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Bundesarbeitsgericht, 23.5.2013, 2 AZR 991/11
Gegen die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber kann Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden.
Damit die Kündigung nicht bestandskräftig wird, muss die Kündigungsschutzklage allerdings gem. § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.
Nach Ablauf der Frist wird die Kündigung bestandskräftig und kann nicht mehr angegriffen werden. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich beendet ist.
Wenn einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt werden soll, muss der Arbeitgeber zusätzlich auch noch die Zustimmung des Integrationsamtes einholen.
Auch diese Zustimmung kann durch den Arbeitnehmer angegriffen werden. Zunächst kann der behinderte Arbeitnehmer Widerspruch einlegen. Ändert die Behörde die Entscheidung nicht ab (Abhilfe), entscheidet der jeweilige Widerspruchsausschuss über den Widerspruch.
Wenn auch der Widerspruchsausschuss gegen den Arbeitnehmer entscheidet, kann der Arbeitnehmer gegen die Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht einreichen.
Somit kommt es bei solchen zweistufigen Entscheidungen zu einer Aufspaltung des Rechtsweges. Über einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht in dem oben genannten Urteil zu entscheiden.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Kläger war als Elektriker bei dem Beklagten beschäftigt und zu 60% schwerbehindert
Der Kläger war bei dem Beklagten seit 1992 als Elektriker beschäftigt. Er war als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt und ebenfalls Mitglied des für das Dezernat „Kultur/Umwelt” gewählten Personalrats.
Im April 2008 erschien in der örtlichen Presse ein Artikel, welcher dem Chef der Abteilung, in welcher der Kläger beschäftigt war, eine ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität attestierte, weil für diesen persönlich in der Schreinerei des Betriebes Gartenmöbel gefertigt worden sein sollen.
Kläger hatte Informationen für einen für den Chef negativen Zeitungsartikel geliefert
In dem Artikel wurde der Kläger als Informant persönlich mit Namen benannt. Auf Befragen des Beklagten räumte der Kläger auch ein, sich gegenüber dem recherchierenden Journalisten entsprechend geäußert zu haben.
Im Mai 2008 beantragte der Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung des Klägers. Diese Zustimmung wurde dem Beklagten mit Bescheid des Integrationsamtes vom 06.06.2008 erteilt.
Am selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Zustimmung von Personalrat und Gesamtpersonalrat außerordentlich fristlos.
Nachdem der Kläger fristlos gekündigt wurde, reichte er Kündigungsschutzklage ein
Gegen diese Kündigung erhob der Kläger fristgemäß Kündigungsschutzklage und legte gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts gleichzeitig Widerspruch ein.
Der Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid wurde vom Widerspruchsausschuss zurückgewiesen, hiergegen erhob der Kläger wiederum Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht.
Mit Urteil vom 24.06.2010 hob das Verwaltungsgericht den Zustimmungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheid auf. Hiergegen hatte das Oberverwaltungsgericht die Berufung zugelassen.
Hinsichtlich der Kündigung argumentierte der Kläger vor dem Arbeitsgericht, dass seine Auskünfte gegenüber der Presse der Wahrheit entsprochen hätten, da in der Schreinerei jahrelang mit Kenntnis und Billigung des Leiters Möbel für Privatzwecke gebaut und verkauft worden seien.
Auch habe der Leiter durch Mitarbeiter des Beklagten die Privatwohnungen von Angehörigen renovieren lassen. Im Übrigen habe es nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts an einem wirksamen Zustimmungsbescheid des Integrationsamts gefehlt.
Arbeitsgericht wies die Klage ab, Landesarbeitsgericht gab der Klage statt
Das zunächst angerufene Arbeitsgericht wies die Klage ab, das nachfolgend angerufene Landesarbeitsgericht setzte den Rechtsstreit mit Blick auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zunächst aus.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts führte es das Verfahren fort und gab der Klage statt.
Hiergegen legte der Beklagte Revision zum Bundesarbeitsgericht ein.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 28.01.2013 hatte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes abgeändert und die Anfechtungsklage abgewiesen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts:
Bundesarbeitsgericht entschied im Sinne des Arbeitgebers
Das BAG folgte der Ansicht des Beklagten und stellte fest, dass das mit der Berufung befasste Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam hätte ansehen dürfen.
So habe das Landesarbeitsgericht angenommen, die Kündigung sei unwirksam, weil im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung eine wirksame Zustimmung des Integrationsamts nicht (mehr) vorgelegen habe. Nach Ansicht des LAG stünde dem nicht entgegen, dass die den Zustimmungsbescheid aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig gewesen sei, den die Entscheidung habe die Wirkung des Bescheids jedenfalls zunächst beseitigt. Auch sei dem Kläger nach Ansicht des LAG eine Fortdauer der Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits wegen des im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht zumutbar gewesen. Der Beklagte sei nach Ansicht des LAG für den Fall eines ihm günstigen Ausgangs des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die Möglichkeit der Restitutionsklage hinreichend geschützt.
Der Begründung des Landesarbeitsgerichts folgte das Bundesarbeitsgericht nicht:
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ergebe bereits deshalb eine Rechtsverletzung i. S. v. § 561 ZPO, weil aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts inzwischen rechtskräftig feststünde, dass das Integrationsamt der Kündigung zustimmen durfte. Der Klage könne deshalb jedenfalls mittlerweile nicht (mehr) mit der Begründung stattgegeben werden, ein wirksamer Zustimmungsbescheid habe nicht vorgelegen.
Zwar seien neue Tatsachen in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Abweichendes gelte jedoch, wenn andernfalls ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben wäre. Das Revisionsgericht dürfe insofern nicht sehenden Auges ein Urteil erlassen, das alsbald durch eine Restitutionsklage wieder beseitigt würde.
Nach Ansicht des BAG erweise sich die Entscheidung des LAG aber auch ungeachtet dieses nach Abschluss des Berufungsverfahrens eingetretenen Umstands als rechtsfehlerhaft.
Gemäß § 85 SGB IX bedürfe die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts.
Dies gelte nach § 91 Abs. 1 SGB IX uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung. Eine ohne wirksame Zustimmung ausgesprochene Kündigung sei nach § 134 BGB nichtig.
Die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes habe bereits bei Kündigung vorgelegen
Im Streitfall habe das Integrationsamt die erforderliche Zustimmung vor Abgabe der Kündigungserklärung erteilt. Dem Beklagten sei damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gestattet gewesen.
Diese Wirkung des Zustimmungsbescheids sei entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht – auch nicht vorübergehend – dadurch entfallen, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben habe.
Zu Recht sei das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Arbeitsgerichte bezogen auf die Wirksamkeit der Zustimmung an die Entscheidungen von Verwaltung und Verwaltungsgerichten gebunden seien, da das Gesetz für den Fall der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen eine Aufspaltung des Rechtswegs vorsehe.
Rechtsfehlerhaft habe das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass auch die noch nicht rechtskräftige Aufhebung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamts durch ein Verwaltungsgericht im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bindungswirkung entfalte.
Denn gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX hätten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamts keine aufschiebende Wirkung. Dies würde bedeuten, dass die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung – vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit – so lange Wirksamkeit entfalte, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben sei.
Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheids die Kündigung zunächst zu erklären, sei es folglich ohne Bedeutung, ob die Zustimmung vom Widerspruchsausschuss oder einem Gericht aufgehoben werde, solange die betreffende Entscheidung nicht bestands- bzw. rechtskräftig sei.
Somit habe das Landesarbeitsgericht nach Ansicht des BAG nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben war und daher verwies das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Quelle: Bundesarbeitsgericht
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