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Hessisches Landesarbeitsgericht, 23.08.2017, Az.: 6 Sa 37/17
Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Gesetz, welches die Kündigungsfreiheit von Arbeitsverträgen zugunsten des Arbeitnehmers beschränkt. Es enthält verschiedenste Schutzmechanismen um die Arbeitnehmer vor willkürlichen Entscheidungen des Arbeitgebers zu schützen. § 15 des KSchG legt fest, wann eine Kündigung schon generell unzulässig ist. Im Absatz 3 legt er fest, dass die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig ist , es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist. Ausgenommen von der Unzulässigkeit einer solchen Kündigung ist danach eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB.
Das Hessische Landesarbeitsgericht legt im nachstehenden Fall fest, dass der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs grundsätzlich geeignet ist, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zurechtfertigen. Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers.
Einleitung des Rechtsstreits
In diesem Rechtsstreit ging es um den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses, die Entfernung von Abmahnungen, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Der Kläger war seit dem 1. Juni 1990 bei der Beklagten beschäftigt und wurde aufgrund mehrerer Vorfälle, insbesondere beleidigender Äußerungen und einer heimlichen Audioaufnahme eines Personalgesprächs, abgemahnt und letztlich außerordentlich gekündigt. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, die jedoch abgewiesen wurde. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht urteilten zugunsten der Beklagten.
Kündigungsgrund und Abmahnungen
Der Kläger wurde zunächst am 25. November 2015 abgemahnt, da er Kollegen in einer E-Mail als „Low-Performer-Burnout und faule Mistkäfer“ bezeichnet hatte. Eine weitere Abmahnung erfolgte aufgrund eines Vorfalls am 20. Februar 2016, bei dem der Kläger zwei Kolleginnen als „faule Schweine“ bezeichnet und einen weiteren Kollegen bedroht haben soll. Diese Abmahnungen wurden vom Arbeitgeber am 17. März 2016 in einem Personalgespräch thematisiert, bei dem der Kläger die Sitzung heimlich aufzeichnete.
Heimliche Aufnahme des Personalgesprächs
Der entscheidende Kündigungsgrund war die heimliche Aufnahme des Personalgesprächs durch den Kläger, was das Arbeitsgericht als schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB wertete. Das Gericht führte aus, dass die Aufnahme eines Gesprächs ohne Wissen der Beteiligten gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoße. Der Kläger habe durch diesen Mitschnitt das Recht der Gesprächspartner auf Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes verletzt, wie es in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist.
Rechtmäßigkeit der Kündigung
Das Arbeitsgericht bestätigte die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB. Es führte aus, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs grundsätzlich einen ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung darstelle, insbesondere wenn keine Rechtfertigungsgründe vorlägen. Der Kläger argumentierte, er habe nicht gewusst, dass die Aufnahme unzulässig sei, und habe dies erst nachträglich erfahren. Dies akzeptierte das Gericht nicht, da der Kläger sich zuvor hätte informieren müssen. Auch der Umstand, dass der Kläger das Gespräch auf seinem Smartphone sichtbar aufgezeichnet habe, änderte nichts an der Heimlichkeit der Aufnahme, da die Gesprächsteilnehmer darüber nicht informiert wurden.
Interessenabwägung und Urteil
Das Gericht stellte fest, dass die langjährige Beschäftigung des Klägers und sein Alter nicht ausreichten, um die Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Schwere der Pflichtverletzung durch die heimliche Aufnahme sei so gravierend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei. Auch die Vorwürfe des Klägers gegen die Beklagte, dass diese ihn unrechtmäßig suspendiert habe, änderten nichts an der Rechtmäßigkeit der Kündigung. Das Gericht betonte, dass der Kläger nicht das Recht habe, durch Selbsthilfe heimlich Personalgespräche aufzuzeichnen, um Ansprüche gegenüber der Beklagten durchzusetzen.
Fazit und Berufungsabweisung
Das Landesarbeitsgericht schloss sich dem Urteil des Arbeitsgerichts an und wies die Berufung des Klägers ab. Es bestätigte, dass die außerordentliche Kündigung wirksam sei und der Kläger weder Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch auf die Entfernung der Abmahnungen oder die Erteilung eines Zwischenzeugnisses habe. Die heimliche Aufnahme des Personalgesprächs stellte einen gravierenden Vertrauensbruch dar, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich machte.
Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht
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