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Ausländerrecht: Abschiebung einer ausländischen Familie nach jahrelangem ALG II Bezug

Verwaltungsgericht Mainz, 22.06.2016, Az.: 4 L 552/16.MZ

Neben den besonderen Erteilungsvoraussetzungen, die ein Antragsteller für die Erteilung eines Aufenthaltstitels benötigt, muss jeder Antragsteller auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllen, welche in § 5 AufenthG normiert sind. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind:

      • Der Antragsteller besitzt einen gültigen Pass oder Passersatz.
      • Der Antragsteller ist mit dem richtigen Visum eingereist.
      • Der Lebensunterhalt des Antragstellers ist gesichert.
      • Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Antragstellers ist geklärt.
      • Es liegt kein Ausweisungsgrund gegen den Antragsteller vor.
      • Der Aufenthalt des Antragstellers beeinträchtigt oder gefährdet nicht die Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
      • Es liegt kein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen den Antragsteller vor.

Die Wichtigste und in den meisten Fällen auch konfliktträchtigste Voraussetzung ist die Sicherung des Lebensunterhaltes durch den Antragsteller. Der Lebensunterhalt des Antragstellers ist gesichert, wenn dieser für seine Lebenshaltungskosten, den ausreichenden Krankenversicherungsschutz eingeschlossen, selbst aufkommen kann, ohne öffentliche Mittel in Anspruch nehmen zu müssen.

In dem hier besprochenen Fall des Verwaltungsgerichtes Mainz, hatte dieses im Eilverfahren darüber zu entscheiden, ob die Abschiebung einer ausländischen Familie, welche sich seit Jahren ohne zu Arbeiten in Deutschland aufhielt, rechtmäßig war.

Hintergrund des Falls – Familie hatte jahrelang nicht gearbeitet

In diesem Fall handelt es sich um eine dreiköpfige Familie, bestehend aus einem Vater mit bosnisch-herzegowinischer Staatsangehörigkeit, einer Mutter mit georgischer Staatsangehörigkeit und ihrem in Deutschland geborenen vierjährigen Sohn, der ebenfalls die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Familie lebte seit mehreren Jahren in Deutschland, wobei der Vater seit fast zehn Jahren und die Mutter seit fast sechs Jahren in Deutschland waren. Trotz dieser langen Aufenthaltsdauer hatten beide Elternteile bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und lebten von staatlichen Leistungen.

Die Ausländerbehörde lehnte die Anträge der Familie auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte ihnen die Abschiebung in ihre jeweiligen Herkunftsländer oder in jeden anderen aufnahmebereiten Staat an. Daraufhin wandte sich die Familie mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Mainz. Zur Unterstützung ihres Antrags legte der Vater ein Arbeitsangebot für eine Vollzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Verdienst von 2000 € brutto vor, während die Mutter ein Arbeitsangebot auf 450-€-Basis vorlegte.

Entscheidung der Ausländerbehörde – Familie soll abgeschoben werden

Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde basierte hauptsächlich darauf, dass die Familie weiterhin von öffentlichen Mitteln abhängig sei. Die Behörde argumentierte, dass die Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht erfüllt sei. Die Familie legte daraufhin einen Eilantrag vor, in dem sie geltend machte, künftig ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können. Sie verwiesen zudem auf die Tatsache, dass die Familienmitglieder unterschiedliche Staatsbürgerschaften besaßen, was ihrer Meinung nach ein Verbleiben in Deutschland rechtfertigen würde.

Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz

Das Verwaltungsgericht Mainz wies den Eilantrag der Familie ab. Es stellte fest, dass die Familie keinen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis habe, da die Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts nicht erfüllt sei. Das Gericht stellte klar, dass die Sicherung des Lebensunterhalts auf Dauer gewährleistet sein müsse, was in diesem Fall nicht gegeben sei. Die bisherigen Einkommensquellen der Familie stammten vollständig aus staatlichen Leistungen, und die vorgelegten Arbeitsangebote reichten nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts zu prognostizieren.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Arbeitsangebote – Arbeitsbemühungen erst nach Abschiebungsentscheidung

Das Gericht führte weiter aus, dass die Bemühungen der Eltern, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erst nach der Einleitung des Abschiebeverfahrens unternommen worden seien und daher als verfahrensmotiviert anzusehen seien. Der Vater der Familie hatte fast zehn Jahre in Deutschland verbracht, ohne jemals einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, obwohl keine gesundheitlichen oder altersbedingten Einschränkungen vorlagen. Auch die Mutter hatte seit ihrer Ankunft im Jahr 2010 keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Diese Umstände sprachen nach Ansicht des Gerichts gegen die Ernsthaftigkeit der vorgelegten Arbeitsangebote.

Prüfung der Regelerteilungsvoraussetzung

Die Sicherung des Lebensunterhalts ist eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach deutschem Recht. Von dieser Voraussetzung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, wenn atypische Umstände vorliegen oder höherrangige Rechtsgüter wie das Familienleben nach Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK gefährdet wären. Das Gericht stellte jedoch fest, dass in diesem Fall keine solchen atypischen Umstände vorlägen. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK gewähren einen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland, wenn die Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft auch in den Herkunftsländern der Eltern möglich ist.

Das Gericht führte aus, dass sowohl Bosnien-Herzegowina als auch Georgien grundsätzlich bereit seien, den jeweils anderen Elternteil und das gemeinsame Kind aufzunehmen. Es lägen keine Hindernisse vor, die einer gemeinsamen Ausreise der Familie in eines dieser Länder entgegenstünden. Daher sah das Gericht keinen Anlass, von der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung abzusehen.

Bewertung der familiären Lebensgemeinschaft

Das Gericht prüfte auch, ob die Rechte auf Familienleben nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine Ausnahme von der Lebensunterhaltssicherung rechtfertigen könnten. Es kam jedoch zu dem Schluss, dass die familiäre Lebensgemeinschaft auch in den Herkunftsländern der Eltern aufrechterhalten werden könne. Insbesondere betonte das Gericht, dass weder der Vater noch die Mutter in Deutschland aufgewachsen seien und daher keine tiefen Wurzeln in der Bundesrepublik entwickelt hätten. Auch das vierjährige Kind habe noch keine tiefgehende Verwurzelung in Deutschland, die eine Rückkehr in die Herkunftsländer der Eltern unzumutbar machen würde.

Das Gericht stellte klar, dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zwar das Familienleben schützen, jedoch keinen Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland gewähren, wenn die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist. Da sowohl Bosnien-Herzegowina als auch Georgien die Aufnahme der Familie ermöglichen würden, sah das Gericht keinen Grund, die Abschiebung zu verhindern.

Fazit des Gerichts – Familie muss weg

Das Verwaltungsgericht Mainz wies den Eilantrag der Familie ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohungen. Es stellte fest, dass weder die Sicherung des Lebensunterhalts auf Dauer gegeben sei noch besondere Umstände vorlägen, die eine Ausnahme von dieser Voraussetzung rechtfertigten. Die Prüfung der familiären Lebensgemeinschaft ergab, dass diese auch in den Herkunftsländern der Eltern aufrechterhalten werden könne, sodass eine Verletzung von Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht vorliege. Auch die Abschiebungsandrohungen wurden als rechtmäßig anerkannt, da sie den gesetzlichen Anforderungen entsprachen und die Möglichkeit einer Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft im Ausland bestand.

Dieser Fall verdeutlicht die strengen Anforderungen des deutschen Aufenthaltsrechts, insbesondere in Bezug auf die Sicherung des Lebensunterhalts, und die begrenzten Möglichkeiten, in Ausnahmefällen von diesen Anforderungen abzuweichen.

Quelle: Verwaltungsgericht Mainz

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