Verwaltungsgericht Stuttgart, 21.02.2017, Az.: 11 K 5571/16
Die Einbürgerung, sowie das Einbürgerungsverfahren ist im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt. So ist nach § 10 Abs. 1 StAG ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, sofern er die in § 10 StAG genannten Voraussetzungen erfüllt. So darf der Ausländer nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden sein. Bei der Beurteilung des Strafrahmens bleiben nach § 12a Abs. 1 StAG bei der Einbürgerung die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz, Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden sind, außer Betracht.
Im nachfolgenden Urteil geht es um die Frage, ob eine Ablehnung der Einbürgerung wegen verschiedener Verurteilungen im Hinblick auf das öffentliche Interesse oder aufgrund einer besonderen Härte unberücksichtigt bleiben müssen.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatenverband.
Er wurde 1979 in der Bundesrepublik als türkischer Staatsangehöriger geboren und erhielt 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Aufgrund mehrerer Straftaten, darunter fahrlässige Körperverletzung, Sachbeschädigung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und Trunkenheit im Verkehr, wurde er 2003 ausgewiesen und 2004 in die Türkei abgeschoben. Nach einem Vergleich vor dem VGH Baden-Württemberg wurde die Ausweisung zurückgenommen und ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. 2007 reiste er wieder in das Bundesgebiet ein und wurde zur weiteren Strafverbüßung festgenommen. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und erhielt 2007 eine Niederlassungserlaubnis sowie 2013 eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU.
Behörde hatte Einbürgerung wegen nicht unerheblicher Straftaten abgelehnt
Am 19. Juni 2015 beantragte der Kläger die Einbürgerung in den deutschen Staatenverband. Das Bundesamt für Justiz teilte mit, dass seine Verurteilungen bei Straffreiheit ab dem 1. Mai 2020 tilgungsreif seien. Das Landratsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Mai 2016 ab, da seine Verurteilungen die Bagatellgrenze aus § 12a Abs. 1 StAG überstiegen. Eine Ermessenseinbürgerung sei ebenfalls nicht möglich, da der Kläger die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht erfülle und auch kein öffentliches Interesse oder eine besondere Härte vorliege.
Kläger führt besondere Integrationsleistungen ins Feld
Der Kläger legte am 16. Juni 2016 Widerspruch ein und argumentierte, dass er seit seiner Familiengründung außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht habe. Er sichere die Existenz seiner deutschen Familie und besitze als einziger keine deutsche Staatsangehörigkeit, was eine besondere Härte darstelle. Er habe sein Leben nach den Verurteilungen grundlegend geändert, eine qualifizierte Berufsausbildung absolviert und übe inzwischen die Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger aus.
Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch am 5. August 2016 zurück, da die Verurteilungen nach § 12a Abs. 1 StAG nicht außer Betracht bleiben könnten. Eine Ermessenseinbürgerung sei ebenfalls ausgeschlossen, da weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vorliege.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart
Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied, dass die Klage zulässig, aber unbegründet sei. Der Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag.
Straftaten des Klägers stünden der Einbürgerung entgegen
Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 10 StAG, da § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG entgegenstehe. Hiernach dürfe ein Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden sein, es sei denn, die Verurteilung bleibe aufgrund bestimmter Ausnahmen unberücksichtigt. Die Bagatellgrenze von drei Monaten sei jedoch deutlich überschritten, da der Kläger insgesamt zu mehr als 21 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Eine Einbürgerung nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG sei ebenfalls ausgeschlossen, da weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vorliege.
Weder eine besondere Härte noch ein öffentliches Interesse sei gegeben
Ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bestehe nicht, da es kein vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abweichendes staatliches Interesse gebe. Auch die gute Integration des Klägers, seine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen und die gemeinsamen Kinder änderten daran nichts.
Eine besondere Härte sei ebenfalls abzulehnen. Diese setze einen besonderen, atypischen Sachverhalt voraus, der den Kläger in besonderer Weise beschwere. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG solle solchen Härten begegnen, die durch die Versagung der Einbürgerung entstünden und durch die Einbürgerung beseitigt oder entscheidend abgemildert werden könnten.
Selbst die Tatsache, dass die Familienangehörigen des Klägers deutsche Staatsangehörige seien, begründe keine besondere Härte. Auch der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG gebiete kein Absehen von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Insbesondere drohten dem Kläger keine negativen Auswirkungen auf die familiäre Lebensgemeinschaft, und es bestehe eine konkrete Einbürgerungsperspektive nach Tilgungsreife der Straftaten.
Die Klage wurde daher abgewiesen.
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart
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