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Ausländerrecht: Muss sich ein Ausländer die Straffälligkeit seines Ehegatten zurechnen lassen

Verwaltungsgericht Stuttgart, 12.06.2019, Az. 8 K 19641/17

Erhält ein gut integrierter ausländischer Minderjähriger eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, können auch die Eltern eine solche beantragen. Dies liegt am schützenswerten Interesse der Eltern, mit ihrem Kind zusammenzuwohnen. Im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) findet sich daher die Regelung des § 25a II AufenthG, der den Eltern einen Anspruch einräumt, sofern sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Der Gesetzgeber hat allerdings festgelegt, dass dies nicht für straffällig gewordene Eltern gelten soll. Außerdem muss das Kind minderjährig sein. Nun mag es vorkommen, dass nur ein Elternteil straffällig geworden ist, während sich der andere nichts hat zu Schulden kommen lassen. Soll dann beiden Elternteilen die Aufenthaltsgenehmigung verwehrt werden oder nur dem Straffälligen? Und kommt es bei der vorausgesetzten Minderjährigkeit des Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder der Entscheidung an? Dies ist deshalb relevant, da solche Verfahren oftmals über längere Zeiträume andauern.

Im nachstehenden Urteil stellt das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart) klar, dass sich ein Ausländer die Straffälligkeit seines Ehepartners nicht zurechnen lassen muss. Ferner erläutert es, dass eine ggf. notwendige Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis ausreicht und nicht noch zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein muss.

Ausgangslage und Hintergrund des Falls

Die Kläger, ein türkisches Ehepaar, streiten mit der beklagten Ausländerbehörde um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sie lebten seit Jahrzehnten in Deutschland und kehrten nach einem Umzug in die Türkei 2011 ohne Visum nach Deutschland zurück. Bei der Rückkehr wurde die Mutter wegen offener Haftstrafen festgenommen, die sie bis Mai 2012 verbüßte. Die Ausländerbehörde erklärte 2013, dass die Aufenthaltserlaubnis erloschen sei. Gegen diese Entscheidung legte das Ehepaar Klage ein.

Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung und rechtliche Auseinandersetzung

2014 beantragten sie für sich und ihre Kinder eine Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und eine Arbeitserlaubnis. Die Behörde lehnte den Antrag ab. Später erhielten die Kinder befristete Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG, während der Antrag der Eltern erneut abgelehnt wurde. Der Vater argumentierte, dass er sich die Straftaten seiner Ehefrau nicht zurechnen lassen müsse und seinen Lebensunterhalt durch Arbeit sichern könne.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart: Anspruch des Vaters

Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klage des Vaters statt. Es stellte fest, dass er Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG hat. Der Gerichtshof argumentierte, dass der 19-jährige Sohn als minderjährig gilt, da der Zeitpunkt der Antragstellung relevant sei. Auch sei der Lebensunterhalt durch die Erwerbstätigkeit des Vaters gesichert. Weiterhin entschied das Gericht, dass der Vater sich die Straftaten seiner Ehefrau nicht zurechnen lassen müsse, da § 25a Abs. 3 AufenthG nur für den straffällig gewordenen Ausländer gilt.

Abweisung der Klage der Mutter

Die Klage der Mutter auf eine Aufenthaltserlaubnis wurde abgewiesen. Das Gericht entschied, dass die Mutter aufgrund ihrer Straftaten keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG hat. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG wurde abgelehnt. Der Gerichtshof betonte, dass § 25a Abs. 3 AufenthG explizit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für straffällig gewordene Ausländer ausschließt.

Argumentation des Gerichts zur Anwendung der Gesetze

Das Gericht stellte fest, dass § 25a Abs. 2 AufenthG den Anspruch des Vaters nicht ausschließt, da keine Zurechnung der Straftaten seiner Ehefrau möglich ist. Eine Zurechnungsvorschrift existiert nicht und ist auch in den Gesetzgebungsmaterialien nicht vorgesehen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Vater würde zudem nicht dazu führen, dass die Mutter ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte, da dies nicht den Bestimmungen entspricht.

Fazit und Urteil

Das Verwaltungsgericht Stuttgart verpflichtete die Ausländerbehörde, dem Vater eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG zu erteilen, während die Klage der Mutter abgewiesen wurde. Der Vater erfüllt alle Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis, während die Mutter aufgrund ihrer Straftaten keinen Anspruch darauf hat. Das Urteil betont die Differenzierung zwischen den Ehepartnern und die strikte Anwendung der gesetzlichen Vorgaben.

Quelle: VG Stuttgart

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