Prozesskostenhilfeantrag für die Klage gegen die Ablehnung der Einbürgerung - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
Veröffentlicht:
von: Helmer Tieben

VG Ansbach, Beschluss vom 06.09.2023 – AN 14 K 21.895

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Einbürgerungsantrag der Klägerin war wegen fehlender Deutschkenntnisse abgelehnt worden

Die Klägerin hatte die Einbürgerung beantragt. Unter Vorlage fachärztlicher Atteste beantragte sie zugleich eine Ausnahme gemäß § 10 Abs. 6 StAG vom Nachweis hinreichender Deutschkenntnisse und von Kenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung. Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 6 StAG greife nicht ein, da es an der Vorlage eines den Mindestanforderungen entsprechenden fachärztlichen Gutachtens fehle. Nun wollte die Klägerin im Klageverfahren die Einbürgerung durchsetzen. Dafür hatte die Klägerin Prozesskostenhilfe beantragt.

Hiergegen klagte die Klägerin und wollte Prozesskostenhilfe für das Verfahren

Mit Beschluss vom 06.09.2023 hatte das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Ein Absehen von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG gemäß § 10 Abs. 6 StAG komme vorliegend nicht in Betracht. Die von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Gutachten würden nicht die inhaltlichen Mindestanforderungen und seien daher nicht geeignet, die Behauptung der Klägerin, sie sei aufgrund einer Erkrankung daran gehindert, sich die fehlenden bzw. unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen, zu substantiieren.

Wegen angeblich mangelhafter Attest lehnte das Gericht den PKH Antrag ab

Bei Fehlen eines aussagekräftigen ärztlichen Attests bestehe für das Gericht keine Veranlassung, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu erforschen und ein Sachverständigengutachten einzuholen. Sei danach die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 StAG nicht gegeben, könne der Prozessausgang auch nicht als offen bezeichnet werden.

Hiergegen reichte die Klägerin Beschwerde ein.

Beschluss des Verwaltungsgericht Ansbachs

Verwaltungsgericht gewährt der Klägerin doch Prozesskostenhilfe

Das Verwaltungsgericht Ansbach entschied nun anders und beschloss, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bieten würde.

Hierfür würde eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen, die bereits gegeben sei, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage komme wie ein Unterliegen. Vorliegend bestünde zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Klägerin ein Einbürgerungsanspruch gemäß § 10 StAG zustehen könnte. Zwar habe sie nicht nachgewiesen, dass sie entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt. Es erscheine jedoch als offen, ob in ihrem Fall von diesen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 6 StAG abzusehen sei, weil sie diese wegen einer Krankheit nicht erfüllen könne.

Es bestünde zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin doch gewinnt

Es erscheine als offen, ob die Klägerin die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG wegen der in den vorgelegten Attesten beschriebenen Krankheit nicht erfüllen könne und deshalb gemäß § 10 Abs. 6 StAG von diesen Voraussetzungen abzusehen sei.

Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin sei es nicht ausgeschlossen, dass sie im Hauptsacheverfahren entsprechend ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG) substantiiert darlegen könne, auf welcher Grundlage die behandelnden Fachärzte ihre Diagnose gestellt hätten und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Nach der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten obergerichtlichen Rechtsprechung gehörten dazu etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden habe, welche Art von Befunderhebung stattgefunden habe und ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden würden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.

Zwar seien die Attest tatsächlich lückenhaft, die Klägerin könne aber noch nachlegen

Den Attesten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie T.M. vom 13. September 2016, 9. November 2016 und 9. Mai 2017 sei insbesondere zu entnehmen, dass sich die Klägerin mehrmals in der fachärztlichen Sprechstunde vorgestellt habe, erstmals am 24. Mai 2012 und jedenfalls bis Mai 2017. Der Facharzt habe seinen psychopathologischen Befund auf die im Gespräch mit der Klägerin durchgeführte Anamnese und die Verhaltensbeobachtung in der Praxis gestützt. Dabei seien u.a. eine starke Antriebsreduzierung und deutliche Konzentrationsstörungen festgestellt worden. Aufgrund des Befundes sei vom Bestehen sehr schwerer krankheitsbedingter Beeinträchtigungen auszugehen (kognitive Einschränkungen), die es der Klägerin unmöglich machen würden, an den für die Einbürgerung erforderlichen Prüfungen teilzunehmen. Durch die starken kognitiven Störungen sei der Erwerb einer Fremdsprache extrem stark beeinträchtigt; ein Eigenstudium oder VHS-Kurs erscheine aussichtslos, die Teilnahme an einem Test werde dadurch von vornherein sinnlos. Diagnostisch sei von einer rezidivierenden depressiven Störung (damals schwere Episode) und einer dysthymen Störung auszugehen. Aus psychiatrischer Sicht sei eine intensive pharmakotherapeutische Behandlung erforderlich; eine stationäre Klinikbehandlung sei zu überlegen.

Es erscheine als offen, ob das Verwaltungsgericht aufgrund fachärztlicher Atteste und gegebenenfalls einer ergänzenden Sachverhaltsermittlung zur Bewertung gelangen könnte, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die Kenntnisse gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG nicht erwerben und nachweisen könne. Aus den bisherigen fachärztlichen Feststellungen und Bewertungen würden sich gewisse Anhaltspunkte für ein mögliches krankheitsbedingtes Unvermögen der Klägerin zum Erwerb und Nachweis hinreichender Kenntnisse gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG ergeben. Allerdings würden die bislang vorgelegten Atteste nicht alle erforderlichen Angaben zur jeweiligen Grundlage der Diagnose und zur Krankheit der Klägerin enthalten; die Ausführungen seien zu knapp und lückenhaft (z.B. bzgl. Untersuchungsfrequenz bei Arzt T.M.; Befunderhebung bzgl. depressiver Erkrankung durch Ärzte Dr. H. M. und Dr. K. Z.; Entwicklung des Krankheitsbildes und der Therapie im Behandlungsverlauf, Art und Umfang etwaiger Auswirkungen der Krankheit auf die Fähigkeit zum erforderlichen Kenntniserwerb).

Da somit im Ergebnis zumindest eine gewisse Wahrscheinlicht für das Obsiegen der Antragstellerin bestünde, war der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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