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Bundesverwaltungsgericht, 16.11.2010, Az.: 1 C 17.09
Viele Drittstaatsangehörige nehmen die Möglichkeit wahr, im Rahmen eines Besuchsaufenthaltes mit einem Schengenvisum in Deutschland nach Dänemark zu reisen und dort einen deutschen Staatsangehörigen zu heiraten.
Gründe dafür sind das im Gegensatz zu Deutschland unproblematische Heiratsverfahren in Dänemark (etwa wenn in Deutschland im Gegensatz zu Dänemark eine Legalisation gefordert oder nicht anerkannt wird) oder die Möglichkeit in Dänemark schnell oder auch am Samstag einen Termin zu bekommen. Es werden auch All-Inclusive Reisen nach Dänemark mit Heiratszeremonie angeboten.
Einmal zurück in Deutschland versucht der Drittstaatsangehörige dann, bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis wegen der Ehe (Ehegattennachzug) zu bekommen.
Die Problematik dabei ist jedoch, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug grundsätzlich voraussetzt, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum (also nationales Visum bzw. Heiratsvisum und nicht Schengenvisum) nach Deutschland eingereist ist. Dies ist in § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG geregelt.
Eine Befreiung von dieser Pflicht entsteht nur, wenn erst nach der letzten Einreise nach Deutschland die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entstanden sind (was bei einer Heirat in Dänemark nicht der Fall sein kann, da der Anspruch bei der Heirat in Dänemark, also vor der letzten Einreise nach Deutschland entstanden ist).
Dennoch besteht immer noch die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, ohne dass der Drittstaatsangehörige vorher ausreisen muss, denn bei der Entscheidung der Ausländerbehörde handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
Eine Ermessensentscheidung ist immer nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde ihr Ermessen vor Erlass der Entscheidung tatsächlich betätigt hat. Das heisst, dass die Ausländerbehörde zumindest prüfen muss, ob dem Drittstaatsangehörigen die Durchführung des Visumsverfahrens zumutbar bzw. unzumutbar ist.
Tut sie dies nicht bzw. beachtet sie derartige Unzumutbarkeitsgründe nicht, ist die Entscheidung der Behörde gerichtlich angreifbar.
Das oben genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist das wegweisende Urteil hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug für Drittstaatsangehörige, welche mit einem Schengenvisum nach Deutschland eingereist sind.
Sachverhalt des Gerichtsverfahrens
Klägerin reiste zunächst mit Schengenvisum nach Deutschland ein
Die Klägerin war eine Staatsangehörige aus Weißrussland und Anfang 2007 mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist.
In dem Antrag für ihr Besuchsvisum hatte die Klägerin angegeben, dass sie Deutschland nur zu Besuchszwecken bereisen möchte. Dennoch heiratete die Klägerin im September 2007 in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte dann aus Dänemark nach Deutschland zurück und beantragte in Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.
Klägerin heiratet in Dänemark und stellt danach in Deutschland Antrag auf Aufenthaltserlaubnis
Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an, da sie ohne das für einen dauerhaften Aufenthalt erforderliche nationale Visum (Heiratsvisum) eingereist sei.
Zwar könne der Inhaber eines gültigen Schengen-Visums den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet beantragen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden seien (§ 39 Nr. 3 Aufenthaltsverordnung – AufenthVO).
Dies sei aber bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, denn die Ehe sei nicht nach, sondern vor der letzten Einreise aus Dänemark geschlossen worden.
Auch sei die von der Durchführung des Visumverfahrens (Heiratsvisum) vorliegend auch nicht im Ermessenswege abzusehen gewesen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG).
Verwaltungsgericht verurteilt Ausländerbehörde zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht folgte der Ansicht der Klägerin und gab der Klage statt.
Berufungsgericht bestätigt hingegen den Ablehnungsbescheid
Das mit der Berufung befasste Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandburg hingegen bestätigte die Ansicht der Ausländerbehörde und urteilte, dass der Ablehnungsbescheid der Behörde rechtmäßig war. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesverwaltungsgericht.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Auch das Revisionsgericht bestätigt die Ansicht der Ausländerbehörde
Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte im Ergebnis das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und führte zur Begründung aus:
Die Klägerin könne die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sonderregelung in der Aufenthaltsverordnung vom Inland aus beantragen. Dies ergebe sich – unabhängig vom Streit um den Begriff der Einreise – schon daraus, dass sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthVO nicht erfüllen würde.
Klägerin habe bei Beantragung angegeben, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen
Denn sie habe nach den Feststellungen im Berufungsurteil bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vornherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte.
Da sie über die Rechtsfolgen falscher Angaben belehrt worden sei, habe sie einen Ausweisungsgrund verwirklicht (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Damit stünde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Ermessen der Behörde, so dass die Sonderregelung der Aufenthaltsverordnung nicht eingreifen würde.
Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn diese solle nur diejenigen Ausländer begünstigen, welche im Schengen-Visumverfahren zutreffende Angaben gemacht hätten und bei denen sich erst aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände der Aufenthaltszweck geändert habe.
Bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis würde die Umgehung des nationalen Visumverfahrens folgenlos bleiben
Andernfalls würde die bewusste Umgehung des nationalen Visumverfahrens folgenlos bleiben und dieses Verfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung entwertet werden. Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für ein Absehen von dem Visumerfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehle es auch an besonderen Umständen, die der Klägerin das vorübergehende Verlassen des Bundesgebiets und die Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus unzumutbar machen würden.
Vorrangiges Unionsrecht stünde einer Verweisung auf das Visumverfahren ebenfalls nicht entgegen. Der deutsche Ehemann der Klägerin habe mit seiner Kurzreise zum Zweck der Heirat in Dänemark nicht nachhaltig von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht.
Deshalb könnten die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätze keine Anwendung finden, nach denen der Nachzug des Ehegatten bei Rückkehr des Unionsbürgers aus einem anderen EU-Mitgliedstaat in seinen Heimatstaat nicht von einem nationalen Visum abhängig gemacht werden dürfe.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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