Internetrecht: Persönlichkeitsrecht vs. Meinungsfreiheit: Streit um YouTube-Video vor Gericht

OLG Nürnberg, 23.07.2024, Az.: 3 U 2469/23

Der Digital Services Act (DSA), seit 2022 in Kraft, ist eine bahnbrechende EU-Verordnung, die klare Rahmenbedingungen für die Verantwortlichkeit von Online-Diensten schafft. Ziel ist es, die Rechte der Nutzer zu stärken, Transparenz bei Algorithmen zu fördern und gleichzeitig die Haftung von Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter für rechtswidrige Inhalte zu regeln. Der DSA verpflichtet Plattformbetreiber, Mechanismen wie „Notice-and-Take-Down“-Verfahren bereitzustellen, bei denen Nutzer rechtswidrige Inhalte melden können. Zugleich schützt er Plattformen vor übermäßiger Haftung, solange sie bei Rechtsverletzungen rasch handeln.

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Das folgende Urteil beleuchtet die praktische Anwendung des DSA und dessen Auswirkungen auf die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrechten und Plattformverantwortung.

Ein Streitfall zwischen einem Professor und YouTube endete vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, dessen Urteil nun vom Berufungsgericht in wesentlichen Punkten aufgehoben wurde. Der Fall verdeutlicht, wie komplex die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit in der digitalen Welt ist.

Hintergrund des Falls

Der Kläger, Professor für Volkswirtschaftslehre und Teilhaber der W. GmbH, sah sein Persönlichkeitsrecht durch ein auf YouTube veröffentlichtes Video verletzt. In dem Video, das von einem Journalisten auf dem Kanal „A.“ hochgeladen wurde, äußerte der Autor kritische und teils abwertende Meinungen über die W. GmbH und nannte den Kläger namentlich. Der Kläger beanstandete das Video mehrfach bei der Plattformbetreiberin YouTube und forderte dessen Entfernung. Nachdem die Plattform das Video lediglich für die deutsche Domain sperrte, zog der Kläger vor Gericht.

Urteil des Landgerichts

Das Landgericht Nürnberg-Fürth sah die Rechte des Klägers verletzt und verurteilte die Plattformbetreiberin dazu, das Video vollständig zu löschen. Das Gericht argumentierte, dass die Plattform ihre Prüfpflichten verletzt habe, indem sie die Beschwerde des Klägers nicht an den Verfasser des Videos weiterleitete. Zudem bewertete das Landgericht bestimmte Aussagen im Video als unwahre Tatsachenbehauptungen und somit als Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Entscheidung im Berufungsverfahren

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Landgerichts jedoch auf. Es urteilte, dass die Voraussetzungen für eine Haftung der Plattformbetreiberin als sogenannte mittelbare Störerin nicht vorlagen. Dabei stützte sich das Gericht auf folgende Kernpunkte:

  1. Keine klaren Persönlichkeitsrechtsverletzungen: Viele der im Video enthaltenen Aussagen waren nach Ansicht des Gerichts als Meinungsäußerungen einzustufen. Beispielsweise seien Begriffe wie „Geld rauben“ oder „Betrug“ in diesem Kontext wertende Kritik, keine Tatsachenbehauptungen. Solche Meinungsäußerungen sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit geschützt.
  2. Fehlende Aktivlegitimation: Einige Aussagen im Video bezogen sich direkt auf die W. GmbH, nicht auf den Kläger persönlich. Das Gericht stellte infrage, ob der Kläger überhaupt berechtigt war, für das Unternehmen Unterlassungsansprüche geltend zu machen.
  3. Prüfpflichten der Plattform: Das Gericht betonte, dass Plattformen wie YouTube erst bei klar erkennbaren Rechtsverletzungen handeln müssen. Der Hinweis des Klägers reichte jedoch nicht aus, um eine eindeutige Persönlichkeitsrechtsverletzung festzustellen. Die Plattform war daher nicht verpflichtet, den Verfasser des Videos zu kontaktieren oder das Video zu löschen.
  4. DSA und Datenschutzrecht: Die Berufung auf Artikel 17 der DSGVO, der das „Recht auf Vergessenwerden“ regelt, wurde ebenfalls abgelehnt. Das Gericht verwies auf die neuen Regelungen des Digital Services Act (DSA), der die Haftung von Plattformen in solchen Fällen einschränkt.

Fazit

Der Fall verdeutlicht die Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten und der Meinungsfreiheit. Während der Kläger eine Verletzung seiner Rechte sah, argumentierte das Gericht, dass kritische Meinungsäußerungen, auch wenn sie polemisch sind, in einer Demokratie geschützt bleiben müssen. Zudem setzte das Urteil klare Grenzen für die Haftung von Plattformen wie YouTube und betonte deren Rolle als Vermittler.

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