Verwaltungsgericht München, 01.07.2017, Az.: M 25 K 15.5908
Nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Darüber hinaus ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt hat.
Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ein längerfristiges Ausreisehindernis ist unter anderem bei längeren Gefängnisaufenthalten oder bei Unterbringungen in psychiatrischen Einrichtungen anzunehmen.
Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis trotz mehrfacher Verurteilung und einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Einleitung: Klage auf Aufenthaltserlaubnis und Aufhebung des Einreiseverbots
Der Kläger, ein burundischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie die Verpflichtung der Beklagten, das gegen ihn verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot aus einer Ausweisungsverfügung vom 15. Juli 2005 aufzuheben oder zumindest auf Null zu begrenzen. Der Kläger reiste im Rahmen des Familiennachzugs im Dezember 1997 im Alter von 13 Jahren nach Deutschland ein. Er wurde als Asylberechtigter und Flüchtling anerkannt und erhielt am 11. Oktober 1999 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Am 21. Mai 2004 wurde der Kläger Vater eines Sohnes, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Jedoch wurde er kurz darauf, am 17. August 2004, wegen Vergewaltigung in zwei Fällen sowie Nötigung in drei weiteren Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Diese Verurteilung führte schließlich zur Ausweisungsverfügung durch die Beklagte im Jahr 2005, die dem Kläger die Wiedereinreise untersagte.
Strafrechtliche Verurteilungen und Ausweisung
Nach seiner Verurteilung und der darauf folgenden Haftstrafe wurde der Kläger während der Haftzeit Vater und heiratete im Mai 2006 die deutsche Mutter seines Sohnes. Nach der Entlassung aus der Haft im Februar 2007 zog er zu seiner Familie. Im Jahr 2007 wurde er erneut verurteilt, diesmal zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung, nachdem er sich in eine Schlägerei in der Justizvollzugsanstalt verwickelt hatte. Bei diesem Vorfall verlor sein Opfer mehrere Zähne.
Trotz dieser Straftaten und der bestehenden Ausweisungsverfügung erhielt der Kläger am 3. November 2009 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, die zunächst bis zum 2. November 2011 galt. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 29. November 2013. Am 22. März 2010 wurde der Kläger jedoch erneut verurteilt, diesmal wegen Beleidigung von Polizisten zu einer Geldstrafe.
Eskalation: Tötung der Ehefrau und psychiatrische Unterbringung
Im Februar 2012 verschärfte sich die Situation, als der Kläger auf Wunsch seiner Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Bei einem Besuch anlässlich des achten Geburtstags seines Sohnes am 21. Mai 2012 eskalierte die Situation, und der Kläger stach ohne ersichtlichen Grund auf seine Ehefrau ein, die daraufhin verstarb. Der Kläger wurde sofort festgenommen und befand sich zunächst in Untersuchungshaft, bevor er in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wurde.
Am 18. Juli 2013 sprach das Landgericht München I den Kläger vom Vorwurf des Mordes an seiner Ehefrau frei und ordnete stattdessen seine dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Begründung lautete, dass der Kläger aufgrund einer paranoiden Schizophrenie zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen sei. Diese Krankheit, die als schwerwiegende seelische Störung eingestuft wurde, hatte seine Einsichtsfähigkeit vollständig aufgehoben.
Antrag auf Aufenthaltstitel und Ablehnung durch die Beklagte
Am 10. Mai 2015 stellte der Kläger einen formlosen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines unbefristeten Aufenthaltstitels. In einem weiteren Schreiben vom 27. Juni 2016 verwies er darauf, dass er seiner Ansicht nach einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG habe. Die Beklagte reagierte zunächst mit der Erteilung einer Duldung, lehnte jedoch nach Anhörung des Klägers den Antrag am 9. Dezember 2015 endgültig ab. Gleichzeitig legte sie das Einreise- und Aufenthaltsverbot für acht Jahre fest, beginnend mit der Entlassung des Klägers aus der psychiatrischen Unterbringung. Die Beklagte betonte, dass die Schwere der begangenen Straftaten sowie die weiterhin bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit eine Verlängerung des Aufenthalts ausschlössen.
Klage beim Verwaltungsgericht München
Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht München. Er forderte, die Bescheide der Beklagten vom 9. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Aufenthaltstitel sowie eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. In seiner Begründung argumentierte er, dass es zweifelhaft sei, ob sein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG überhaupt hätte widerrufen werden dürfen. Außerdem machte er geltend, dass seine Verlegung in das Bezirksklinikum München-Haar für eine geringere Gefährlichkeit spreche.
Das behandelnde Klinikum teilte jedoch am 16. Mai 2017 mit, dass alle Lockerungsstufen für den Kläger aufgehoben worden seien und er hochgesichert untergebracht werde. Man diagnostizierte beim Kläger eine komplexe Persönlichkeitsstörung, die er jedoch nicht akzeptiere, was die Therapie erschwere. Insbesondere seine mangelnde Einsicht in seine früheren Straftaten, insbesondere die Vergewaltigungen, sowie seine Tendenz zur Bagatellisierung dieser Taten, ließen weiterhin eine erhebliche Gefahr bestehen. Der Kläger nehme die Therapie nur formal wahr, ohne sich inhaltlich mit seiner Tat, seiner Lebensgeschichte, seiner Sucht und seiner psychotischen Erkrankung auseinanderzusetzen.
Urteil des Verwaltungsgerichts: Keine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Das Verwaltungsgericht München wies die Klage des Klägers ab. Das Gericht stellte fest, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch auf Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zustehe. Zunächst sei kein Anspruch aus § 9a Abs. 2 AufenthG gegeben, da die Voraussetzungen für einen Daueraufenthalt nicht erfüllt seien. Darüber hinaus bestehe auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 1, 2 oder Abs. 5 AufenthG.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere insbesondere an der weiterhin bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Aufgrund der schwerwiegenden Straftaten und der weiterhin bestehenden psychischen Erkrankung des Klägers sei es nicht vertretbar, ihm einen Aufenthaltstitel zu gewähren. Eine Ausnahme von der allgemeinen Erteilungssperre sei nicht gegeben, da die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit weiterhin bestehe.
Auch eine Verkürzung der Sperrzeit auf Null wurde abgelehnt. Das Gericht betonte, dass eine solche Reduzierung nur in Ausnahmefällen möglich sei, wenn die ursprünglichen Gründe für die Ausweisung entfallen seien oder die Verhältnismäßigkeit eine solche Maßnahme gebiete. Beides sei im Fall des Klägers nicht gegeben, da er weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Schließlich führte das Gericht aus, dass auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keine andere Entscheidung getroffen werden könne. Die Beklagte habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt, und der Bescheid sei rechtmäßig.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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