Aktualisiert am:
Bundesarbeitsgericht, 17. November 2010 – 4 AZR 391/09 (u. a.)
In der heutigen Wirtschaftswelt gehört es zur Normalität, dass Betriebe oder Betriebsteile verkauft und auf ein anderes Unternehmen übertragen werden.
Liegen bestimmte Voraussetzungen vor, stellen der Verkauf oder der Kauf eines Betriebes dann aus arbeitsrechtlicher Sicht einen so genannten Betriebsübergang dar. Die Rechtsfolgen eines solchen Betriebsübergangs regelt § 613a BGB. Wenn ein Betriebsübergang erfolgt, tritt gemäß § 613a Abs. 1 S.1 BGB der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten derjenigen Arbeitsverhältnisse ein, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden. Dieser Übergang der Arbeitsverhältnisse ist also eine zwingende rechtliche Konsequenz des Betriebsübergangs von der nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Das heißt unter Anderem, dass der Arbeitnehmer dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht zuzustimmen braucht oder Ansprüche aus betrieblichen Altersversorgungsregelungen oder Ansprüche aus betrieblichen Übungen mit übergehen.
Problematischer können die arbeitsvertraglichen Rechtsfolgen bei einem Betriebsübergang allerdings dann zu bestimmen sein, wenn dabei über die Fortgeltung von Tarifverträgen zu entscheiden ist.
Grundsätzlich können die Parteien eines Arbeitsvertrages vereinbaren, dass sich die Arbeitsbedingungen nach einem Tarifvertrag richten sollen. Diese Bestimmung im Arbeitsvertrag stellt dann eine sogenannte „tarifliche Bezugnahmeklausel“ dar.
Bei einer Verweisung kann dann entweder auf einen bestimmten Tarifvertrag verwiesen werden (statische Verweisung) oder auf einen Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung). Die dynamische Verweisung wird dann üblicherweise in den folgenden Formen ausgestaltet:
* Kleine dynamische Bezugnahmeklausel: Es wird auf die jeweils gültige Fassung des konkreten Tarifvertrages verwiesen.
* Große dynamische Bezugnahmeklausel: Es wird jeweils auf den für den Betrieb geltenden Tarifvertrag in dessen jeweils gültiger Fassung verwiesen.
In sechs Parallelentscheidungen hatte das Bundesarbeitsgericht nun erneut grundsätzlich darüber zu entscheiden, ob im Falle des Betriebsübergangs eine solche arbeitsvertragliche kleine dynamische Verweisung über ihren Wortlaut hinaus als große dynamische Verweisung) ausgelegt werden kann, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt. Dies war nämlich entscheidend für die Frage, ob ein Betriebsübergang mit Branchenwechsel zu einem Wechsel des für das übergegangene Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts führte.
Sachverhalt: Die Klägerin war Arbeitnehmerin der Stadt R., welche Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands war. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt daher folgende Regelung:
„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) … in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung. …“
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging dann im Rahmen eines Betriebsübergangs des Bereiches „Reinigung“ auf eine ebenfalls dem Kommunalen Arbeitgeberverband angehörende GmbH über. Die als Reinigungskraft beschäftigte Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht. Nach Übergang entlohnte die Beklagte die Klägerin dann nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk. Dieser Tarifvertrag war für die Klägerin ungünstiger.
Daraufhin klagte die Klägerin und verlangte die Zahlung ihrer Vergütung nach dem BMT-G II (bzw. des zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD)), da die Geltung des alten Tarifvertrages ihrer Ansicht nach durch § 613a BGB gesichert sei. Die Beklagte hingegen war der Ansicht, dass nach dem Betriebsübergang nicht von einer dynamischen Weitergeltung des BMT-G II ausgegangen werden könne. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht hingegen wies die Klage hat auf die Berufung der Beklagten ab.
Bundesarbeitsgericht: Die Revision der Klägerin vor dem BAG wiederum war entgegen der Einwendungen des LAG erfolgreich, da sich der Lohn der Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG grundsätzlich nicht aus ihrer tariflichen Bindung, sondern direkt aus dem Arbeitsvertrag ergäbe. Nach Betriebsübergang galt für die Arbeitnehmer neben dem BMT-G II somit auch der für allgemeinverbindlich erklärte Gebäudereiniger-Tarifvertrag. Nach dem Günstigkeitsprinzip allerdings war die Entscheidung, welcher von beiden Tarifverträgen nun gelten solle, zugunsten des BMT-G II zu treffen.
Quelle: Bundesarbeitsgericht
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.
Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns unverbindlich unter der Rufnummer 0221 – 80187670 an oder schicken uns eine Email an info@mth-partner.de