Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 20.12.2017, Az.: 3 A 779/17
Gemäß § 48 Abs.1 VwVfG kann ein Aufenthaltstitel, der durch unrichtige Angaben erwirkt wurde auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Dabei sichert § 48 Abs. 2 VwVfG dem Begünstigten generell Vertrauensschutz gegen die Rücknahme zu. Dies entfällt allerdings, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hatte im vorliegenden Fall über einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu entscheiden, welche sich gegen die Klageabweisung gegen eine Rücknahme eines Aufenthaltstitels richten sollte. Es trifft dabei Ausführungen auch dazu, ob ein Verfahrensverstoß wegen der unterbliebenen Verlesung eines Zeugenprotokolls trotz Verzichtsvereinbarung vorliegen könne und kommt zu dem Ergebnis, dass mindestens ein förmlicher Beweisantrag bezüglich der Verlesung des Protokolls vorgelegen haben müsste, um von einem Verfahrensverstoß auszugehen.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Der Kläger, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste 2001 nach Deutschland ein und heiratete 2002 eine deutsche Staatsbürgerin. Aufgrund dieser Ehe erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Die Ehe wurde jedoch 2010 geschieden. Im Jahr 2014 nahm die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und lehnte Anträge auf Niederlassungserlaubnis sowie Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Es wurde zudem eine Abschiebung angedroht. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Entscheidung, und sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde 2017 abgelehnt. Der Kläger wurde augenscheinlich in sein Heimatland abgeschoben.
Erste Instanz – Verwaltungsgerichtliches Urteil
Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Klägers gegen den Bescheid von 2014 ab. Es stellte fest, dass die erteilte Aufenthaltserlaubnis von Anfang an rechtswidrig war, da der Kläger und seine damalige Ehefrau nie in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hatten. Diese Feststellung basierte auf umfassenden Beweisaufnahmen, darunter Aussagen der Ehefrau und eine informatorische Befragung des Klägers. Die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis sei rechtlich nicht zu beanstanden, da die Jahresfrist gemäß § 48 VwVfG erst 2013 abgelaufen sei. Ein Vertrauensschutz zugunsten des Klägers greife nicht, da er die Aufenthaltstitel durch falsche Angaben erwirkt habe und daher die Ausschlussgründe des § 48 Abs. 2 VwVfG erfüllt seien.
Zweite Instanz – Berufungsurteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts
Der Kläger beantragte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, was das Sächsische Oberverwaltungsgericht jedoch ablehnte. Ein erfolgreicher Antrag auf Berufungszulassung erfordert ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils oder besondere rechtliche Schwierigkeiten. Das Gericht sah jedoch keine solchen Zweifel. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage gestellt werden könnten. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Verfahrensmangel, der eine Berufung rechtfertigen würde.
Vertrauensschutz und Ermessensausübung
Der Kläger argumentierte, er habe nicht mit der Unredlichkeit der Behörden rechnen müssen und könne sich daher auf Vertrauensschutz berufen. Zudem habe die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Das Gericht wies diese Argumente jedoch zurück und stellte fest, dass der Kläger von Anfang an wusste, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht vorlagen. Die Ehegemeinschaft, auf die sich die Aufenthaltserlaubnis stützte, bestand nie, und der Kläger erwirkte die Aufenthaltstitel durch falsche Angaben.
Verfahrensfehler und Beweiswürdigung
Der Kläger behauptete, das Verwaltungsgericht habe nicht alle erforderlichen Beweise erhoben, um die Scheinehe zu belegen. Insbesondere habe es keine erneute Vernehmung seiner Ehefrau durchgeführt. Das Oberverwaltungsgericht hielt dem entgegen, dass der Kläger und seine damalige Ehefrau einvernehmlich auf die Vernehmung verzichtet hätten, und somit kein Verfahrensfehler vorliege. Der Kläger habe keinen förmlichen Beweisantrag zur Vernehmung gestellt, und es sei nicht erkennbar, dass dem Gericht eine erneute Vernehmung der Ehefrau hätte aufdrängen müssen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei daher auf einer umfassenden Beweisgrundlage getroffen worden.
Entscheidungsgründe des Oberverwaltungsgerichts
Das Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass das Verwaltungsgericht die wesentlichen Tatsachen richtig festgestellt habe. Es gab keine neuen Erkenntnisse, die Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründen könnten. Der Kläger habe weder Verfahrensfehler substantiiert dargelegt noch die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts hinreichend in Frage gestellt. Auch der Grundsatz der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei nicht verletzt worden, da die Beteiligten einvernehmlich auf die erneute Vernehmung der Ehefrau verzichtet hätten.
Zusammenfassung – Falsch Angaben verhindern Vertrauensschutz
Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab. Das Gericht bestätigte, dass die Aufenthaltserlaubnis des Klägers von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, da die Ehe, auf der sie basierte, nie bestand. Auch der Versuch des Klägers, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, scheiterte, da er wissentlich falsche Angaben gemacht hatte. Das Gericht sah keine Verfahrensfehler oder rechtlichen Schwierigkeiten, die eine Zulassung der Berufung gerechtfertigt hätten.
Quelle: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
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