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Ausländerrecht: Syrischer Student bekommt auch ohne Sicherung des Lebensunterhalts Aufenthaltserlaubnis für Deutschland

Verwaltungsgericht Aachen, 19.02.2015, Az.: 8 L 623/14

Seit der Bürgerkrieg in Syrien im Jahr 2011 ausgebrochen ist, haben Deutschland und Nordrhein-Westfalen mehrere Regelungen auf den Weg gebracht, die die Einreise syrischer Flüchtlinge erleichtern und den Aufenthaltsstatus syrischer Flüchtlinge in Deutschland verbessern sollen.

Dies betrifft selbstverständlich nicht nur syrische Staatsangehörige, welche sich noch im Ausland befinden, sondern auch solche, welche bereits in Deutschland sind.

Hintergrund: Antrag auf Aufenthaltserlaubnis eines syrischen Studenten

Ein syrischer Student, der in Deutschland Maschinenbau studiert, beantragte eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Der Student, der ursprünglich von einem in Deutschland lebenden Cousin unterstützt wurde, konnte aufgrund der politischen Lage in Syrien nicht mehr auf diese Unterstützung zählen. Sein Cousin, der ihm finanziell unter die Arme gegriffen hatte, war nun gezwungen, die Ressourcen auf einen anderen Familienangehörigen zu konzentrieren, um diesen vor dem Bürgerkrieg zu schützen. Auch die Eltern des Studenten, die ursprünglich zur Unterstützung bereit waren, konnten dies aufgrund der Krise in Syrien nicht länger tun.

Verlust der Existenzgrundlage

Der Antragsteller geriet in eine finanzielle Notlage, da weder der Cousin noch seine Familie weiterhin die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen konnten. Ohne diese Unterstützung und ohne Zugang zu ausreichenden Fördermitteln oder Einkünften durch Erwerbstätigkeit, konnte der Student den Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten. Dies führte dazu, dass die zuständige Ausländerbehörde am 21. August 2014 eine Ordnungsverfügung erließ, die eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verweigerte und gleichzeitig die Abschiebung des Studenten androhte.

Einleitung des Rechtsstreits

Der Student erhob gegen diese Entscheidung Klage. Da jedoch die Klage keine aufschiebende Wirkung hatte, reichte der Student zusätzlich einen Antrag ein, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, um eine Abschiebung während des laufenden Verfahrens zu verhindern. Die Entscheidung, die in dieser Angelegenheit getroffen wurde, liegt beim Verwaltungsgericht Aachen.

Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen

Das Verwaltungsgericht Aachen entschied zugunsten des Antragstellers und stellte fest, dass die Ordnungsverfügung der Behörde rechtswidrig sei. Das Gericht führte eine Abwägung der Interessen durch und kam zu dem Schluss, dass das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung überwiege. Das Gericht argumentierte, dass die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren positiv für den Antragsteller ausfielen. Damit stellte es fest, dass die Abschiebungsandrohung ausgesetzt werden müsse.

Das Gericht betonte, dass der Antragsteller nach einer summarischen Prüfung der Sachlage einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG habe. Diese gesetzliche Grundlage ermögliche es, syrischen Staatsangehörigen, die sich bereits in Deutschland befinden, unter bestimmten Bedingungen eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. Die entsprechenden Aufnahmeanordnungen des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen, die im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern getroffen wurden, gelten auch für den Antragsteller.

Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

Nach Ansicht des Gerichts erfüllte der Antragsteller alle notwendigen Voraussetzungen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Auch wenn seine letzte Aufenthaltserlaubnis 2012 abgelaufen war, hatte er rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung gestellt. Nach § 81 Abs. 4 AufenthG gilt eine solche Aufenthaltserlaubnis als fortbestehend, solange die Behörde nicht entschieden hat. Zudem wurde bestätigt, dass der Antragsteller ein ordentlicher Student an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen sei und dass er sein Studium fortsetze. Ein Wechsel des Studienfachs wurde von der Ausländerbehörde im Jahr 2013 zugelassen und stellte somit keinen Hinderungsgrund dar.

Der entscheidende Punkt war jedoch, dass der Student keine ausreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts mehr hatte, wie es in den Aufnahmeanordnungen vorausgesetzt wurde. Dies wurde durch die Vorlage von Kontoauszügen nachgewiesen. Der Antragsteller konnte weder durch deutsche Fördermittel noch durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt decken, und auch die finanzielle Unterstützung aus Syrien war nicht mehr vorhanden.

Interessenabwägung und Folgen

Das Gericht entschied, dass die Abschiebungsandrohung, die als Folge der verweigerten Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen wurde, ebenfalls ausgesetzt werden müsse. Das Interesse des Antragstellers an einem Verbleib in Deutschland während des Hauptverfahrens überwog das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebung. Obwohl die formalen Voraussetzungen für eine Abschiebung gemäß §§ 50, 59 AufenthG vorlagen, war die Anordnung der aufschiebenden Wirkung notwendig, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, seine Rechtsansprüche geltend zu machen.

Diese Entscheidung zeigt, dass in Fällen wie diesem, humanitäre Gesichtspunkte und die Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände eine zentrale Rolle spielen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen stärkte den Schutz von Studierenden, die sich aufgrund von Krieg und politischer Instabilität in einer schwierigen Lage befinden, und unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Interessenabwägung bei Entscheidungen über Aufenthaltserlaubnisse.

Fazit

Der Fall des syrischen Studenten verdeutlicht die Komplexität der rechtlichen Verfahren im Bereich des Aufenthaltsrechts in Deutschland. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen hebt hervor, wie entscheidend eine differenzierte Prüfung und eine ausgewogene Abwägung der betroffenen Interessen sind. Insbesondere in Fällen, in denen äußere Umstände die Lebenssituation von Studierenden drastisch verändern, können solche Urteile den Unterschied zwischen einer gesicherten Zukunft und einer Rückkehr in eine gefährliche Situation bedeuten.

Quelle: Verwaltungsgericht Aachen

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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