Aktualisiert am:
Arbeitsgericht Siegburg, 11.10.2012, Az.: 1 Ca 1310/12
Der Begriff „Mobbing“ wird in der heutigen Arbeitswelt immer häufiger Inhalt außergerichtlicher und gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
Dabei werde Mobbing durch Streßsituationen am Arbeitsplatz, deren Ursachen u.a. in einer Über- oder Unterforderung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen, in der Arbeitsorganisation oder im Verhalten von Vorgesetzten liegen können, begünstigt.
Besondere Schwierigkeiten bereitet vor allem das Erkennen von Mobbing, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Betroffenen sowie die Abgrenzung von Mobbing gegenüber sozial anerkannten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz.
Insbesondere auch die Dokumentation des Mobbings durch den Arbeitnehmer mittels eines sogenannten Mobbingtagebuchs bedeutet für die betroffenen Arbeitnehmer eine weitere Belastung, ist aber unbedingt notwendig.
Der oben genannte Fall des Arbeitsgerichtes Siegburg ist besonders geeignet, darzustellen, wie ein Arbeitnehmer durch systematisches Diskriminieren mittels kleinerer scheinbar unbedeutender Handlungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
Sachverhalt des Gerichtsverfahrens
Der Kläger, ein im Jahr 1950 geborener Industriekaufmann, war seit 1992 bei einem Informationstechnologieunternehmen angestellt. Trotz einer Schwerbehinderung von 30 % arbeitete er bis 2005 als Bereichsleiter Softwareservice. Nach einer Umstrukturierung übernahm er die Position eines Task Managers, bei der er täglich Leistungsabrechnungen führen musste. Bereits 2006 äußerte der Kläger wiederholt seine Unzufriedenheit über mangelnde Arbeitsauslastung und bat um zusätzliche Aufgaben. Nach erfolglosen Abfindungsverhandlungen im Jahr 2009 begannen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber, die zu verschiedenen Konflikten führten.
Auseinandersetzungen und Mobbingvorwürfe
Nachdem die Abfindungsverhandlungen gescheitert waren, begann der Arbeitgeber laut Kläger, ihn systematisch zu schikanieren. Ab 2010 wurde der Kläger dazu aufgefordert, detaillierte Tagesberichte abzuliefern. Darüber hinaus wurde sein Urlaubsantrag im Jahr 2010 abgelehnt, obwohl er seine Urlaubsplanung frühzeitig mit Kollegen abgesprochen hatte. Im Gegensatz dazu wurde der Urlaubsantrag eines Kollegen genehmigt. Es folgten Anweisungen, EDV-Schrott zu sortieren, was der Kläger als entwürdigend empfand, da diese Aufgabe nicht seinen Qualifikationen entsprach. Zudem wurde ihm ein minderwertiger Arbeitsplatz zugewiesen, und es gab weitere herabwürdigende Vorfälle, wie die Aufforderung, die Toilette nach Benutzung zu reinigen.
Gesundheitliche Folgen und Wiedereingliederungsversuche
Im Verlauf der Auseinandersetzungen entwickelte der Kläger eine mittelgradige Depression und nahm an einer Rehabilitationsmaßnahme teil. Ein nachfolgender Antrag auf Schonurlaub wurde vom Arbeitgeber abgelehnt, weshalb der Kläger gerichtlich eine einstweilige Verfügung erwirkte, um sich weiter zu erholen. Nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz stellte der Kläger fest, dass dieser von einem Auszubildenden besetzt war und ihm ein minderwertiger Arbeitsplatz zugewiesen wurde. Mehrere Wiedereingliederungsversuche scheiterten, unter anderem weil der Kläger Aufgaben zugewiesen bekam, die nicht seinem früheren Tätigkeitsbereich entsprachen und die er als entwürdigend empfand.
Klage auf Schmerzensgeld und Urteil des Gerichts
Der Kläger reichte schließlich Klage beim Arbeitsgericht Siegburg ein und forderte Schmerzensgeld wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Das Gericht gab der Klage statt und sah in den Handlungen des Arbeitgebers eine systematische Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Der Arbeitgeber habe den Kläger vorsätzlich unterbeschäftigt und durch herabwürdigende Aufgaben, wie das Sortieren von EDV-Schrott, gezielt ausgrenzt. Auch der Umgang mit dem Urlaubsantrag und die Zuweisung eines minderwertigen Arbeitsplatzes wurden als feindselige Handlungen gewertet. Das Gericht entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Schmerzensgeld habe.
Begründung des Urteils
Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber gegen seine vertragliche Fürsorgepflicht verstoßen habe. Er habe den Kläger nicht nur in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt, sondern auch durch fortgesetzte Demütigungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Besonders die Anweisung, EDV-Schrott zu sortieren, sei als Teil eines systematischen Mobbings zu sehen, das darauf abzielte, den Kläger zu erniedrigen. Die Verweigerung des Schonurlaubs und der unsensible Umgang mit gesundheitlichen Problemen verstärkten die Situation. In der Gesamtschau erkannte das Gericht in den Handlungen des Arbeitgebers eine vorsätzliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die eine Entschädigung in Form von Schmerzensgeld rechtfertigte.
Quelle: Arbeitsgericht Siegburg
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.
Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de
Rechtsanwälte in Köln beraten und vertreten Sie im Arbeitsrecht.