Wohnungsmangel stellt für sich keine nicht zu rechtfertigende Härte dar, die den Mieter zum Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung berechtigt - MTH Rechtsanwälte Köln
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 17.10.2022, Az.: 105 C 191/22

Mieter können einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs.2 Nr.2 BGB nicht allein deswegen widersprechen, weil eine allgemeine Wohnungsmangellage besteht. Dieser begründet keine relevante Härte iSd § 574 Abs.1 BGB. Dem Mieter ist es vielmehr zuzumuten, vor dem Hintergrund eines angespannten Wohnungsmarktes kompromissbereit zu sein.

In dem vorliegenden Fall hatte die Klägerin den Mietvertrag mit den Beklagten über eine Wohnung in Berlin gekündigt, weil ihr Sohn in diese einziehen sollte. Die Beklagten widersprachen der Kündigung mit der Begründung, sie könnten aufgrund des Wohnungsmangels in Berlin nicht rechtzeitig zum Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Wohnung finden und die Kündigung stelle daher eine nicht zu rechtfertigende Härte dar.

Für wen darf ich Eigenbedarf anmelden?

Sachverhalt des Falles:

Vermieterin kündigte die Wohnung wegen Eigenbedarfs, weil ihr Sohn in die Wohnung ziehen wollte

Am 07.10.2010 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über eine Wohnung in Berlin. Die Klägerin ist Vermieterin, ihr Sohn aber mittlerweile der Eigentümer der Wohnung. Die Klägerin verwaltet die Wohnung und zu ihren Gunsten wurde ein unbefristeter Nießbrauch im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 18.11.2021 kündigte die Klägerin den Mietvertrag gemäß § 573 Abs.2 Nr.2 BGB zum 31.08.2022 und gab an, ihr 45-jähriger Sohn wolle in die Wohnung einziehen. Dieser wohne aktuell in einem WG-Zimmer und wolle mit seiner Frau, die er im Juli 2022 heiraten würde, eine eheliche Lebensgemeinschaft eingehen. Alternativer Wohnraum stehe der Klägerin nicht zur Verfügung.

Nachdem der Mieter nicht räumte, reichte die Vermieterin Räumungsklage ein

Die Klägerin erhob am 16.07.2022 Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietsache. Am 08.08.2022 widersprachen die Beklagten der Kündigung mit der Begründung, sie hätten keine angemessene Wohnung gefunden und müssten das Mietverhältnis daher für ein bis zwei Jahre fortsetzen. Sie gaben an, etwa 100 Bewerbungen verschickt zu haben und sowohl über Hausverwaltungen als auch Onlineportale nach geeignetem Wohnraum gesucht zu haben.

Mieter machten als Härtegrund den angespannten Wohnungsmarkt in Berlin geltend

Zwar hätten sie die Suche über Berlin hinaus ausgeweitet, schwerpunktmäßig aber in der Nähe des Arbeitsplatzes bzw. der pflegebedürftigen Eltern des Beklagten zu 1) gesucht. Sie bräuchten zudem aufgrund der beruflichen Tätigkeit der Beklagten zu 2) zwingend ein Arbeitszimmer. Einen Makler hätten sie nicht beauftragt, da die eigenen Bemühungen über die Tätigkeit eines Maklers sogar hinausgegangen seien. Vor diesem Hintergrund stelle die Kündigung eine den Beklagten nicht zumutbare Härte iSd § 574 Abs.2 BGB dar.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten hätten ihre Bemühungen, alternativen Wohnraum zu finden, nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere müssten sie ausführen, welche Wohnungen sie genau besichtigt haben und wieso eine Absage erfolgte. Sie hätten sich zudem zu spät, nämlich erst Ende März 2022, um die Wohnungssuche bemüht.

Urteilsgründe des Amtsgerichts Schöneberg

Das Amtsgericht Schöneberg gab der Klage statt. Die Kündigung vom 18.11.2021 habe das Mietverhältnis zum 31.08.2022 beendet und der Klägerin stehe daher ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung aus § 546 Abs.1 BGB zu.

Gericht sah Eigenbedarf des Sohnes der Klägerin als gegeben an

Die Klägerin sei zunächst als dingliche Nießbraucherin nach § 567 BGB zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen. Das Gericht nimmt zudem einen berechtigten Eigenbedarf der Klägerin an. Nach der Gesamtschau aller Umstände bestünden keine Zweifel daran, dass der Sohn der Klägerin die Wohnung nutzen wolle. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass der Plan umzuziehen nach seinen derzeitigen Lebensumständen nachvollziehbar sei und dass ihm aufgrund seiner finanziellen Situation wenig alternative Möglichkeiten zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Frau offenstünden. Dieser Plan sei auch bereits hinreichend konkretisiert und der Sohn der Klägerin kenne die Umgebung und die Aufteilung der streitgegenständlichen Wohnung.

Auch eine besondere Härte im Sinne des § 574 Abs. 2 BGB sah das Gericht nicht vorliegen

Der Widerspruch der Beklagten gegen die berechtigte Eigenbedarfskündigung habe keinen Erfolg, es liege keine besondere Härte iSd § 574 Abs.2 BGB vor, es sei den Beklagten zuzumuten, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.

Dies begründete das Gericht damit, dass ein angespannter Wohnungsmarkt allein noch keine Härte im Sinne der Norm darstelle. Es sei vielmehr erforderlich, dass es dem konkreten Mieter nicht zumutbar ist, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine neue, angemessene Wohnung zu finden. Eine Wohnung ist angemessen, wenn sie bestimmte Mindeststandards erfüllt, qualitativ gleichwertig mit der vorherigen Wohnung muss sie dazu aber nicht sein. Der Mieter muss zur Beschaffung neuen Wohnraums alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, wobei die individuellen Bedürfnisse von Mieter und Vermieter abgewogen werden müssen.

Die Mieter hätten nicht in ausreichendem Sinne nachgewiesen, dass sie ausreichend nach einer Wohnung gesucht haben

Zwar konnten die von den Beklagten behaupteten Bemühungen zur Wohnungssuche in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht bestätigt werden, dieses hielt sie jedoch nicht für ausreichend. Gerade bei besonderem Wohnungsmangel müssten Mieter kompromissbereit sein, sowohl im Hinblick auf die Lage als auch auf die Größe oder den Schnitt der zukünftigen Wohnung. So hätten die Beklagten im Februar 2022 lediglich zwei Wohnungen besichtigt, was nicht ausreichend sei. Zudem wären zwei besichtigte Wohnungen von den Beklagten abgelehnt worden, weil der Grundriss nicht den Vorstellungen der Beklagten entsprach. Auch eine zu geringe Größe oder eine Befristung des Mietvertrages auf ein Jahr der zur Auswahl stehenden Wohnungen stellten nach Auffassung des Gerichts keine ausreichenden Argumente dar, um von einer Ungeeignetheit der zur Verfügung stehenden Wohnungen auszugehen.

Im Hinblick auf die Nähe zu den pflegebedürftigen Eltern der Mieter hätten sich diese auch selbst widersprochen

Die Nähe der Wohnung zu den pflegebedürftigen Eltern des Beklagten zu 1) könne insbesondere deshalb nicht zur Begründung einer unzumutbaren Härte herangezogen werden, da die Beklagten selbst eine, erst im Sommer 2024 bezugsfertige, Wohnung in Betracht gezogen hatten, die ebenfalls sehr weit von den Eltern des Beklagten zu 1) entfernt liegt. Daraus schloss das Gericht, dass die Lage in dieser Hinsicht kein entscheidender Faktor für die Beklagten zu sein schien.

Auch die Beauftragung eines Maklers sei den Beklagten zuzumuten, diese böten oft Wohnungen an, die nicht in den gängigen Suchportalen gelistet seien, die Wohnungssuche würde daher durch die Zusammenarbeit mit einem Makler erleichtert.

Obwohl das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung zum 31.08.2022 bestätigte, entschied es, in Abwägung der Interessen der Klägerin und ihres Sohnes mit den Interessen der Beklagten, eine Räumungsfrist bis zum 31.08.2023 zu gewähren. Dem lag zugrunde, dass die Beklagten zumindest nicht untätig geblieben waren, sondern sich, wenn auch nicht ausreichend, um neuen Wohnraum bemüht hatten und der Sohn der Klägerin aktuell in einer Wohnung mit eigenem Zimmer lebte, aus der kein unmittelbarer Auszug drohte.

Quelle: AG Schöneberg

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie macht es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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