Arbeitsrecht: Unwirksamkeit der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in der Probezeit

Arbeitsgericht Düsseldorf, 20.12.2011, Az.: 7 Ca 7251/11

 

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes richtet sich zum Einen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und zum Anderen nach der Größe des Betriebes.

a) Dauer der Betriebszugehörigkeit

Gem. § 1 Abs. 1 KSchG genießen Arbeitnehmer nur dann Schutz nach dem KSchG, wenn sie sie in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate tätig waren:

§ 1 Abs. 1 KSchG:

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

b) Betriebsgröße

Weiter Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG ist die Betriebsgröße, da Kleinbetriebe nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen sollen.

Gem. § 23 Abs. 1 KSchG handelt es sich bei Kleinbetrieben um solche Betriebe, die in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen.

Für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 01. Januar 2004 begonnen haben, gilt allerdings noch die Grenze von in der Regel fünf beschäftigten Arbeitnehmern.

§ 23 Abs. 1 KSchG:

Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden.

In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

Aber auch wenn das KSchG aufgrund der Größe des jeweiligen Betriebes oder der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers nicht anwendbar ist, ist der Arbeitnehmer allerdings nicht der Willkür des Arbeitgebers ausgesetzt.

Die Kündigung kann insofern gegen § 242 BGB verstoßen und damit nichtig sein, wenn der Arbeitgeber während der Probezeit das Kündigungsrecht sitten- oder treuwidrig ausgeübt hat.

Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist dabei die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten zu beachten.

Im Rahmen der Generalklauseln (§§ 242, 138 BGB) ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte, hier vor allem Art. 12 Abs. 1 GG (Grundrecht der Berufsfreiheit), zu beachten.

Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalls. In sachlicher Hinsicht geht es darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, z.B. vor Diskriminierungen iSv. Art. 3 Abs. 3 GG.

Das gilt auch für Kündigungen innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG.

Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt dann beim Arbeitnehmer.

In der oben genannten Entscheidung des Arbeitsgericht Düsseldorf hatte dieses nun darüber zu entscheiden, ob einem schwerbehinderten Verwaltungsfachangestellten innerhalb der Probezeit gekündigt werden durfte, weil der Arbeitgeber der Ansicht war, dass die Durchführung der Ausbildung nur unter unverhältnismäßigem Aufwand ermöglicht werden konnte.

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Sachverhalt und Kündigung des Ausbildungsverhältnisses

Der Kläger begann am 01. August 2010 eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der beklagten Stadt. Zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns war der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Innerhalb der vereinbarten Probezeit von drei Monaten kündigte die Stadt am 27. Oktober 2010 das Ausbildungsverhältnis, mit Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats. Die Stadt argumentierte, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung ohne ständige Begleitung und Anleitung durch einen Sonderpädagogen die Ausbildung nicht erfolgreich abschließen könne. Diese Maßnahme wurde als unverhältnismäßig eingestuft.

Klage und Argumentation des Klägers

Der Kläger reichte Klage ein und behauptete, die Kündigung sei rechtlich unzulässig, da er die Ausbildung mit der Unterstützung einer Arbeitsassistenz oder Jobcoaching erfolgreich hätte beenden können. Er wies darauf hin, dass die Stadt die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen habe, um ihm eine erfolgreiche Ausbildung zu ermöglichen. Die Behauptung der Stadt, eine dauerhafte Sonderpädagogenbetreuung sei aus Kostengründen nicht realisierbar, wies der Kläger zurück und verwies auf die Möglichkeit, kostenneutrale Unterstützungsangebote der Bundesagentur für Arbeit zu nutzen.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf

Das Arbeitsgericht Düsseldorf entschied zugunsten des Klägers und gab der Kündigungsschutzklage statt. Das Gericht stellte fest, dass die Kündigung gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) verstößt und somit unwirksam ist. Der Kläger sei aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden, was den Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zur Anwendung bringe. Die beklagte Stadt konnte nicht nachweisen, dass sie alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hatte, um dem Kläger die erfolgreiche Durchführung der Ausbildung zu ermöglichen.

Berufung der beklagten Stadt

Die beklagte Stadt legte gegen das Urteil Berufung ein. Das Gericht wies darauf hin, dass alternative Unterstützungsformen wie Jobcoaching und Arbeitstraining existieren, die in der Regel durch die Bundesagentur für Arbeit finanziert werden können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen.

Quelle: Arbeitsgericht Düsseldorf

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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