Verwaltungsgericht München, 11.05.2017, Az.: M 12 K 16.2612
Nach § 25b Abs. 1 S.1, 2 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat; sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt; seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist; über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt und bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist. Der Abs. 1 S. 1 des § 25b AufenthG legt den grundsätzlichen Rahmen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung dar, demnach die Integration in die Lebensverhältnisse. Für die Beurteilung, ob eine Integration erfolgt ist, bieten der Abs. 1 S. 2 Auslegungshilfen. So ist in der Regel das Vorliegen der Voraussetzungen notwendig aber auch hinreichend um eine nachhaltige Integration anzunehmen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 18 B 486/14 , Rn. 8, juris).
In dem vorliegenden Urteil geht es um die Frage, ob sich ein Ausländer, der sich 25 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat und hiervon mehrere Jahre geduldet wurde, einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG hat.
Einleitung und Hintergrund
Der Kläger stammt aus Äthiopien und reiste im Februar neunzehnhundertzweiundneunzig in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er begehrt nun die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sein Asylantrag wurde bereits im Juni neunzehnhundertvierundneunzig abgelehnt, und diese Entscheidung wurde im Mai zweitausendeins rechtskräftig. Trotz der Ablehnung erhielt der Kläger ab Oktober zweitausendzwei bis Dezember zweitausendzwölf verschiedene Duldungen, da er keine Reisedokumente vorlegen konnte.
Im März zweitausendfünf stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, der im September desselben Jahres abgelehnt wurde. Die dagegen gerichtete Klage wurde im März zweitausendsechs vom Verwaltungsgericht abgewiesen, und auch ein Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos. Im Oktober zweitausendzwölf stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis und erhielt daraufhin eine befristete Erlaubnis, die bis Dezember zweitausendzwölf gültig war. Nach einem weiteren Antrag im Dezember zweitausendzwölf wurde ihm eine Fiktionsbescheinigung bis Juli zweitausendsechzehn ausgestellt.
Anforderung weiterer Nachweise
In den Jahren zweitausendfünfzehn und zweitausendsechzehn forderte die Ausländerbehörde den Kläger wiederholt auf, Nachweise wie einen Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen und eine Bestätigung des Arbeitgebers vorzulegen, um die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu prüfen. Der Kläger legte daraufhin einige Dokumente vor, darunter eine Arbeitgeberbescheinigung und eine Bestätigung, dass er keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehe. Trotz dieser Nachweise wurde sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Mai zweitausendsechzehn abgelehnt. Die Behörde begründete dies unter anderem damit, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht dauerhaft sichern könne und nicht alle notwendigen Nachweise erbracht habe.
Klage gegen die Ablehnung
Der Kläger erhob durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid und verlangte die Aufhebung der Entscheidung sowie die Verpflichtung der Behörde, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Er machte geltend, dass er seit Mai zweitausendsechzehn in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe, das ihm ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als neunhundert Euro sichere. Zudem habe er seit Juli zweitausendsechzehn einen Nebenjob, durch den er weitere zweihundert Euro monatlich verdiene. Sein Lebensunterhalt sei damit gesichert, da seine monatliche Miete lediglich vierhundertfünfundachtzig Euro betrage.
Erwiderung der Beklagten
Die Ausländerbehörde verwies darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit über Jahre hinweg Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Auch sei die vorgelegte Arbeitgeberbestätigung von zweitausendfünfzehn in eine Zeit gefallen, in der der Kläger diese Leistungen bezog. Trotz der Behauptung des Klägers, er habe nun ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, sei die dauerhafte Sicherung seines Lebensunterhalts nicht gewährleistet. Die Beklagte betonte, dass das Einkommen des Klägers, nach Abzug der Miete, nur geringfügig über dem Regelbedarf liege und der Nebenverdienst von zweihundert Euro bisher nicht nachgewiesen worden sei. Aus diesen Gründen sei die Prognose für eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts negativ.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München
Das Verwaltungsgericht München entschied, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Es führte aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe, da die Voraussetzungen des § fünfundzwanzig b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht erfüllt seien. Nach dieser Vorschrift kann einem geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert hat. Die Voraussetzungen für eine solche Integration, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, seien im Fall des Klägers jedoch nicht gegeben.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger trotz eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses keine ausreichenden Nachweise erbracht habe, die eine positive Prognose über die dauerhafte Sicherung seines Lebensunterhalts zulassen. Insbesondere habe er nur eine Gehaltsabrechnung und eine Kopie des Arbeitsvertrages vorgelegt, obwohl aufgrund von Fälschungssicherheit das Original erforderlich gewesen wäre. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die vorgelegte Arbeitgeberbestätigung und der Arbeitsvertrag nicht übereinstimmen, was die Glaubwürdigkeit der Angaben des Klägers weiter infrage stelle.
Schlussfolgerung und Ergebnis
Das Verwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht vorliegen. Es sei weder eine nachhaltige Integration des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse erkennbar, noch lägen atypische Umstände vor, die eine Ausnahme rechtfertigen würden. Auch familiäre oder sonstige schützenswerte Bindungen in Deutschland seien nicht gegeben. Der Kläger habe über Jahre hinweg Sozialleistungen bezogen und den Arbeitgeber häufig gewechselt, was gegen eine stabile wirtschaftliche Integration spreche.
Darüber hinaus sei die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verhältnismäßig. Es sei dem Kläger zuzumuten, in seinem Heimatland eine Existenz aufzubauen. Andere Anspruchsgrundlagen für eine Aufenthaltserlaubnis seien ebenfalls nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen wurde die Klage abgewiesen und die Abschiebungsandrohung sowie die gesetzte Ausreisefrist als rechtlich zulässig bestätigt.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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