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Ausländerrecht: Auch Bagatellstraftaten können im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden

Verwaltungsgericht München, 20.01.2016, Az.: M 25 K 15.4003

Nach § 10 Abs. 1 StAG ist ein Ausländer, wenn die darin genannten Voraussetzungen sämtlich vorliegen.

Hierbei ist zu beachten, dass die vorgenannten und in dem Gesetz festgelegten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Nur bei Vorliegen aller Merkmale hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Einbürgerung in den deutschen Staatenverbund. Bei der Voraussetzung der Straffreiheit ist die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 S. 1 StAG zu berücksichtigen, wonach unter anderem nach Nr. 2 Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben. Ebenso können Maßregelungen zur Sicherung und Besserung unberücksichtigt bleiben. Jedoch liegt letzteres im Ermessen der Behörde, welche eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung der Interessen vorzunehmen hat.

Der Kläger begehrt durch die nachstehende Entscheidung die Einbürgerung in den deutschen Staatenverbund. Das dem Sachverhalt zugrundeliegende Problem ist die Frage um die Berücksichtigung von Bagatellverurteilungen im Rahmen der Ermessensausübung der Behörde.

Einleitung und Hintergrund – Kläger verschweigt Straftaten bei Einbürgerung

Der Kläger, ein ausländischer Staatsangehöriger, reiste im September 2002 mit einem Visum zum Studium in das Bundesgebiet ein. Nach dem Abschluss seines Tanzdiploms im Juli 2004 arbeitete er bis 2009 als Tänzer für ein Ballettensemble. Nachdem er im Februar 2009 eine Niederlassungserlaubnis erhalten hatte, eröffnete er im Jahr 2010 ein Café. Gegenwärtig studiert er an einer privaten Hochschule, betreibt einen Onlinehandel für Geschenkartikel und arbeitet in Teilzeit bei einer Beratung. Trotz seines vielfältigen Engagements geriet der Kläger jedoch in Schwierigkeiten, die letztlich seine Bemühungen um die Einbürgerung behinderten.

Im August 2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Einbürgerung und erklärte sich bereit, seine bisherige Staatsbürgerschaft aufzugeben. Doch im April 2012 wurde er in Berlin unter dem Einfluss von Marihuana beim Autofahren erwischt, was zu seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr führte. Das Amtsgericht verhängte gegen ihn eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis und entschied, dass er für einen Zeitraum von zehn Monaten keinen neuen Führerschein beantragen dürfe. Diese Verurteilung verschwieg der Kläger bei seinen späteren Einbürgerungsanträgen.

Strafrechtliche Verurteilungen und ihre Folgen

Im Dezember 2012 und erneut im September 2013 reichte der Kläger seine Einbürgerungserklärung ein, ohne jedoch die Verurteilung von 2012 offenzulegen. Aufgrund dieser Verschleierung wurde er im Juni 2014 wegen Erschleichung einer Einbürgerung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Infolgedessen lehnte die zuständige Behörde im August 2015 den Einbürgerungsantrag ab. Die Ablehnung stützte sich auf die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG), der besagt, dass ein Ausländer nicht eingebürgert werden darf, wenn er wegen einer Straftat verurteilt wurde oder gegen ihn Maßnahmen der Besserung und Sicherung angeordnet wurden.

Obwohl die verhängten Geldstrafen aufgrund ihrer Geringfügigkeit gemäß § 12a Abs. 1 S. 2 StAG nicht einbürgerungsschädlich waren, stellte die noch nicht getilgte Maßnahme der Besserung und Sicherung (die Entziehung der Fahrerlaubnis) eine Hürde dar. Die Behörde entschied nach eigenem Ermessen, dass diese Maßnahme nicht außer Betracht bleiben könne, da sie weiterhin relevant sei und das öffentliche Interesse überwiege. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage und machte geltend, dass die Ablehnung unverhältnismäßig sei und seine Rechte verletze.

Rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht München befasste sich mit der Frage, ob der Kläger trotz seiner strafrechtlichen Verurteilungen und der Maßnahme der Besserung und Sicherung einen Anspruch auf Einbürgerung habe. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klage unbegründet sei. Der angefochtene Bescheid der Behörde vom 18. August 2015 sei rechtmäßig, und der Kläger werde dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG ist ein Ausländer nach achtjährigem rechtmäßigem Aufenthalt in Deutschland einzubürgern, wenn keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliegt und keine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wurde.

Der Kläger wurde jedoch zweimal wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt. Auch wenn diese Verurteilungen wegen ihres geringen Strafrahmens außer Betracht bleiben, war die angeordnete Maßnahme der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 StGB (die Entziehung der Fahrerlaubnis) relevant. Das Gericht stellte fest, dass die Behörde fehlerfrei und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit entschieden habe, dass diese Maßnahme im Einzelfall nicht außer Betracht bleiben könne und somit der Einbürgerung entgegenstehe.

Abwägung der Interessen

Bei der Entscheidung spielte die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des Klägers an der Einbürgerung eine zentrale Rolle. Das Gericht führte aus, dass der Gesetzgeber jede rechtswidrige und sanktionierte Straftat als Hindernis für die Einbürgerung ansieht, um den Schutz öffentlicher Rechtsgüter zu gewährleisten. Obwohl die Straftaten des Klägers aufgrund ihrer Geringfügigkeit nicht direkt gegen eine Einbürgerung sprechen, war die Entziehung der Fahrerlaubnis als Maßregel der Besserung und Sicherung von entscheidender Bedeutung.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, ob der Sicherungs- und Besserungszweck der Maßregel noch fortwirkt. Die Behörde hat in ihrem Ermessen korrekt entschieden, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis im Einbürgerungsverfahren zu berücksichtigen sei. Auch die Dauer bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, die Folgen der Tat und die Tatsache, dass die Verurteilungen erst vor relativ kurzer Zeit erfolgten, flossen in die Abwägung ein.

Verhältnismäßigkeit der Entscheidung

Das Gericht beurteilte die Entscheidung der Behörde als verhältnismäßig. Der Kläger habe zwar nach Ablauf der Sperrfrist seine Fahrerlaubnis wiedererlangt, jedoch dauerten die Maßnahmen zur Wiedererteilung fast ein Jahr. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Kläger nicht dringend auf eine Einbürgerung angewiesen sei, um sein Leben in Deutschland fortzuführen. Er sei in der Lage, weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet zu leben und seiner Beschäftigung nachzugehen.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger innerhalb kurzer Zeit zweimal verurteilt wurde, wobei eine der Verurteilungen direkt mit seinem Einbürgerungsantrag in Verbindung stehe. Die Tatsache, dass die Verurteilungen noch nicht lange zurückliegen und die Maßnahme der Besserung und Sicherung weiterhin wirksam sei, rechtfertige die Entscheidung der Behörde, die Einbürgerung abzulehnen. Das Gericht stellte fest, dass keine Ermessensreduzierung auf Null vorlag und die Entscheidung somit ermessensfehlerfrei war.

Fazit und Schlussfolgerung

Zusammenfassend entschied das Verwaltungsgericht München, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung hat. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Vorgaben korrekt angewendet und alle relevanten Umstände in ihre Ermessensausübung einbezogen. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Einbürgerung von Personen mit strafrechtlich relevantem Verhalten überwiegt in diesem Fall das persönliche Interesse des Klägers an der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit. Der Fall zeigt, dass selbst geringfügige strafrechtliche Verurteilungen und daraus resultierende Maßnahmen der Besserung und Sicherung erhebliche Auswirkungen auf Einbürgerungsverfahren haben können.

Wie kann ich eingebürgert werden? Arten der Einbürgerung. Ermessenseinbürgerung und Anspruchseinbürgerung

Quelle: Verwaltungsgericht München

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