Der Artikel 6 des Grundgesetzes beschreibt den besonderen Schutz von Ehe und Familie. Dieser Schutz- und Achtungsstatus wird auch durch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bekräftigt. Darüber hinaus wurde im Jahr 2003 die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) verabschiedet, die seitdem den EU-weiten Rechtsrahmen für den Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen festlegt, sowohl für Angehörige von Drittstaatsangehörigen als auch von Staatsbürgern der Mitgliedstaaten. Die nationalen Vorgaben zur Familienzusammenführung für Drittstaatsangehörige und Deutsche sind in den §§ 27 bis 36 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelt. Der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft wird in Fragen des Familiennachzugs weitgehend die gleiche rechtliche Stellung wie der Ehe eingeräumt. Im folgenden Artikel wird das Thema des Familiennachzugs von sonstigen Familienangehörigen behandelt.
§ 36 AufenthG gilt sowohl für den Nachzug zu in Deutschland lebenden Ausländern als auch zu deutschen Staatsangehörigen.
Auf den ersten Blick scheint sich § 36 Absatz 2 AufenthG nur auf Ausländer zu beziehen. Doch durch den Verweis in § 28 Absatz 4 AufenthG gilt diese Vorschrift auch für Deutsche, die mit einem ausländischen Partner verheiratet oder verpartnert sind. In erster Linie betrifft der oben genannte Nachzug von sonstigen Familienmitgliedern Eltern von deutschen oder ausländischen volljährigen oder minderjährigen Kindern, volljährige Kinder zu ihren Eltern oder Minderjährige zu engen volljährigen Familienangehörigen. Auch weiteren Familienangehörigen, wie Cousinen und Cousins, Tanten und Onkeln, Nichten und Neffen sowie Geschwistern, kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden.
Voraussetzung für den Nachzug sonstiger Familienangehöriger ist das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte.
Gemäß § 36 Absatz 2 Satz 1 AufenthG muss der Nachzug erforderlich sein, um eine außergewöhnliche Härte zu vermeiden. Zu beachten ist, dass § 36 Absatz 2 AufenthG in Verbindung mit § 28 Absatz 4 AufenthG keinen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung gewährt. Es besteht lediglich ein Ermessensanspruch, das heißt ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde.
Weitere Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
Neben den allgemeinen Voraussetzungen nach § 27 AufenthG bzw. § 28 AufenthG lassen sich die Kernvoraussetzungen für den Nachzug der Familie eines Drittstaatsangehörigen wie folgt zusammenfassen:
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- Vorliegen einer Niederlassungserlaubnis, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt in der EU, einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Blauen Karte der EU
- Ausreichender Wohnraum
- Krankenversicherungsschutz
- Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts für sich und die Familienangehörigen
- Für bestimmte Nachzugsgruppen: Nachweis von Deutschkenntnissen vor der Einreise und/oder Teilnahme an Sprach- und Orientierungskursen nach der Einreise
- Beim Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftsnachzug: Der Partner muss grundsätzlich mindestens 18 Jahre alt sein
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Außergewöhnliche Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.
Beim Familiennachzug sonstiger Familienangehöriger ist, wie oben erwähnt, zusätzlich eine außergewöhnliche Härte gemäß § 36 Absatz 2 Satz 1 AufenthG erforderlich. Die „außergewöhnliche Härte“ ist ein unbestimmter Begriff. Eine außergewöhnliche Härte liegt vor, wenn der in Deutschland lebende oder der nachzugswillige Familienangehörige auf die familiäre Unterstützung angewiesen ist, die nur in Deutschland erbracht werden kann, beispielsweise aufgrund einer besonderen Betreuungsbedürftigkeit der im Ausland lebenden Person. Bei Kindern unter 18 Jahren sind deren Wohl und Lebensalter vorrangig zu berücksichtigen. Gründe für ein familiäres Angewiesen-Sein können sich nur aus den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ergeben, wie etwa Krankheiten, Behinderungen, Pflegebedürftigkeit oder eine psychische Notlage.
Not und Elend im Herkunftsstaat begründen keine außergewöhnliche Härte.
Nicht berücksichtigt werden Umstände, die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland des nachziehenden Familienangehörigen ergeben. Ungünstige schulische, soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse im Heimatland stellen somit keine Härtefälle dar. Politische Verfolgungsgründe, die nicht auf der Trennung der Familienangehörigen beruhen, sind nur im Rahmen humanitärer Aufenthaltsgewährung zu berücksichtigen (§§ 22 ff. AufenthG) und begründen keinen Härtefall im Sinne des § 36 AufenthG.
In jedem Einzelfall werden die individuellen und besonderen Umstände im Hinblick auf den unbestimmten Begriff der außergewöhnlichen Härte gemäß § 36 Absatz 2 AufenthG geprüft. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Zweck dieser Vorschrift der Schutz der familiären Lebensgemeinschaft ist. Die Umstände, die für einen besonderen Härtefall sprechen, sollten möglichst nachgewiesen werden, etwa durch ärztliche Atteste oder Geburtsurkunden. Es ist auch ratsam, die Sicherung des Lebensunterhalts des nachziehenden Familienangehörigen zu dokumentieren. Vor der Einreise muss das Visum bei der zuständigen Botschaft oder Auslandsvertretung vom Antragsteller persönlich beantragt werden. Da es sich beim Visumsverfahren um ein zweistufiges Verfahren handelt, wird die deutsche Auslandsvertretung die zuständige Bezirksausländerbehörde kontaktieren. Diese ist für den Bezirk zuständig, in dem die Person lebt, zu der der Ausländer nach Deutschland ziehen möchte. Wenn der Verwandte des nachzugswilligen Ausländers in Köln lebt, wäre die Ausländerbehörde in Köln zuständig.
Befindet sich der ausländische Verwandte bereits in Deutschland, muss die Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG direkt bei der zuständigen Ausländerbehörde und nicht bei der Botschaft beantragt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass der nachzugswillige Ausländer nicht mit einem Schengen-Visum in Deutschland sein darf, da dies nicht das richtige Visum zur Beantragung eines nationalen Visums gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG ist. Die Aufenthaltserlaubnis müsste daher versagt werden. Ausnahmen gelten jedoch in bestimmten Fällen, etwa wenn die außergewöhnliche Härte auf einem Unfall oder einer Krankheit beruht, die erst im Bundesgebiet eingetreten ist.
Die außergewöhnliche Härte muss in jedem Einzelfall konkret in der Person des nachzugswilligen Familienangehörigen begründet und nachgewiesen werden. Aufgrund dieser Sondersituationen und des Ermessens der zuständigen Behörde ist es ratsam, sich vorher individuell beraten zu lassen, um mögliche Verzögerungen und Fehler beim Antrag zu vermeiden.
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13 Antworten
Guten Tag.
ich habe eine Frage, wie kann ich meine Nichte von Iran nach Deutschland holen und welche Dokumenten muss ich haben.
Vielen Grüßen
Effat Sadeghi
Sehr geehrter Fragesteller,
Nachweise für die in dem Text genannten Voraussetzungen. Diese müssen in geeigneter Form (deutsche Sprache, legalisiert, etc.) vorliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Tieben
Ich möchte eine ältere pflegebedürftige Rentnerin aus der Türkei zu mir nach Deutschland holen. Um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen,
Welche Voraussetzungen muss erfüllt sein.
Herzlichen Dank für Ihre Antwort
MfG Korum
Das Wichtigste ist, dass eine außergewöhnliche Härte vorliegen muss. Das ist aber eine hohe Hürde und muss auch attestiert werden. Ansonsten die übliche Voraussetzungen, Krankenversicherung, Lebensunterhaltssicherung, etc.
Viele Grüße, Rechtsanwalt Helmer Tieben
Guten Tag, ich hätte eine Frage bezüglich Nachweisen zur außergewöhnlichen Härte: die medizinischen Attests ? In Herkunft Land ?
vielen Dank in voraus,
Ja, dies kann man auch mit einem Attest aus dem Herkunftsland nachweisen, dies Attest muss allerdings eine bestimmte Form aufweisen.
Viele Grüße, Rechtsanwalt Helmer Tieben
Guten Tag Herr Tieben,
seit 2 Jahren besitze ich die deutsche Staatsangehörigkeit, berufstätig. Die Frage ist, ob mein Sohn (25 J.a., russischer Staatsbürger), einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland hat?
Mit freundlichen Grüßen
Anna Kokemoor
Hinsichtlich familienrechtlicher Aufenthaltszwecke kommt wahrscheinlich nur die Erteilung nach § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht, dazu muss eine außergewöhnliche Härte gegeben sein. Mit freundlichen Grüßen, Rechtsanwalt Tieben
Hallo Herr Tieben, welche Art der Krankenversicherung in diesem Fall (Nachzug von Eltern) wird verlangt?
Sehr geehrter Herr Fragesteller,
vor der Problematik, eine Krankenversicherung für die Eltern zu finden stehen alle meine Mandanten. Dies ist leider sehr schwierig und sehr teuer. Ich kann Ihnen da keine spezifische in diesem Rahmen empfehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Tieben
Guten Tag Herr Tieben,
ich lebe seit 7 Jahren in Deutschland, arbeite ununterbrochen. Meine 3 Brüder, einer grade 18 geworden. sind auch in Deutschland und arbeiten. Jetzt möchte ich meine Eltern aus Syrien holen. Welche Möglichkeiten gibt es ? Danke. Grüße
Odai Ali Mousa
Sehr geehrter Herr Fragesteller,
wie in dem Text beschrieben, bestünde die Möglichkeit, Ihre Eltern über die außergewöhnliche Härte nach Deutschland zu holen, § 36 Abs. 2 AufenthG. Diese liegt allerdings selten im Sinne des Gesetzes vor.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Tieben
sehr geehrter Damen und Herren, hier mit möchte sie mitteilen wie ich meine Bruder wieder nach Deutschland bringen kann der abgeschoben wurde weil er kein Arbeitserlaubnis hätte und sich zwei job gefunden hat aber nicht arbeiten dürfte und möchte ihn wieder hier her bringen wäre das möglich?
und ich habe eine wohung und niederlassungerlaubins und mache zuzeiteine Ausbildung