Arbeitsrecht: Beleidigung des Vorgesetzten als Kollegenschwein berechtigt nicht zur Kündigung.
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Arbeitsrecht
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von: Helmer Tieben

Landesarbeitsgericht Köln, 07.05.2014, Az.: 11 Sa 905/13

Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber, Kollegen oder Vorgesetzten können den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung auch ohne vorangegangene Abmahnung berechtigen.

Wenn es sich um grobe Beleidigungen handelt, können diese sogar eine außerordentliche (fristlose) Kündigung rechtfertigen. Dies gilt ebenso für Bedrohungen gegenüber dem Arbeitgeber, Kollegen oder von Vorgesetzten.

Zu beachten ist aber, dass immer die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Werden die Beleidigungen durch den Arbeitnehmer zum Beispiel im Rahmen einer Auseinandersetzung getätigt, bei der der Arbeitgeber sich selbst eines unwürdigen Verhaltens schuldig gemacht hat, kann es durchaus sein, dass eine Beleidigung durch den Arbeitnehmer nicht zu einer Kündigung berechtigt.

welche Kündigungsgründe gibt es

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In dem hier besprochenen Fall des Landesarbeitsgerichts hatte der Arbeitnehmer einen Vorgesetzten in einem Wiedereingliederungsgespräch als Kollegenschwein bezeichnet und war daraufhin gekündigt worden.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Kläger war schwerbehindert und wollte in ein anderes Team versetzt werden

Der am 07.01.1956 geborene Kläger, ledig, schwerbehindert mit einem Grad von 30%, war seit Oktober 2007 für die Beklagte, welche etwa 1.500 Arbeitnehmer beschäftigt, als technischer Angestellter tätig und wurde am Prüfstand eingesetzt.

Der Kläger litt unter gesundheitlichen Problemen, die er auf die Arbeitsbedingungen am Prüfstand zurückführte. Ab dem 25.10.2012 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt.

Als ihm die Versetzung verwehrt wurde, nannte er seinen Teamleiter ein Kollegenschwein

Auf Einladung der Beklagten fand dann am 04.02.2013 ein Wiedereingliederungsgespräch mit dem Kläger statt. Der Kläger strebte in dem Wiedereingliederungsgespräch erfolglos die Versetzung in anderes Team an. Er gab an, dass er seinen Vorgesetzten, den Teamleiter B, nicht akzeptiere und nannte ihn ein „Kollegenschwein“. Nachdem der Kläger sich mit dem Betriebsratsmitglied R beraten hatte, stimmte er am Ende des Eingliederungsgesprächs dem Wiedereingliederungsplan der Beklagten und damit der Beschäftigung im bisherigen Team zu.

Daraufhin wurde der Kläger fristlos und hilfsweise fristgemäß gekündigt

Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit einem auf den 14.02.2013 datierten Schreiben wegen der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe den Teamleiter B in dem Wiedereingliederungsgespräch wiederholt in ehrverletzender Weise als Kollegenschwein bezeichnet. Daraufhin meldete der Betriebsrat unter dem 13.02.2013 Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung an und legte Widerspruch gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein. Dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.02.2013 fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Arbeitsgericht verurteilte den Betrieb zur Weiterbeschäftigung – Betrieb reicht Berufung ein

Das zunächst angerufene Arbeitsgericht gab der durch den Kläger eingereichten Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 10.10.2013 statt und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Gegen dieses Urteil reichte die Beklagte Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln ein.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln

Das Landesarbeitsgericht folgte erneut der Ansicht des Klägers und wies auch die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Köln ab.

Die Kündigung vom 15.02.2013 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos gemäß § 626 Abs. 1 BGB noch ordentlich (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) zum 30.06.2013 aufgelöst, denn die Kündigungen hätten sich als unverhältnismäßig erwiesen und würden einer Interessenabwägung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht standhalten.

Berufungsgericht sieht ebenfalls keinen ausreichenden Kündigungsgrund

Für eine verhaltensbedingte Kündigung würden solche, im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände genügen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zumindest die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund sei insbesondere eine schuldhafte, vorwerfbare und rechts- oder vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet. Es würden Umstände genügen, die aus Sicht eines ruhig und verständig urteilenden Arbeitgebers die Kündigung als angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers erscheinen lassen (BAG, Urt. v. 17.01.2008- 2 AZR 536/06 – m. w. N.). Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen würden einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme darstellen (§ 241 Abs. 2 BGB) und seien „an sich“ geeignet, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 07.07.2011 – 2 AZR 355/10 – m. w. N.).

Nach dem Prognoseprinzip würde die Beleidigung für eine Kündigung nicht ausreichen

Jedoch kenne das Gesetz keine absoluten Kündigungsgründe, vielmehr sei jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung sei nicht daran zu messen, ob sie als Sanktion für den in Rede stehenden Vertragsverstoß angemessen sei. Im Kündigungsrecht gelte nicht das Sanktionsprinzip, sondern das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung sei gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten sei und künftigen Pflichtverstößen nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden könne (BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – m. w. N.).

Das wiederum sei nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Beruhe die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könne. Einer Abmahnung bedürfe es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten stünde, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handeln würde, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei. Zudem sei bei der verhaltensbedingten Kündigung stets eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, wobei das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüberzustellen sei (BAG, Urt. v. 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 – m. w. N.).

Der Kläger habe seinen Arbeitskollegen B durch die Bezeichnung „Kollegenschwein“ grob beleidigt und damit erheblich gegen seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Das werde auch nicht vom Kläger in Zweifel gezogen. Die erhebliche Ehrverletzung des Teamleiters müsse von der Beklagten auch nicht sanktionslos hingenommen werden.

Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hätte nur eine Abmahnung erfolgen dürfen

Jedoch habe das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung bereits darauf hingewiesen, dass eine Abmahnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine geeignete und angemessene Reaktion der Beklagten gewesen wäre. Da es sich bei der Beleidigung um ein steuerbares Verhalten handele, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass das zukünftige Verhalten des Klägers durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könne. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine Verhaltensänderung – z. B. mangels Einsichtsfähigkeit – nicht zu erwarten sei. Es handele sich auch nicht um eine solch schwere Pflichtverletzung, die den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung entbehrlich gemacht habe.

Quelle: Landesarbeitsgericht Köln

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