berufung zulässig und begründet sei. Die Klägerin (Berufungsbeklagte) habe keinen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach §§ 566 Abs. 1, 546 Abs. 1 BGB.

LG Heidelberg sieht Kündigung als unwirksam an

Die am 13.05.2014 ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis nach § 543 Abs.1, 2 BGB nicht beendet, da der Kündigungsgrund nicht bestanden habe.

Die Kündigung sei zwar formell wirksam gewesen und habe auch eine ordnungsgemäße Begründung enthalten, jedoch erlitte die Klägerin als Vermieterin durch den Fortbestand des Mietverhältnisses keine erheblichen Nachteile im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Das Amtsgericht habe zwar zu Recht angenommen, dass der Bestand des Mietverhältnisses einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung entgegenstehe und die Kündigung nicht nur zum Zwecke der Mieterhöhung erfolgt sei. Auch sei es eine vernünftige und nachvollziehbare Erwägung, dass man anlässlich einer Erneuerung und energetischen Sanierung des Daches neuen und modernen Wohnraum schaffen möchte. Angesichts der vorgelegten Unterlagen konnte das Amtsgericht auch davon ausgehen, dass die Umbauten -unter Erhaltung des Dachstuhls- rechtlich und tatsächlich zulässig und ernsthaft geplant seien.

Keine erheblichen Nachteile für die Vermieterin bei Nichtkündigung

Jedoch seien bei der Hinderung der geplanten Verwertung keine erheblichen Nachteile für die Klägerin im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu erwarten.

Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entstehe, sei vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und dem damit einhergehenden Bestandsinteresse des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewähre dem Vermieter insoweit keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung sei Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Jedoch dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen würden (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1517).

Demnach reiche nicht die Annahme, dass ein erheblicher Nachteil alleine daraus erwachse, dass die Klägerin ihren geplanten Umbau nicht in der Art und Weise beim Fortbestand des Mietverhältnisses umsetzen könne. Vielmehr sei hierfür eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Die reine Nachvollziehbarkeit der geplanten „Ideallösung“ könne aber nicht ausschlaggebend sein.

Hiernach wögen unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles die Nachteile der anderen Verwertungsvarianten, wie kleinere Dachreparaturen nur anlässlich jeweils auftretender Undichtigkeiten einerseits oder Erneuerung des gesamten Daches unter Erhalt der bisherigen Raumaufteilung andererseits, gegenüber der angestrebten weitergehenden Lösung nicht so schwer, dass sie als „erheblich“ anzusehen seien. Etwas Anderes wäre nur anzunehmen, wenn eine Erneuerung nicht -wie vorliegend- nur wirtschaftlich sinnvoll erscheine, sondern zwingend erforderlich sei, da anderenfalls eine Substanzverschlechterung zu erwarten wäre.

Mithin sei bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nicht einer plötzlichen, zumindest unerwarteten Verschlechterung der Bausubstanz gegenübersähe, sondern diese das Grundstück mit der Wohnung im heutigen baulichen Zustand erworben habe, nämlich mit fehlender Dachdämmung, alter Dachbedeckung und dem bekannten Zuschnitt der Räume. Die Wohnung selbst sei zu diesem Zeitpunkt bereits vermietet gewesen, sodass dem Grundstück daher von Anfang an der durch die Vermietung begründete Minderwert anhaftete (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2008 – VIIIZR 254/06).

Wirtschaftliche Folgen für die Vermieterin nur minimal

Letztlich seien die wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin nur minimal. Insbesondere, da auch unter Beachtung der Verhinderung des größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteils der Klägerin, die Nachteile dieser weder für sich genommen noch gemeinsam so schwer wiege, als dass in der Interessenabwägung dies das Bestandsinteresse der Beklagten übersteigen würde und damit als erheblich anzusehen wäre.

Daher sei im Hinblick auf die umfassende Interessenabwägung und dem in diesem Zuge überwiegende Bestandsinteresse der Beklagten der Berufung stattzugeben.

Quelle: Landgericht Heidelberg

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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