Ausländerrecht: Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises – Staatsangehörigkeitserwerb durch Adoption

Bundesverwaltungsgericht, 25.10.2017, Az.: BVerwG 1 C 30.16

Nach § 6 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erwirbt das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern es nach den deutschen Gesetzen wirksam als Kind durch einen Deutschen angenommen wurde.

Die Regelungen zur Annahme als Kind befinden sich in Art. 22 EGBGB i.V.m. §§ 1741 ff. BGB. Hierbei wird zwischen verschiedenen Arten unterschieden. So gibt es die halboffene, offene und inkognito Adoption, sowie die internationale oder Auslandadoption. Die internationale Adoption (Auslandadoption) nimmt immer mehr zu. Diese liegt vor, wenn für das Kind mit der Adoption ein Aufenthaltswechsel von einem Staat (Heimatstaat) in einen anderen (Aufenthaltsstaat) verbunden ist. Regelungen hierzu finden sich im Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG), im Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz (AdÜbAG) und im Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG).

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Nach der Adoption reiste die Klägerin mit einem Visum nach Deutschland.

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin durch die Annahme als Kind (Adoption) gemäß § 6 Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Die Klägerin, die 1993 in Kinshasa, Demokratische Republik Kongo (damals Zaire), geboren wurde, ist kongolesische Staatsangehörige. Nachdem ihre leiblichen Eltern verstorben waren, wurde sie im Jahr 2006, vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres, von ihrem Onkel adoptiert. Bereits im Mai 2004, vor dem Tod der Mutter im November 2004, war dem Onkel die Vormundschaft zugesprochen worden. Nach der Adoption reiste die Klägerin mit einem Visum nach Deutschland ein und lebt seitdem hier. Der Onkel, der ebenfalls aus der Demokratischen Republik Kongo stammt, hatte bereits vor der Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das Friedensgericht in Kinshasa hatte der Adoption „mit der Möglichkeit der Reise außer Landes“ am 4. Mai 2006 zugestimmt.

Ablehnung des Staatsangehörigkeitsausweises durch das BVA wegen sogenannter „schwacher Adoption“

Da die Demokratische Republik Kongo nur die sogenannte „schwache Adoption“ kennt, bei der das Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern nicht erlischt und das Verwandtschaftsverhältnis zur bisherigen Familie fortbesteht, hat das Bundesverwaltungsamt (BVA) den Antrag des Onkels auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zugunsten der Klägerin sowie den Widerspruch abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Köln (Az. 10 K 3084/13) hat den Erwerb der Staatsangehörigkeit bejaht, während das Oberverwaltungsgericht Münster (Az. 19 A 1132/14) dies verneinte. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist insbesondere die Frage, welche Wirkung der Auslandsadoption in Deutschland zukommt (hier: der Verwandtenadoption) und ob auch die „schwache Adoption“ zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führt.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Deutsche Staatsangehörigkeit nur dann, wenn das bisherige Eltern-Kind-Verhältnis durch Adoption erlischt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 26.07.2016 (Az. 19 A 1132/14) zurückgewiesen. Das Revisionsgericht führt aus, dass die Adoption eines minderjährigen Kindes im Ausland durch einen Deutschen in der Regel nur dann zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führt, wenn die Auslandsadoption auch zum Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses zu den leiblichen Eltern führt.

Nach § 6 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind die Staatsangehörigkeit durch die nach den deutschen Gesetzen wirksame Annahme als Kind durch einen Deutschen, wenn es zum Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt § 6 StAG für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch eine Auslandsadoption, dass diese auch in Deutschland wirksam und einer Adoption nach deutschem Recht, demnach nach den §§ 1741 bis 1766 BGB, wesensgleich ist (Gleichwertigkeit). Für die Gleichwertigkeit ist eine rechtliche Gleichstellung des angenommenen Kindes mit einem leiblichen Kind des Annehmenden erforderlich. Weiterhin muss die Aufhebung des Annahmeverhältnisses nur unter ähnlich eingeschränkten Voraussetzungen möglich sein, wie sie das deutsche Recht in den §§ 1759, 1761, 1763 BGB normiert.

Auslandsadoption nicht wesensgleich mit deutscher Volladoption

Die familienrechtliche Wirksamkeit der Auslandsadoption stand im vorliegenden Fall fest. Aus der familiengerichtlichen Entscheidung des AG T. vom 31.10.2008 ergab sich jedoch auch, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren leiblichen Eltern nicht erloschen war. Genau dies kennzeichnet jedoch eine Adoption nach deutschem Recht, denn die rechtliche Gleichstellung des angenommenen Kindes mit einem leiblichen Kind des Annehmenden und die damit erreichte vollständige rechtliche Eingliederung in die neue Familie ist von zentraler Bedeutung. Damit fehlt eine wesentliche Voraussetzung, um die Wesensgleichheit zu einer deutschen Volladoption anzunehmen. Die Kappung der Bande zu den leiblichen Eltern ist von zentraler Bedeutung für die Integration des Kindes, und daran ändert sich auch nichts, wenn beide leiblichen Elternteile verstorben sind. Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall ein oder beide leibliche Elternteile verstorben oder verschollen sind. Im Staatsangehörigkeitsrecht ist das Gebot der Rechtssicherheit von so erheblicher Bedeutung, dass klare abstrakte Kriterien für die rechtliche Gleichwertigkeit der Adoptionswirkungen und damit den Staatsangehörigkeitserwerb geboten sind. Die Adoption der Klägerin war lediglich eine schwache Adoption, die die genannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG nicht erfüllt. Daher war die Revision zurückzuweisen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht

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