Ausländerrecht: Gilt für eine Flüchtlingsfamilie ein Abschiebungsverbot nach Griechenland?

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 22.11.2019, Az. 17a K 2746/18.A

Viele Menschen, die nach Europa fliehen, bekommen an den Außengrenzen der EU erstmalig den internationalen Schutzstatus zugesprochen. Sie bleiben jedoch möglicherweise nicht in den äußeren EU-Mitgliedsstaaten wie Griechenland, sondern ziehen weiter nach Zentraleuropa. Ob einem Flüchtling dann Asyl oder eine Aufenthaltsgenehmigung gewährt wird, bestimmen in Deutschland u.a. das Asylgesetz (AsylG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Hier ist ebenfalls geregelt wie mit Personen verfahren wird, die nach behördlicher Prüfung keinen Aufenthaltstitel erlangen. Diese werden dann aufgefordert, Deutschland innerhalb einer gesetzten Frist wieder zu verlassen. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, droht ihnen die Abschiebung in ihr Heimatland oder das Land, in denen ihnen der internationale Schutzstatus zugesprochen wurde. In bestimmten Fällen kann eine Abschiebung allerdings ausgeschlossen sein. § 60 AufenthG zählt Konstellationen auf, in denen ein Abschiebungsverbot gilt. So dürfen durch die Abschiebung beispielsweise keine Menschenrechte verletzt werden, die u.a. in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) niedergeschrieben sind. Sind die Lebensverhältnisse in dem Land, in das abgeschoben werden soll, für die Abgeschobenen zu schlecht, kann ein Abschiebungsverbot greifen.

Im nachstehenden Urteil hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen) klargestellt, dass eine Abschiebung einer Familie nach Griechenland, bei den derzeit dort herrschenden Lebensbedingungen für Flüchtlinge, nicht menschenrechtskonform wäre.

Einleitung: Streit um Abschiebungsverbot nach Griechenland

Im vorliegenden Fall streiten eine syrische Familie und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darüber, ob ein Abschiebungsverbot nach Griechenland festgestellt werden muss. Die Kläger, eine sechsköpfige Familie, erhielten in Griechenland bereits internationalen Schutz, beantragten jedoch in Deutschland Asyl, was vom BAMF abgelehnt wurde.

Hintergrund: Flucht und Asylantrag in Deutschland

Die syrische Familie floh 2016 aus ihrem Heimatland und erhielt 2017 in Griechenland internationalen Schutz. Mit dieser Aufenthaltserlaubnis reisten sie nach Deutschland ein und beantragten dort Asyl, das das BAMF im Mai 2018 ablehnte. Das BAMF begründete die Ablehnung mit der bereits gewährten Schutzstellung in Griechenland und sah kein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG gegeben.

Klage gegen BAMF-Bescheid

Die Familie klagte gegen den Bescheid des BAMF und führte an, dass eine Abschiebung nach Griechenland aufgrund der dortigen Lebensbedingungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen würde. Besonders die prekäre Situation in Griechenland, die unzureichende medizinische Versorgung und die drohende Obdachlosigkeit wurden als Begründung angeführt.

Entscheidung des Gerichts: Abschiebungsverbot festgestellt

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab der Klage statt und stellte fest, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 V AufenthG vorliegt. Es begründete dies mit der extremen materiellen Notlage, der die Familie in Griechenland ausgesetzt wäre, insbesondere aufgrund der unzureichenden Unterbringungsmöglichkeiten und der fehlenden staatlichen Unterstützung.

Besondere Berücksichtigung vulnerabler Gruppen

Das Gericht hob hervor, dass für vulnerable Gruppen wie Minderjährige besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Da diese Bedingungen in Griechenland nicht gewährleistet sind, würde eine Abschiebung die Kinder der Familie einer existentiellen Gefahr aussetzen.

Fazit: Gerichtliche Bestätigung des Abschiebungsverbots

Das Gericht entschied, dass eine Abschiebung der Familie nach Griechenland eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, und hob den Bescheid des BAMF auf. Damit wurde der Familie ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 V AufenthG zugesprochen.

Quelle: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

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