Ausländerrecht: Keine Einbürgerung nach § 8 StAG ohne entsprechende Straffreiheit
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht München, 06.07.2016, Az.: M 25 K 15.4690

Nach § 8 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Von diesen Voraussetzungen kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Bezogen auf die Einbürgerung hat die Behörde Ermessen. Eine gebundene Entscheidung besteht nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null vor. Diese ist anzunehmen, wenn das gesetzlich eingeräumte Ermessen insoweit eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung fehlerfrei möglich wäre. Die Ermessensentscheidung ist durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Das Gericht kann lediglich die Entscheidung der Behörde hinsichtlich von Ermessensfehlern überprüfen.

Im nachstehenden Urteil geht es um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG hat, insbesondere im Hinblick auf das öffentliche Interesse, sowie der besonderen Härte.

Sachverhalt des Falles:

Heimatloser Kläger macht sich wegen Diebstahls strafbar und begehrt die Einbürgerung

Der 1948 geborene Kläger ist heimatloser Ausländer und begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatenverbund. Die Eltern des Klägers wurden 1940/1941 aus Polen zur Zwangsarbeit ins Reichsgebiet zwangsverschleppt.

1993 änderte der Kläger im Rahmen der Volljährigkeitsadoption seinen Geburts- und Familiennamen. Der Kläger stellte den ersten Einbürgerungsantrag im Jahr 1998, welcher am 18.11.2005 aufgrund einer Verurteilung von einer Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung abgelehnt wurde. Aus eben diesem Grund wurde auch am 30.06.2006 die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG abgelehnt. Die Klage gegen diesen Bescheid wurde mit rechtskräftigem Urteil am 26.02.2007 (Az. M 25 K 06.2927) vom Bayrischen Verwaltungsgericht München abgewiesen.

Im Juli 2008 wurde der Kläger erneut verurteilt und zwar aufgrund eines Strafbefehls wegen Diebstahls zu 10 Tagessätzen zu je 30,00 EUR.

Einbürgerungsbehörde lehnt die Einbürgerung wegen der Straftaten ab

Aufgrund dieser und der früheren Verurteilung wurde mit Bescheid vom 06.10.2015 der Einbürgerungsantrag des Klägers vom 05.05.2015 unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 12a Abs. 1 S. 3 StAG von der Beklagten erneut abgelehnt. Die Verurteilungen würden die die Geringfügigkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 S. 3 StAG erheblich überschreiten und stünden der Einbürgerung zwingend entgegen. Von dem Straffreiheitserfordernis könne auch nicht ausnahmsweise aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Ein öffentliches Interesse i.S.d. § 8 Abs. 2 StAG ergebe sich nicht aufgrund des Status des Klägers als heimatloser Ausländer bzw. als Staatenloser. Von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG könne auch nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Atypische Umstände des Einzelfalles, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen würden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden, lägen nicht vor. Etwa bestehende Einschränkungen in den Reisemöglichkeiten oder der Status des Klägers würden keine besondere Härte begründen.

Auch wenn man zugunsten des Klägers vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses und/oder einer besonderen Härte i.S.d. § 8 Abs. 2 StAG ausgehe, werde das Ermessen zu Ungunsten des Klägers ausgeübt. Bei Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen würden die öffentlichen Belange bei weitem überwiegen. Das besondere persönliche Schicksal des Klägers und sein Status als heimatloser Ausländer würden zwar gesehen. Jedoch müsste zu Lasten des Klägers die erhebliche strafrechtliche Verurteilung berücksichtigt werden. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Rechtsordnung stehe der Einbürgerung somit bis zum Ablauf der Tilgungsfrist, an die der Beklagte gebunden sei, entgegen. Eine Einbürgerung des Klägers nach § 9 StAG komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht infrage.

Daraufhin erhebt der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Klage und beantragte, ihn Einzubürgern und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten, über die Einbürgerung nach Maßgabe des Gerichts neu zu entscheiden.

Hierfür führte der Kläger an, dass der Großvater väterlicherseits von deutschen Soldaten ermordet worden sei und seine Großmutter vermisst sei. Die Großeltern mütterlicherseits seien 1944 in Polen ermordet worden. Die Eltern seien 1940/1941 zwangsverschleppt und zur Zwangsarbeit gezwungen worden. Er selbst habe eine schwere Kindheit gehabt und sei häufig krank gewesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 8 Abs.1, Abs. 2 StAG im Hinblick das Wohlwollensgebot des Art. 34 GFK.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides.

Urteil des Verwaltungsgerichts München:

Verwaltungsgericht sieht keinen Anspruch des Klägers auf Einbürgerung

Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2015 sei rechtmäßig und der Kläger würde durch diesen nicht in seinen Rechten verletzt werden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatenverband nach §§ 8, 9 StAG. Auch der hilfsweise gestellte Antrag sei unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO.  Ein Anspruch aus § 9 StAG scheide aus, da der Kläger weder Ehegatte noch Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen sei.

Auch ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG im Ermessensweg bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG scheide aus, da dieser eine Ermessenreduzierung auf Null erfordere.

Die Verurteilungen des Klägers stehen der Einbürgerung entgegen

Die Einbürgerung scheitere an den strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers, § 8 Abs. 1 Nr. 1 StAG. Hiernach könne nämlich nur ein Ausländer eingebürgert werden, der weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt wurde noch gegen den aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregelung zur Besserung und Sicherung angeordnet worden sei. Hinsichtlich der Beurteilung der strafrechtlichen Verurteilungen sei § 12a Abs. 1 StAG zu beachten, denn hiernach seien mehrere Verurteilungen zusammen zu zählen. Mit der Gesamtverurteilung von 1 Jahr, 10 Monaten und 10 Tagen würde der Kläger den Rahmen des § 12 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StAG demnach erheblich überschreiten, sodass die Voraussetzungen der Ermessensentscheidung nicht vorliegen würden. Diese beachtlichen Verurteilungen stünden der Einbürgerung des Klägers solange entgegen, als eine Tilgung im Bundeszentralregister noch nicht erfolgt sei. Laut Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 02.04.2014 laufe die Tilgungsfrist bis zum 29.07.2018.

Die Einbürgerungsbehörde sei grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden.

Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG, nach denen aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte im Ermessenswege von der Voraussetzung der Straffreiheit des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden könne, lägen nicht vor. Hiernach sei ein öffentliches Interesse nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisch-staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen könne, den Ausländer trotz Nichterfüllung der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG einzubürgern (VGH BW – 1 S 244/13).

Ein derartiges spezifisch-staatliches Interesse sei bei dem Kläger jedoch nicht alleine wegen seiner Staatenlosigkeit anzunehmen, denn diesem besonderen Status habe der Gesetzgeber mit dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet (HAuslG) ausreichend Rechnung getragen.

Ebenso begründe das Wohlwollensgebot des Art. 34 GFK bzw. Art. 32 des Übereinkommens vom 28.09.1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen kein öffentliches Interesse nach § 8 Abs. 2 StAG. Vielmehr sei dies lediglich bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG zu berücksichtigen.

Es liege auch keine besondere Härte in Bezug auf den Kläger vor

Letztlich sei auch die besondere Härte als Voraussetzung zu verneinen. Eine besondere Härte müsse nämlich durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG – 5 PKH 13/12). Dies sei beim Kläger jedoch nicht der Fall, denn die fehlende Straffreiheit sei keine Folge der verweigerten Einbürgerung.

Daher lägen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG nicht vor, die Ermessensentscheidung sei nicht eröffnet.

Ergänzend hat das VG München darauf hingewiesen, dass auch bei Annahme des Ermessens die Beklagte dieses richtigerweise ausgeübt habe. Die Beklagte habe die besondere Situation des Klägers als heimatloser Ausländer sowie den Aufenthalt seit Geburt im Bundesgebiet angemessen berücksichtigt, jedoch das öffentliche Interesse an der Straffreiheit richtigweise höher gewichtet. Daher sei die Klage abzuweisen.

Quelle: Verwaltungsgericht München

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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